Schauspielhaus Graz startete mit Setz-Uraufführung
Das Drama von Clemens J. Setz wurde bereits als Theaterfilm an den Münchner Kammerspielen digital gezeigt, die Bühnen-Uraufführung gab es nun in Graz. Im Mittelpunkt steht ein isolierter Mann, der aus Mangel an Kommunikationsmöglichkeiten mit unterschiedlichen Hotlines telefoniert. Dabei bildet der Autor sehr genau die sprachlichen Mechanismen, die solchen Gesprächen zugrunde liegen, ab und zeigt gleichzeitig deren streng reglementierte Möglichkeiten zur näheren Verständigung auf.
Der Anrufer, der meist die Versender von Abzocker-Mails telefonisch kontaktiert, gerät immer sofort an seine Grenzen, sobald er versucht, etwas Persönliches über die Callcenter-Mitarbeiter herauszufinden. Die Gespräche verlaufen alle ähnlich, brechen aber früher oder später ab, sobald der Anrufer sich nicht als manipulierbares Opfer erweist und seinerseits die Telefonpartner zu etwas überreden versucht.
Setz stellte die Anrufe nebeneinander, sprachlich abgezirkelt und für sich allein stehend. Regisseurin Anja Michaela Wohlfahrt vertraute auf den Text, verpackte ihn in flotte Abläufe und intensive Momente, nicht zuletzt durch die Musik. Den Großteil des Stücks verbringt der Mann am Telefon, vor einer Regalwand stehend, im Hintergrund blinkt ein Bildschirm, sobald das Gespräch beginnt. Zwei weitere gleiche weiße Regalwände (Bühne und Kostüme: Teresa Joham) befinden sich links und rechts von ihm, dort finden zwei ebenfalls isolierte Leben statt. Eine Frau tritt dann über ihren Besuch in einem Computershop mit dem dort arbeitenden Mann in Kontakt. Mit ihr durchbricht er die Einsamkeit - und sie zeigt sich ironischerweise am meisten von seiner Stimme fasziniert.
Raffael Muff zeigt einen nervösen, etwas eigenwilligen aber durchaus sympathischen Mann, der sich seiner skurrilen Taten durchaus bewusst ist. Er lässt die Komik ebenso aufblitzen wie die tiefe Traurigkeit, die in dieser Figur wohnt. Evamaria Salcher muss den ganzen Abend auf der Regalwand sitzen oder turnen, ist aber auch in ihren großteils stummen Szenen präsent. Als unnachgiebiger Callcenter-Chef zeigt Franz Solar Härte und Zynismus, als Techniker gutmütige Ungerührtheit. Ein packender, intelligenter Abend der aufzeigt, was während des Lockdowns so schmerzlich vermisst wurde.
Zur gleichen Zeit fand in Haus Eins die Premiere von "Ois offn!" statt. In einem zwischen Bunker und Bar angesiedelten Raum war eine zusammen gewürfelte Gruppe Menschen eingesperrt. Sie wirken ein wenig verloren, gestrandet, auf der Durchreise. Eine Braut unter einer Trockenhaube hat etwas Komisch-Verzweifeltes, eine sanfte Melancholie durchzieht die einzelnen Szenen. Ohne Worte, nur über Geräusche, Töne und Musik kamen nach und nach Wünsche und Vorstellungen ans Licht. Keine große Dramatik, aber viele feine Zwischentöne zeichnen diese Aufführung aus.
(S E R V I C E - "Flüstern in stehenden Zügen" von Clemens Setz im Grazer Schauspielhaus, Haus Zwei. Regie: Anja Michaela Wohlfahrt, Bühne: Teresa Joham. Mit: Raphael Muff, Evamaria Salcher, Franz Solar. Live-Musik: Grilli Polhammer. Keine weiteren Vorstellungen in dieser Saison. "Ois offn! von Sandy Lopicic und dem Ensemble. Regie: Sandy Lopicic, Bühne: Vibeke Andersen. Mit: Oliver Chomik, Beatrix Doderer, Beatrice Frey, Sarah Sophia Meyer, Clemens Maria Riegler, Susanne Konstanze Weber, Rudi Widerhofer. Weitere Vorstellungen: 22., 25. und 28. Mai . https://schauspielhaus-graz.buehnen-graz.com )
Zusammenfassung
- Das Grazer Schauspielhaus hat mit zwei Premieren am Mittwoch die Wiedereröffnung gefeiert: In Haus Zwei fand die - analoge - Uraufführung von "Flüstern in stehenden Zügen" von Clemens J. Setz statt.
- In Haus Eins gab sich eine Gruppe von Eingeschlossenen unter dem Titel "Ois offn!" durch Musik ihren Träumen und Wünschen hin.
- Setz stellte die Anrufe nebeneinander, sprachlich abgezirkelt und für sich allein stehend.