"Robin Hood" erobert Musiktheater Linz im Sturm
Die Geschichte aus dem 12. Jahrhundert wird erstaunlich vielschichtig erzählt, nicht nur Reich gegen Arm, König gegen Volk steht im Mittelpunkt, auch die Männerbeziehung zwischen Robin und Guy, die Ambivalenz zwischen Freundschaft und Rivalität bekommt Raum, ebenso die ungewöhnliche Liebesgeschichte zwischen Marian und Robin, die sich als Fremde und Eheleute gegenüberstehen und die politische Ebene: So soll Robin Hood auch an der Magna Charta mitgewirkt haben. Nicht ausgespart werden die Gräuel des Krieges, die Robin traumatisiert heimkehren lassen, und die geduldeten Vergewaltigungen nicht nur der Dienstbotinnen an den Adelshäusern.
Die Legende des Robin Hood ist hinlänglich bekannt, Robin von Loxley zieht noch in seiner Hochzeitsnacht in den Krieg, kehrt Jahre später zurück, findet seinen Vater tot und seinen Jugendfreund Guy von Gisbourne als Kastellan vor. Seine Frau Marian ist ihm fremd wie auch das Leben daheim. Als König Richard stirbt, kommt dessen dekadenter Bruder John auf den Thron und traktiert das Volk - Robin legt sich mit ihm an und wird zum Geächteten.
Philipp Büttner spielt als Robin alle Facetten der ihm gegebenen Rolle aus, vom aufbegehrenden Sohn, traumatisierten Kriegsheld bis hin zum leidenschaftlichen Anführer, der Sinn in seinem Tun sieht, und in Liebe entflammten Ehemann. Stark singt er in den Duetten mit Guy - "Der Weg, der mir gebührt" -, berührend in jenen mit der bezaubernden Marian - "Ich weiß nicht, wer du bist", "Endlich frei sein". Tamara Pascual stieß in der weiblichen Hauptrolle in Linz neu zur bereits eingespielten Truppe, sie überzeugt sowohl stimmlich als auch schauspielerisch und gibt eine unschuldige wie unbeugsame, selbstbewusste Lady Marian. Thomas Hohler lässt den Guy - starkes Solo "Ich oder du" - erst noch unbedarft, dann immer machtversessener werden, zunehmend in Rivalität zu Robin entbrannt. Simon Staiger macht sich großartig als Bruder Tuck, der nicht nur einmal Leichtigkeit und Spaß in das Stück bringt. Philipp Hägeli ist ein überheblicher, grausamer King John, Kira Primke eine unnahbare Äbtissin von Kirklees, die ihr eigenes Spiel treibt und sich erst am Schluss offenbart.
Thorsten Tinney schlüpft nach dem Tod des standesbewussten Earl von Loxely versiert in das Gewand des John Little, Dennis Henschel ist ein aufrührerischer, empörter geächteter Will Scarlett, Konstantin Zander vollzieht als Sheriff von Nottingham einen glaubhaften Wandel und fügt sich nach seinem Bühnentod ins großartige Ensemble. Die zwölfköpfige Gruppe hat einige der mitreißendsten Szenen in dem von Matthias Davids grandios inszenierten Musical. Lieder mit Ohrwurm-Qualität wie "Wir hab'n die Kohle", "Komm, wir lassen Fünfe grade sein", "Für Gott und den König" und das überragende "Freiheit für Nottingham" nach de Burghs "Don't Pay the Ferryman" bleiben im Gehör und nicht selten summt ein Premierengast beim Verlassen des Saals eine der Melodien.
Das stimmige, unterhaltsame Musical hat alles, was es zu einem Erfolg braucht: eine gut erzählte Geschichte, eine rasante Inszenierung, die sich nach der Pause noch steigert; eine optisch mehr als ansprechende Choreographie (Kim Duddy), die sowohl in einfühlsamen Szenen zwischen Robin und Marian als auch in Ensemble-Auftritten mit Pfeil und Bogen und Kapuzengewändern besticht - eine der stärksten Szenen: die Befreiung Robins aus dem Tribunal; ein intelligentes Bühnenbild (Hans Kudlich), das sich einfach wandeln lässt und vom Sherwood Forest zum Familiensitz Huntington, zum Königspalast in London, zum Kriegsschauplatz in Palästina und zum Kloster wird. Besonders die schiefe Ebene und Projektionen werden gekonnt eingesetzt. Die Kostüme (Conny Lüders) sind passend und zeitgemäß gewählt, mit viel Glitzer für den Adel, und unterstreichen die Geschichte wie Marians Rock, der vom unschuldigen Babyblau zum starken Pink und schließlich Schwarz wechselt oder unterwandern die Autorität Johns, wenn seine Alice in einer Kapuze der Geächteten - "der letzte Schrei aus London" - auftritt.
Seit der Uraufführung am 4. Juni 2022 in Fulda war das Musical, zu dem Chris de Burgh eigene Lieder schrieb, bereits in Deutschland und der Schweiz zu sehen. Dadurch hätten sich etliche Dinge im Laufe der Vorstellungen verändert. "Das ist das Tolle an einer Produktion über so lange Zeit, man kann die Reaktionen des Publikums verwerten, schauen, wie die Spannung noch größer wird", hatte Davids bei der Vorstellung im Winter in Linz geschwärmt - und dies sehr gelungen umgesetzt.
(Von Ulrike Innthaler/APA)
(S E R V I C E - "Robin Hood" von Chris de Burgh und Dennis Martin. Regie: Matthias Davids, Choreografie: Kim Duddy, Bühne: Hans Kudlich, Kostüme: Conny Lüders. Mit u.a. Philipp Büttner (Robin von Loxley), Tamara Pascual (Marian), Thomas Hohler (Guy von Gisbourne), Philipp Hägeli (King John), Thorsten Tinney (William von Loxely/John Little), Kira Primke (Äbtistin von Kirklees), Konstantin Zander (Sheriff von Nottingham). Gastspiel am Musiktheater Linz. Weitere Vorstellungen: 11. bis 14. Juli, 16. bis 21. Juli, 23. bis 28. Juli jeweils 19.30 Uhr, Sa, So auch 15.00 Uhr, http://www.landestheater-linz.at)
Zusammenfassung
- Das Musical 'Robin Hood' von Chris de Burgh und Dennis Martin feierte am Mittwoch eine erfolgreiche Premiere im Musiktheater Linz.
- Philipp Büttner und Tamara Pascual überzeugten in den Hauptrollen als Robin von Loxley und Marian.
- Die Inszenierung von Matthias Davids beeindruckte durch eine gelungene Choreographie, ein intelligentes Bühnenbild und passende Kostüme.
- Besondere Erwähnung fanden die Lieder mit Ohrwurm-Qualität, wie 'Freiheit für Nottingham'.
- Das Musical wird im Juli mehrfach im Musiktheater Linz aufgeführt.