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"Pandoras Vermächtnis": Surreal-greifbares Familienuniversum

Gustav Wilhelm Pabst ist einer der großen Namen des heimischen Filmschaffens: Der Starregisseur feierte in den letzten Jahren des Stummfilms seinen Durchbruch, wagte den Sprung nach Hollywood, um letztlich dann doch wieder in Europa zu landen und hier auch den Zweiten Weltkrieg zu überstehen. In "Pandoras Vermächtnis" macht sich Dokumentarfilmerin Angela Christlieb auf seine Spuren und rückt dabei die Familie, allen voran Ehefrau Trude, in den Vordergrund. Ab Freitag im Kino.

Wenn Christlieb ihrer aus vielerlei Gründen sehr persönlichen Recherche die Beschreibung "Eine wundersame Reise in das Universum der Familie Pabst" voranstellt, so sind die folgenden 90 Minuten genau das: einerseits ein Eintauchen in die für damalige Verhältnisse oft sehr fantastische Filmwelt G.W. Pabsts, der in seinen realistischen Settings mysteriöse, ungemein modern wirkende Frauenfiguren ins Zentrum setzte; andererseits ein Aufarbeiten von persönlichen Schicksalen, die diese "ferne, graue Eminenz", die Pabst offensichtlich war, über Jahrzehnte beeinflusste.

Diese Beschreibung des Großvaters stammt von Enkel Ben, der mittlerweile in seinen 70ern ist und als Paläontologe arbeitet. Er ist einer von drei Köpfen, um die sich die Geschichte im Hier und Jetzt entspinnt: Auch die Geschwister Daniel und Marion, Kinder von Pabsts zweitem Sohn Michael, schildern ihre Erinnerungen. Und dann ist da natürlich Trude: Die Ehefrau des Filmemachers war zwar selbst Schauspielerin, durfte in seinen Werken aber nur einmal eine kleine Nebenrolle ausfüllen. Einen wirklichen Platz im Rampenlicht gönnte er ihr allerdings nicht. "Er hat einen hohen Besitzanspruch gehabt", formulierte es Marion.

Ihre Tausenden Seiten an Briefen sind es, die den Kern der Erzählung ausmachen und ein Bild von der Beziehung dieser zwei Menschen vermitteln, das von tiefer Sehnsucht und Liebe gekennzeichnet ist, und dem in seinem jüngsten Roman "Lichtspiel" auch Daniel Kehlmann ein literarisches Denkmal setzte. Pabst machte sich einen Namen mit Werken wie "Die freudlose Gasse", "Die Büchse der Pandora" oder "Westfront 1918", er drehte mit Stars wie Greta Garbo oder Asta Nielsen. Der Erfolg jenseits des Atlantiks blieb ihm allerdings verwehrt, nach einigen Jahren in den USA ging es für die Familie wieder zurück nach Europa.

Während sich Trude Pabst mit der Zeit zusehends für eine spirituelle Welt interessierte, blieb der Vater für seine zwei Söhne distanzierte Respektsperson. "Disziplin und Gehorsam waren für ihn wichtige Themen", so Daniel, der rückblickend das Verhältnis seines Vaters zum Großvater aufarbeitet. Wie der Großvater indirekt auf das eigene Leben gewirkt hat, ist nur eine der vielen Fragen, denen sich die drei Enkel stellen und dabei erkennen, dass auch gerade das Verhältnis zur Großmutter recht unterschiedlich wahrgenommen wurde.

Christlieb versteht es mit ihrer kunstvollen Montage, immer wieder Parallelen zwischen der filmischen Sprache Pabsts und dem Erzählten zu finden, wenn Dinosaurierknochen mit Gebeinen im Wüstensand oder paarungswillige Insekten mit aufreizenden Körpern gegengeschnitten werden. Ansonsten überlässt sie das Feld aber in erster Linie ihren Protagonisten und den von Maresi Riegner (als Trude) sowie Ernst A. Grandits (als G.W.) gelesenen Briefen. Auf diese Weise kommentieren sich die Generationen quasi gegenseitig. Surreal und doch ganz aus dem Leben gegriffen.

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  • Gustav Wilhelm Pabst ist einer der großen Namen des heimischen Filmschaffens: Der Starregisseur feierte in den letzten Jahren des Stummfilms seinen Durchbruch, wagte den Sprung nach Hollywood, um letztlich dann doch wieder in Europa zu landen und hier auch den Zweiten Weltkrieg zu überstehen. In "Pandoras Vermächtnis" macht sich Dokumentarfilmerin Angela Christlieb auf seine Spuren und rückt dabei die Familie, allen voran Ehefrau Trude, in den Vordergrund. Ab Freitag im Kino.