ESC-Chaos: Niederlande vom Finale ausgeschlossen
Lange blieb die EBU wegen einer Entscheidung rund um die Teilnahme der Niederlande auf Tauchstation und befeuerte damit die Spekulationen. Nun äußerte sie sich aber - und teilte den Ausschluss mit.
"Die schwedische Polizei hat die Anzeige eines weiblichen Mitglieds des Produktionsteams nach einem Zwischenfall nach seinem Auftritt im Halbfinale am Donnerstagabend untersucht", hieß es in einer Stellungnahme gegen Samstagmittag. "Während das Verfahren seinen Lauf nimmt, wäre es für ihn nicht angebracht, weiter am Wettbewerb teilzunehmen", so die EBU.
"Null-Toleranz-Politik"
Die EBU betonte eine "Null-Toleranz-Politik" gegenüber "unangebrachtem Verhalten auf unserem Event". Sie würde sich für sichere Arbeitsbedingungen ihrer Mitarbeiter:innen einsetzen. In diesem Kontext werde "das Verhalten von Joost Klein gegenüber einem Teammitglied als Verstoß gegen die Wettbewerbsregeln gewertet".
Damit treten nur noch 25 statt 26 Ländern beim ESC in Malmö (21.00 Uhr / live auf ORF 1 und JOYN) an. In den Niederlanden ist die Empörung entsprechend groß. "Wir haben die Disqualifikation durch die EBU zur Kenntnis genommen. AVROTROS hält die Disqualifikation für unverhältnismäßig und ist schockiert über die Entscheidung. Wir bedauern dies zutiefst und werden später darauf zurückkommen", teilte der niederländische Rundfunk AVROTROS mit.
Auch der niederländische TV-Moderator Cornald Maas sprach in mehreren Postings auf X (vormals Twitter) von einer beschämenden Entscheidung der EBU. Der Vorfall Joost habe zudem "überhaupt nichts mit Israel oder der israelischen Delegation zu tun". Die Disqualifizierung sei die "Hölle" für Joost Klein und sein Team.
https://twitter.com/cornaldm/status/1789240040872161742
Auch NPO, der öffentlich-rechtliche Rundfunk der Niederlande, bedauerte laut dpa die Disqualifizierung am Samstag: "NPO hält dies für eine sehr drastische Entscheidung."
Für die Millionen von Song-Contest-Fans in den Niederlanden und in anderen Ländern Europas sei dies eine Enttäuschung. Man werde den Verlauf der Ereignisse nach dem Wettbewerb mit allen Beteiligten eingehend bewerten.
Rauswurf von Publikumsliebling
Die EBU hatte am Freitagnachmittag zunächst mitgeteilt, dass der niederländische Kandidat Joost Klein wegen eines nicht näher klassifizierten "Vorfalls" vorerst von allen weiteren Proben ausgeschlossen wird. Während des gestrigen Juryfinales in der Malmö Arena wurde denn auch nur die Aufzeichnung seines Halbfinalauftrittes projiziert.
Diese Projektion wurde vom Publikum in der Halle demonstrativ gefeiert und beklatscht, während der verantwortliche EBU-Supervisor Martin Österdahl - ansonsten ein Liebling in der ESC-Blase, der mit seinem Kultspruch "You're good to go" die Bekanntgabe der Abstimmungsergebnisse einläutet - ausgebuht wurde.
Video: Politische Anspannung beim ESC
Schließlich war Joost Klein mit seiner Nummer "Europapa" einer der Publikumslieblinge der heurigen Ausgabe und galt als Fixanwärter auf eine gute Platzierung.
Kein Zusammenhang mit Israel
Die EBU stellte in ihrem Statement fest, dass der "Vorfall" nicht im Zusammenhang mit der israelischen Delegation steht.
Die Stimmung rund um das Finale des 68. Eurovision Song Contest in Malmö bleibt wegen der Teilnahme Israels europaweit angespannt. Damit kämpft man mit gleich zwei Debattenfronten rund um das sich eigentlich dezidiert als unpolitisch verstehende Event.
-
Mehr lesen: Österreich steht im ESC-Finale
Show-Boykott wegen Israel gefordert
In Finnland haben wenige Stunden vor dem Finale propalästinensische Demonstranten im Eingangsbereich des TV-Senders Yle einen Boykott der Show gefordert.
Etwa 40 Menschen hielten sich mit Protestplakaten und palästinensischen Fahnen in der Lobby auf, wie Yle berichtete. Der Demonstrant Wilhelm Blomberg sagte der Zeitung "Hufvudstadsbladet", sie würden die Beschäftigten nicht an ihrer Arbeit hindern, aber wollten sie auf die Situation im Gazastreifen aufmerksam machen. Israel könne mit dem ESC sein Image verbessern, während der Krieg andauere, so Blomberg laut dpa.
Video live aus Malmö: Proteste überschatten den ESC
In der Innenstadt der Ausrichterstadt Malmö ist indes für den Nachmittag abermals eine Großdemonstration gegen Israel angesetzt, bei der erneut Tausende Menschen für einen Protestmarsch erwartet werden. Wie bereits am Donnerstag ist hierfür auch wieder "Friday for Future"-Ikone Greta Thunberg angekündigt.
"Antiisraelische Kundgebung?"
Vom journalistischen Aushängeschild der Schweiz, der "NZZ", kam indes eine virulente Anklage der Entwicklung des Eurovision Song Contests: "Jetzt ist er zur antiisraelischen Kundgebung geworden."
Und auch die Londoner "Times" wandte sich in einem Kommentar gegen das Vorgehen gegen die 20-jährige israelische Sängerin Eden Golan: "Diejenigen in der versammelten Menge, die einem lange geschürten Hass Luft machten, die sich an der Angst erfreuten, die sie in ihr auslösten, während sie sich in den Mantel der Selbstgerechtigkeit hüllten, sollten sich einfach nur schämen."
-
Mehr lesen: Alle Infos zum Song Contest 2024
Abseits der dezidierten Demonstrationen finden sich auch in der gesamten Innenstadt von Malmö Aufkleber und Plakate, die den "Genocide Contest" anprangern, weil Israel trotz des laufenden Gaza-Krieges nicht vom Bewerb disqualifiziert wurde.
Auch in der Malmö Arena wurde Eden Golan vor, nach, aber auch während ruhiger Stellen ihrer Ballade "Hurricane" immer wieder von nicht geringen Teilen des Publikums ausgebuht.
Ein versöhnliches Zeichen wollte die italienische Teilnehmerin Angelina Mango setzen. Im Pressebereich des Wettbewerbs stimmte sie die Friedenshymne "Imagine" von John Lennon an. "Ich will einfach nur, dass die Musik spricht. Das ist die stärkste Botschaft, die ich heute senden kann", sagte sie.
Zusammenfassung
- Die Niederlande mit Publikumsliebling Joost Klein fliegen aus dem Eurovision Song Contest.
- Die EBU blieb diesbezüglich lange auf Tauchstation und befeuerte damit die Spekulationen.
- Nun äußerte sie sich und teilte den Ausschluss mit.
- Auch die Proteste gegen die Teilnahme Israels gehen weiter. Das Chaos rund um den ESC in Malmö ist beinahe perfekt.