steirischer herbst: Survival im Schloßberg als Gruselprojekt
Andri, Anna und Anja haben ihre Heilsbringerin gefunden. Ada, superreiche Russin, macht in Immobilien und hat sich den Grazer Schloßberg gekascht, in dem sie ein "Habitat" mit 144 Zellen, Pardon, Appartements einrichtet. Mit allem Drum und Dran: Klinik, Luftreinigung und Rohstoffrückgewinnung, Wasserkreislauf, alles, was jene, die sich's leisten können und ausgewählt werden, zum Überleben nach der Katastrophe brauchen. Seine drei Lieblingsmenschen kann man sich als Avatare mitnehmen, langweilig soll's in der langen dunklen Zeit nach der Apokalypse ja nicht werden.
Andri (Jacob Banigan) lässt das Publikum von der Kanonenbastei am Schloßberg aus über das in der Abenddämmerung liegende Graz blicken, wechselt in seiner Beschreibung von Idyll zu Inferno. Die Mur trockengefallen, die Bäume vergiftet, die Stadt in Ruinen - ob Klimawandel, Atomkrieg oder was sonst die Ursache war, lässt er offen. Andri leitet zur nächsten Glücklichen über, zu Anna (Martina Zinner), die auch in die WG im Dolomitfels darf. Mit ihr steigt man hinab ins Gewölbe unter der Bastei. Anhand des erst seit kurzem im Zuge der Neugestaltung des Museums am Schloßberg installierten Modells des Bergs erläutert sie, was nicht schon alles in der Vergangenheit für die "Entwicklung" des Schloßbergs geplant war. Hotel, Flugplatz, Führerhalle ... "geworden ist es eine Märchengrottenbahn und eine Rutsche". Künftig wird es nun das von der Adas Corporation Fels gewordene exklusive Erlebensversprechen, das eher ein Überlebensversprechen ist.
Von Anna geht's zu Anja (Elisabeth Holzmeister), die im Seminarraum des Museums das Projekt phrasendreschend und dauergrinsend präsentiert, mit all den Neusprech-Codes für vermeintlich exklusives branding in der Immobilienbranche - größer denken, Condominions, Habitate, Key note ... den Schlusspart übernimmt dann Ada (Jaschka Lämmert), die wieder an der Luft im Hof des Museums vor dem nächtlichen Himmel monologisiert und ein paar vermeintlich Glückliche zum Überleben auswählt.
Die TiBs kennen ihre Stadt und flechten kundig wie unaufdringlich Details der jüngeren Stadtgeschichte in ihre Texte ein, wie etwa Gondelbahn, Smart City, "Pizza aus dem Kommod" - jenes trotz Denkmalschutz leider abgerissene Haus im Altstadtkern mit dem legendären Lokal im Erdgeschoss, das Objekt, das auch das erste Grazer Stadttheater in seinen Mauern beherbergte.
"Palais Schloßberg" entstand nach einer Idee des im Juni 2021 verstorbenen Kurators, Fotografen und Journalisten Emil Gruber, die Auftragsarbeit des steirischen Herbst 22 an das Theater im Bahnhof wurde von Beatrix Brunschko, Andreas Stangl und Johanna Hierzegger gestaltet.
Nach der eindringlichen Performance zu oberer Erde und im unteren Stock auf jeden Fall nicht entgehen lassen: Im Anschluss an das Geschehen im Museum am Schloßberg lässt sich das "Habitat" in den Stollen unter fachkundiger Führung - Dauer etwa eine Stunde - besichtigen. Ein Gutteil der künstlich geschaffenen Tunnels sind ja nicht oder nur bei speziellen Veranstaltungen öffentlich zugänglich. Beklemmendes Gefühl garantiert.
(S E R V I C E - Premiere am 24.9, um 18.00 Uhr, GrazMuseum am Schloßberg, weiter Vorstellungen: 30.9, 2.10., 11.10, 14.10., jeweils 18.00 Uhr. Tickets unter https://www.oeticket.com/noapp/eventseries/theater-im-bahnhof-3214803/?affiliate=F53)
Zusammenfassung
- Das Theater im Bahnhof (TiB) widmet sich in einer Auftragsarbeit des steirischen herbst mit "Palais Schloßberg - Unterirdische Träume werden wahr- in Graz!!!"