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Peter Simonischek: "Noch einmal einen alten Mann spielen"

Peter Simonischek spielt im deutschen Film "Der vermessene Mensch" Professor von Waldstätten, einen Ethnologen an der Friedrich-Wilhelms-Universität in Berlin am Ende des 19. Jahrhunderts. Regisseur Lars Kraume hatte für die Rolle bei Simonischek angefragt, obwohl man ihm gesagt hatte, der Burgtheaterschauspieler stehe nur mehr fürs Theater zur Verfügung. Doch nach nur einer Woche sagte Simonischek zu. Die APA traf die beiden zum Gespräch.

APA: Wieso hat Sie "Der vermessene Mensch" überzeugt?

Peter Simonischek: Weil ich im Film dankbar bin für relevante Plots, also politisch engagierte Filme. Aber etwas Belangloses zu machen, auch wenn es ganz schöne Rollen sind, da ist es schade um die Zeit, wenn man so alt ist wie ich. Ich würde so wahnsinnig gerne noch einmal einen richtig schönen alten Mann spielen. Es gibt so tolle Rollen. Den Film "Der Vater" mit Anthony Hopkins habe ich vor fünf sechs Jahren als Theaterstück am Tisch gehabt. Und stell dir vor: Ich habe nicht erkannt, was da drinnen steckt. Für das geniere ich mich heute noch.

APA: Welcher Typ Mensch ist dieser Professor von Waldstätten?

Simonischek: Es ist leider ein Original, Felix von Luschan, der ausgerechnet aus Graz kommt, wo ich auch herkomme. Hier hat er den Part des konservativen Opportunisten. Der echte Luschan hat sozusagen diesen politischen Auftrag wider besseres Wissen erfüllt. Denn der hat in seinen Schriften sehr wohl diese Theorie nicht in Zweifel gezogen, sondern eigentlich widerlegt.

Lars Kraume: Deshalb heißt er im Film auch nicht von Luschan. Auch er war ein großer Imperialist und Schädelsammler, aber er war eben kein Rassist. Aber er ist eine ähnliche Figur und hat auch eine ähnliche Position gehabt.

APA: Man hört Ihren österreichischen Akzent. Warum haben Sie die Figur nicht preußisch angelegt?

Simonischek: Ich habe mir da keine Mühe gemacht, meine Austriazismen zu verbergen. Und ein preußischer Professor, ich weiß nicht, ob das etwas gebracht hätte.

Kraume: Diese Lässigkeit ist es auch, die es so böse macht und so einlullend.

Simonischek: Die Banalität des Bösen, Eichmann war ja auch Österreicher, leider.

APA: Sind Sie im Verlauf des Films zur Überlegung gekommen: Gott sei Dank hat Österreich keine Kolonien gehabt?

Simonischek: Es war ein Weltreich, es hatte die k. und k.-Monarchie, die war ja auch in gewisser Weise ein Imperium mit Dominions.

APA: Wie war das Zusammenspiel mit den afrikanischen Darstellern und Darstellerinnen?

Simonischek: Ich hatte nur Szenen mit Girley Charlene Jazama. Und da habe ich einfach als Kollege gestaunt, wie locker ihre Emotionen sitzen, wie klug sie das einsetzt und was für eine wunderbare Schauspielerin sie ist. Ihre Ururgroßmutter war in einem dieser Lager.

Kraume: Ihre Ururgroßmutter wurde in einem Lager in Windhook vergewaltigt. Irgendwann hat sie ihre Tante befragt, und die hat ihr das alles erzählt, weil das auch in der Familie tabuisiert wurde. Eigentlich ist ihr dadurch erst klar geworden, dass sie ein Nebenprodukt der Massenvergewaltigungen durch die Deutschen an den Herero-Frauen ist.

APA: Ist es Zufall oder war es beabsichtigt, dass "Der vermessene Mensch" gerade in einer Zeit der Aufarbeitung des Kolonialunrechts und der Rückgabediskussionen über Raubkunst herauskommt?

Kraume: Ich bin auch nur beeinflusst durch die Dinge, die uns gerade beschäftigen. Ihr habt heute in Wien eines der fortschrittlichsten Museen, das Weltmuseum, wo angefangen wurde, die Sammlungen in einer ganz anderen Art zu präsentieren. Diese Dinge beschäftigen uns ja alle, aber im Filmbereich hat es niemand aufgenommen.

APA: Wie lange haben Sie an dem ganzen Projekt gearbeitet, vom Drehbuch bis zum fertigen Film?

Kraume: Drei bis vier Jahre. Es gibt auch Leute, die sehr kommerziell aufs Filmemachen gucken und sofort sagen: Noch ein Genozid, wer will denn das sehen? Und der Zynismus, der da drin steckt, ist natürlich schrecklich. Mir geht es ja so wie dem Peter auch: Wenn ich vier Jahre an einem Film arbeite, und der ist eigentlich bedeutungslos, und der ist nur zur Unterhaltung da, dann ist mir das einfach zu viel Arbeit.

APA: Wie haben sich die Dreharbeiten in Afrika gestaltet?

Simonischek: Da gibt es gewaltige Unterschiede: Mit dem Zylinder, dem Pelzmantel und dem Spazierstock durch die Gegend spazieren, ist etwas anderes als tagelang die Strapazen in der Wüste mitzumachen. Das sind zwar nicht eins zu eins jene, die die Menschen damals aushalten mussten, aber das ist für Schauspieler eine Riesenherausforderung.

K: Es gibt diese äußeren Probleme: Wüsten, Hitze, Kälte, Sandsturm, Giftschlangen, Buschbrände und so weiter, das hat man alles. Aber im Verhältnis zu den emotionalen Strapazen, gering. Aus dem Inhalt dieses Stoffes kommt eben raus: Wie inszenierst du, wie spielst du, wenn Weiße wieder Gewalt ausüben gegen Schwarze? Das ist auch Teil des Prozesses: Du musst ja die ganze Zeit auch für dich klar machen, dass wir das zusammen nur spielen, dass das ein künstlicher Prozess ist, dass wir das nochmals herstellen. Aber das reißt natürlich Pflaster von fauligen Wunden sozusagen. Das ist dann trotzdem so, dass man im Spiel, selbst wenn eine Kamera läuft, Dinge wieder zum Leben erweckt, die irgendwie verdrängt wurden. Das macht es so anstrengend. Wir hatten auch eine psychologische Betreuung am Set.

(Das Gespräch führte Stefan May/APA)

ribbon Zusammenfassung
  • Peter Simonischek spielt im deutschen Film "Der vermessene Mensch" Professor von Waldstätten, einen Ethnologen an der Friedrich-Wilhelms-Universität in Berlin am Ende des 19. Jahrhunderts.
  • Regisseur Lars Kraume hatte für die Rolle bei Simonischek angefragt, obwohl man ihm gesagt hatte, der Burgtheaterschauspieler stehe nur mehr fürs Theater zur Verfügung.
  • Die APA traf die beiden zum Gespräch.