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Neues "Glöckner"-Musical in Wien setzt auf Graustufen

Es ist ein solides Bauwerk, das die Vereinigten Bühnen Wien (VBW) mit dem "Glöckner von Notre Dame" errichtet haben. Das Disney-Musical mit Musik von Hollywoodkomponist Alan Menken feierte am Samstag seine Österreichpremiere im Ronacher. Die Adaption des gleichnamigen Animationsfilms, der seinerseits auf Victor Hugos Romanklassiker aus 1831 basierte, ist keine himmelstrebende Musikkathedrale, aber ein fest gefügtes, stabiles Werk. Ein Abend, der Graustufen zulässt.

So hält sich die 1999 uraufgeführte Musicalvariante näher am Roman als der Film, traut sich eher, Victor Hugos Ambivalenzen zu zeigen, negiert etwa am Ende die Tode der Protagonisten nicht. Am augenscheinlichsten ist diese Figurenzeichnung abseits gängiger Schwarz-weiß-Schemata am Antagonisten, Erzdiakon Frollo, zu beobachten. Diesen interpretiert Andreas Lichtenberger als gläubigen Menschen mit guten Absichten, der jedoch mit seinen eigenen Dämonen zu kämpfen hat.

Auch der missgestaltete Quasimodo wird als in der Isolation traumatisierte Figur gezeichnet, eine gute Seele, die in der Gestalt von David Jakobs jedoch nicht glattgebügelt wirkt, sondern ihre Verwundung offenbart. Einzig die Rolle der Esmeralda, schnörkellos von Abla Alaoui gesungen, ist im Reigen der vielleicht eindimensionalste Charakter.

Die düsteren Facetten des Stücks inszeniert US-Regisseur Scott Schwartz im fixen Bühnenbild des Notre-Dame-Turmes, der mit kleinen Kniffen in andere Räumlichkeiten verwandelt wird. Und doch ist "Der Glöckner von Notre Dame" anders als etwa das derzeit in der zweiten VBW-Spielstätte laufende "Rebecca" kein Feuerwerk an Bühneneinfällen, sondern konzentriert sich eher auf die Protagonisten. Die düstere Grundstimmung konterkariert Schwarz dabei immer wieder mit Humor und Einfällen wie erstarrten Tüchern während eines Tanzes in Zeitlupe oder einem scheinbar kopflos singenden Heiligen.

Etwas weniger Kanten hat da die Musik des achtfachen Oscarpreisträgers Menken ("Sister Act"), die zwischen langen Rezitativen, Solonummern im gängigen Genrestil und wuchtigen Chornummern changiert. Über weite Strecken fungiert die Musik dabei eher als Soundtrack, denn als durchkomponierte Partitur.

So kommt hier das klassische Michael-Kunze-Musicaldeutsch vollends zur Geltung, zeichnet der "Elisabeth"-Librettist und im deutschsprachigen Musicalbetrieb omnipräsente Texter doch für die deutsche Übersetzung verantwortlich. Hürden bauten hierbei allein wiederholte Tonprobleme während der Premiere auf. Dem auch ohne elektronische Verstärkung lauten Jubel am Ende tat dies indes keinen Abbruch.

(S E R V I C E - "Der Glöckner von Notre Dame" im Ronacher, Seilerstätte 9, 1010 Wien. Musik: Alan Menken, Liedtexte: Stephen Schwartz, deutsch von Michael Kunze, Buch: Peter Parnell, Regie: Scott Schwartz. Mit u.a. David Jakobs, Abla Alaoui, Andreas Lichtenberger, Dominik Hees und Mathias Schlung. Termine fixiert bis 31. März 2023. http://glöckner.musicalvienna.at)

ribbon Zusammenfassung
  • Es ist ein solides Bauwerk, das die Vereinigten Bühnen Wien (VBW) mit dem "Glöckner von Notre Dame" errichtet haben.
  • Das Disney-Musical mit Musik von Hollywoodkomponist Alan Menken feierte am Samstag seine Österreichpremiere im Ronacher.
  • Ein Abend, der Graustufen zulässt.
  • Die düsteren Facetten des Stücks inszeniert US-Regisseur Scott Schwartz im fixen Bühnenbild des Notre-Dame-Turmes, der mit kleinen Kniffen in andere Räumlichkeiten verwandelt wird.