Nordeuropäer meißelten in Kupferzeit mit Metall aus Tirol
"Der wichtigste Werkstoff zu dieser Zeit waren noch Steine wie Flint (Anm.: Feuerstein), doch es tauchten schon die ersten Kupferobjekte im nördlichen Zentraleuropa und Südskandinavien auf, obwohl Anzeichen von Kupferabbau in diesen Gebieten zu jener Zeit fehlen", erklärten die Forscher um Jan Piet Brozio vom Institut für Ur- und Frühgeschichte der Universität zu Kiel in einer Aussendung. Das Rohmaterial musste demnach von anderswo stammen.
In der Studie untersuchten die Forscherinnen und Forscher 45 Kupferobjekte, die bis 6.100 Jahre alt und an verschiedenen Orten im nördlichen Zentraleuropa und Südskandinavien gefunden wurden (26 aus dem heutigen Deutschland, zwölf aus Dänemark und sieben aus Schweden). Es handelt sich dabei um 40 Äxte unterschiedlichster Form, einen Meißel und vier Spiralarmreife. Sie verglichen die chemische Zusammensetzung der Verunreinigungen mit Nickel, Antimon, Arsen, Silber und Zinn sowie bei Blei die "Isotopenverhältnisse" (das Verhältnis von Bleiatomen mit unterschiedlicher Masse) mit jenen der Mineralien in Kupfererzlagerstätten in ganz Europa und dem Nahen bis Mittleren Osten.
Die Daten verrieten, dass für die ältesten Objekte (6.100 bis 5.500) ausschließlich südosteuropäisches Erz verwendet wurde. "Insbesondere die serbischen Bergbaugebiete kommen hier in Betracht", so die Forscher. Zusätzliche Quellen für 5.500 bis 3.700 Jahre alte Kupfergegenstände sind das slowakische Erzgebirge und die Ostalpen. Das Bergwerk "Great Orme" in Wales war vermutlich auch Rohstofflieferant bei Objekten, die jünger als 4.000 Jahre sind.
Das Erz für acht verschiedene Kupferwerkzeuge mit Fundorten in Deutschland und Dänemark stammte höchstwahrscheinlich aus dem heutigen Österreich: Zwei 5.500 bis 4.800 Jahre alte Äxte aus Brandenburg und Nordrhein-Westfalen in Deutschland wurden wohl aus Kupfer aus dem Inntal geschmiedet. Vier 4.200 bis 3.700 Jahre alte Äxte aus Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Brandenburg und Sachsen-Anhalt in Deutschland sowie ein Meißel aus Mitteljütland (Midtjylland) in Dänemark sind ebenfalls aus Tiroler Kupfererz hergestellt.
Eine weitere Axt aus Sachsen-Anhalt in derselben Altersklasse besteht wohl aus Montafoner (Vorarlberg) Metall. Die fertigen Gegenstände fanden demnach in 500 (Brandenburger Axt) bis 1.000 Kilometer (Meißel aus Mitteljütland) Luftlinie Entfernung von den ostösterreichischen Erzstätten Gebrauch.
Auch der Südtiroler "Ötzi" hatte vor 5.300 Jahren übrigens eine Kupferaxt bei sich, die nicht aus lokalem Material geschmiedet worden war, denn es stammte nicht aus seiner Heimat in den Alpen, sondern von der 400 Kilometer entfernten südlichen Toskana. Es gab also in der ausgehenden Steinzeit bereits "Verteilungsnetzwerke", die sich über ganz Europa erstreckten, so die Forscher. Sie waren von den sozialen und wirtschaftlichen Strukturen abhängig und änderten sich offensichtlich mit der Zeit.
(S E R V I C E - https://doi.org/10.1371/journal.pone.0283007)
Zusammenfassung
- Tiroler und Vorarlberger Erz wurde in der Kupferzeit zu Äxten und Meißeln verarbeitet, die bis Norddeutschland und Dänemark Verwendung fanden, berichtet ein internationales Forscherteam.
- Ein 3.850 Jahre alter Meißel, der in Mitteljütland ausgegraben wurde, ist beispielsweise aus Kupfervorkommen der Tiroler Alpen gefertigt, schrieben sie im Fachblatt "Plos One".
- "Insbesondere die serbischen Bergbaugebiete kommen hier in Betracht", so die Forscher.