APA/APA/Kinostar

"Putin": Biopic über Weg vom Prügelknaben zum Tyrannen

Obwohl Russlands Präsident Wladimir Putin seit Jahren die Schlagzeilen dominiert, lag über ihn bisher erstaunlicherweise noch kein Biopic vor. Mit "Putin" füllt der polnische Regisseur Patryk Vega nun diese Lücke auf trashige und teils fragwürdige Weise - mit viel künstlicher Intelligenz, tiefen Griffen in die Russland-Klischeekiste sowie einem magischen Realismus, mit dem Vega den seit 25 Jahren regierenden Politiker verständlicher machen möchte. Ab Donnerstag im Kino.

Wir schreiben das Jahr 2026, und Wladimir Putin sitzt in seinen eigenen Exkrementen. Obwohl der russische Staatschef in dieser ersten Szene von "Putin" zum völligen Pflegefall avanciert ist, erstattet ein hochrangiger General dem gezeichneten Staatschef einen ausführlichen Bericht zur Weltlage. Der Offizier erzählt dabei das, was die russische Staatspropaganda jahrelang verkündete und der erniedrigend in Windelhose gezeigte Kreml-Chef auch sichtlich hören möchte: Mit Europa geht es steil bergab.

Der Präsident hört zunächst interessiert zu. Schließlich scheint er sein Bewusstsein zu verlieren und rekapituliert in einem Delirium sein Leben. Differenzierte Darstellungen und Grauschattierungen erweisen sich nicht als Stärke dieses Spielfilms. Trotz seiner trashigen Machart, ist dieses erste für einen internationalen Filmmarkt produzierte Werk Vegas jedoch als Phänomen des Zeitgeists durchaus relevant. Dies auch angesichts einer wachsenden Bedeutung von Polen und seiner politischen Kultur für Europa.

Dass Putin in "Putin" seinem Vorbild so ähnlich sieht, hat freilich nicht nur damit zu tun, dass der Regisseur mit seinem Landsmann Sławomir Sobala einen echten Putin-Laiendarsteller gecastet hat. Auf Sobalas Gesicht wurden in entscheidenden Szenen unter anderem mit Hilfe künstlicher Intelligenz die Gesichtszüge des russischen Staatschefs gelegt: Deepfakes sind nunmehr auch in Spielfilmproduktion mit vergleichsweise niedrigen Budgets angekommen - "Putin" soll nach offiziellen Angaben lediglich 15 Mio Dollar (14,4 Mio. Euro) gekostet haben.

Zeitgenössische Technologien kommen im Film aber sichtlich auch in zahlreichen weiteren Szenen zum Einsatz: Die abtrünnige Teilrepublik Tschetschenien, die von russischen Truppen zwischen 1995 und 2000 brutal niedergerungen wurde, erinnert im Film eher an Syrien. Dies lässt sich etwa damit erklären, dass hochauflösendes Bildmaterial von den seinerzeit zerstörten tschetschenischen Städten nur sporadisch verfügbar ist und Computermodelle lediglich mit Aufnahmen aktuellerer Kriege in anderen Weltgegenden trainiert werden konnten. Episoden im Film zum russischen Krieg gegen die Ukraine sind hingegen authentisch - hier dienten reale Aufnahmen als Vorlage.

Künstliche Intelligenz, deren Anwendung zumindest derzeit tendenziell zu stereotypen Darstellungen führt, färbte bei "Putin" ideologisch anscheinend aber auch auf das Drehbuch selbst ab. Denn Vega, der laut eigenen Angaben vom "Vizepräsidenten" eines NATO-Geheimdiensts und westlichen Generälen beraten wurde, lässt kaum ein Sowjetunion- und Russland-Klischee aus: Die Barbarei in diesem Land, so suggeriert der Film, hat Putin zu einem Tyrannen gemacht.

Der Film greift dabei auch eine spekulative Variante seiner Biografie auf, wonach Putin nicht das biologische Kind seiner offiziellen Eltern gewesen wäre und erst relativ spät zu Adoptiveltern nach Leningrad übersiedelte. In einer ebenso spekulativen Szene, in der Anfang der 60er illegal Wodka an Schulkinder verkauft wird, wird der kleine Wladimir zunächst als Newcomer und Schwächling verprügelt. "Es ist besser, aufrecht zu enden, als auf Knien zu leben", liefert ein kindlicher Bandenführer dem künftigen Präsidenten ein Lebensmotto.

Vega sprengt in "Putin" mit einem magischen Realismus gleichzeitig aber auch die Genregrenzen eines Biopics: Ein in den 60ern getöteter Knabe sowie eine in den 80ern getötete junge Frau inspirieren als Dämonen aus der Vergangenheit den russischen Präsidenten wiederholt zu Schandtaten. Putin avanciert aber auch selbst vor allem seit seiner Machtübernahme 1999 zum gelehrigen Schüler des Bösen. Trotz und nach allem gibt der bekennende Katholik Vega seinem Protagonisten gegen Ende des Filmes noch eine letzte Chance auf Bekehrung zum Christentum, Besinnung zum Guten und somit Verhinderung eines Atomkriegs. Wie sich die Filmfigur entscheidet, bleibt offen.

(Von Herwig G. Höller/APA)

(S E R V I C E - www.kinostar.com/filmverleih/putin)

ribbon Zusammenfassung
  • Der Film 'Putin', inszeniert von Patryk Vega, ist das erste Biopic über den russischen Präsidenten und kostet offiziell 15 Millionen Dollar.
  • Durch den Einsatz von künstlicher Intelligenz und Deepfake-Technologie werden Putins Gesichtszüge im Film realistisch dargestellt.
  • Der Film thematisiert Putins spekulative Biografie und kombiniert magischen Realismus mit politischen und historischen Ereignissen.