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Salzburg Stiftung Mozarteum stellt sich der NS-Vergangenheit

Die Internationale Stiftung Mozarteum hat sechs Jahre lang ihre Rolle im Nationalsozialismus untersucht und am Donnerstag in Salzburg die bisherigen Forschungsergebnisse in einem Sammelband präsentiert. Die Arbeiten sind damit aber noch nicht abgeschlossen: Die Herkunft vieler Objekte im Besitz der Stiftung ist noch ungeklärt. Gleichzeitig orten die Stiftungsgremien Handlungsbedarf bei Ehrungen von Personen, die mit dem NS-Regime verstrickt oder im NS-Denken verhaftet waren.

Das neue Buch analysiert die Hintergründe des "überdurchschnittlich angepassten" Verhaltens führender Akteure und Mitarbeiter der Stiftung in den Jahren 1938 bis 1945, alle übrigens Männer, bezieht aber auch die Jahre davor und danach mit ein. Viele von ihnen profitierten nach 1945 vom allgemeinen Trend der Verharmlosung und des Vergessen und schafften es durchaus mit Erfolg, die eigene Rolle im NS-Regime kleinzureden.

"Die Zeit des Nationalsozialismus erschien in der bisherigen historischen Darstellung als eine bloße Episode, welche an einer kontinuierlichen Geschichte der Stiftung und ihren Verdiensten für die Mozart-Pflege kaum etwas verändert habe", heißt es etwa im Vorwort. So wurde Mozart nach dem Krieg de facto vom "deutschen Genie" wieder zum Österreicher umgepolt. Der unter wissenschaftlicher Anleitung der Zeithistoriker Alexander Pinwinkler und Oliver Rathkolb entstandene Sammelband versucht hingegen zu zeigen, dass die Politisierung der Führungsfiguren und deren Verflechtung mit staatlichen Institutionen und Machtträgern gerade im Dritten Reich stärker waren, als diese zuvor und wohl auch danach jemals waren.

Dabei geraten verschiedene Einrichtungen der Stiftung ebenso in den Blick, wie das damalige "Vorzeigeprojekt" einer von Adolf Hitler geförderten geplanten Gesamtausgabe der Werke Wolfgang Amadeus Mozarts. Insgesamt habe die "Stiftung Mozarteum" im Dritten Reich an Bedeutung gewonnen, befinden die Autoren - was wesentlich mit einer politischen Propagierung Mozarts und seiner Musik als vorgeblich genuin "deutsch" und "arisch" einherging.

Deutlich wird das etwa an der Person Albert Reitter, Landesstatthalter von Salzburg, der nach dem Anschluss als Präsident der Stiftung eingesetzt wurde, und der ihr eine besondere Rolle in der NS-Kulturpolitik zuwies, die weit über Salzburg hinausging. Das Adjektiv "Internationale" wurde aus dem Namen gestrichen, der "Arierparagraf" in die Satzungen aufgenommen und die Stiftung nach dem Führerprinzip autoritär organisiert. "Die Stiftung versuchte kulturpolitisch von den neuen Verhältnissen zu profitieren", sagte Co-Herausgeber Pinwinkler heute.

In der NS-Zeit habe es zudem intensive Bemühungen gegeben, Mozart-Memorabilien für die Stiftung zu requirieren und die Sammlung - auch mit Zwang - auszubauen. "Ziel waren jüdische Sammler oder Antiquare, denen das Recht abgesprochen wurde, wertvolle Objekte wie Mozart-Autografen zu besitzen", erklärte Armin Brinzing, der Leiter der hauseigenen Bibliotheca Mozartiana. "Die Frage war, welche Objekte während der Jahre 1938 bis 1945 in den Besitz der Stiftung kamen, woher sie konkret stammten und ob Vorbesitzer Repressionen des NS-Staats ausgesetzt waren." Dabei hätten die Recherchen bisher noch keinen Fall von Raubkunst zutage gefördert. Die Herkunft der Objekte sei aber noch genauer zu erforschen - auch weil es oft kaum befriedigende Informationen zu den Vorbesitzern gebe.

Die Untersuchungen zur Provenienzforschung seien aber noch nicht abgeschlossen. Restitutionsbedarf hätten die Untersuchungen der vergangenen Jahre allerdings bei etlichen Objekten gezeigt, die etwa aus der Klosterbibliothek des Salzburger Stiftes Sankt Peter stammten, aber nie zurückgegeben worden sind - ein Schritt, der nun in den kommenden Wochen offiziell erfolgen soll.

"Hier wurden mit den hauptbetroffenen Institutionen Lösungen gefunden", sagte Erich Marx, Mitglied des Kuratoriums der Stiftung heute. Handlungsbedarf gebe es zudem bei Ehrungen von Personen, die während der NS-Zeit wichtige Positionen innehatten. Die Stiftung werde darum einen Katalog an Kriterien erarbeiten, der Maßstab für die Aberkennung von Auszeichnungen und Ehrungen sein soll. Dieser Katalog soll in seiner Wirkkraft aber nicht nur auf die Jahre 1938 bis 1945 beschränkt bleiben, sondern generell autoritäre Haltungen einzelner Akteure durchleuchten - etwa in der Zeit des Austrofaschismus. "Dieser Prozess wird jedoch noch dauern", betonte Marx.

(S E R V I C E: "Die Internationale Stiftung Mozarteum und der Nationalsozialismus. Politische Einflüsse auf Organisation, Mozart-Forschung, Museen und Bibliothek". Herausgegeben von Alexander Pinwinkler und Oiver Rathkolb im Auftrag der Internationalen Stiftung Mozarteum, Neuerscheinung im Salzburger Anton Pustet Verlag, 456 Seiten, ISBN 978-3-7025-1022-0; Kosten: 49 Euro)

ribbon Zusammenfassung
  • Die Internationale Stiftung Mozarteum hat sechs Jahre lang ihre Rolle im Nationalsozialismus untersucht und am Donnerstag in Salzburg die bisherigen Forschungsergebnisse in einem Sammelband präsentiert.
  • Die Arbeiten sind damit aber noch nicht abgeschlossen: Die Herkunft vieler Objekte im Besitz der Stiftung ist noch ungeklärt.
  • "Die Stiftung versuchte kulturpolitisch von den neuen Verhältnissen zu profitieren", sagte Co-Herausgeber Pinwinkler heute.