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Musikerin Sophia Blenda: "Viele Einzelfälle sind ein Ganzes"

07. Apr. 2025 · Lesedauer 5 min

Auf "Die neue Heiterkeit" folgt "Die Summe der Vereinzelung": Culk-Sängerin Sophie Löw legt am Freitag als Sophia Blenda ihr zweites Soloalbum vor, auf dem sie sich erneut mit schweren Themen auseinandersetzt. Zu melancholischen Pianoklängen und getragenen Streicherarrangements singt sie von Ausgrenzung, Gewalterfahrungen, Ungerechtigkeiten. Und doch versteht es Blenda, ihre Stücke nicht in Verzweiflung enden zu lassen, sondern ihnen erhebende Momente zu verpassen.

APA: Musikalisch wie inhaltlich knüpft das neue Album an Ihr Debüt an. Es geht um strukturelle Diskriminierung, Patriarchat sowie Gewalt gegen Flinta* und queere Personen. Wie sind Sie die Platte angegangen?

Sophia Blenda: Noch bevor das Debüt draußen war, habe ich schon weitergeschrieben. Teilweise habe ich mich gefragt, ob es das braucht - einen zweiten Teil sozusagen. Aber ich sehe es eher als Kunstprojekt denn kommerzielles Album. Und ich sehe mich schon auch in der Verantwortung, den Dingen Raum zu geben, die man vielleicht im Alltag nicht so gerne hören will. Sie umgeben uns ja trotzdem. In der Kunst war es schon immer so, dass einfach eine Zeit und ein Zeitgeist abgebildet wurde.

APA: Wie frustrierend ist es für Sie, sich mit diesen Themen weiterhin auseinandersetzen zu müssen?

Blenda: Extrem. Ich war seit dem ersten Album ganz wenig auf Social Media. Ich habe immer auf eine Zeit gehofft oder gewartet, in der es sich nicht extrem falsch anfühlt, etwas zu posten, das vielleicht ein wenig belanglos ist. Aber dann habe ich ein Jahr lang fast gar nichts gepostet. Erst jetzt mit dem neuen Album mache ich wieder ein bisschen was. Dieser Gedanke hat sicher mit reingespielt: Wir haben Wichtigeres zu tun, als irgendein Selfie zu posten.

"Themen, die ich sonst teilweise runterschlucken würde"

APA: Braucht es Mut, diese Dinge in den Texten anzusprechen? Wie schwer oder leicht fällt es Ihnen, dafür Worte zu finden?

Blenda: Ich habe Glück, weil das einfach so kommt. Das Schreiben selbst ist in diesem Sinne leicht. Es sind Themen, die mich sowieso beschäftigen und die ich sonst teilweise runterschlucken würde. Oder die einen teils erschlagen. Man weiß ja gar nicht, wo man anfangen soll. Und dann hilft das. Teilweise verstehe ich Dinge auch besser, nachdem ich einen Text geschrieben habe.

APA: In "Deine Wahrheit" heißt es: "Deine Worte werden Wellen schlagen." Während man sich das wünscht, scheint aktuell eher ein Backlash für Gleichstellung zu beobachten zu sein. Wie kann man damit umgehen?

Blenda: Teilweise ist es bei mir auch ein totaler Rückzug. Das ist aber das Gefährliche, und zwar ganz generell für die Gesellschaft. Es wirkt beinahe wie Biedermeier-Style, weil alle erschlagen sind und sich auf sich selbst gestellt fühlen. Das ist so ein intuitiver Schritt, bei dem wir aber schauen müssen, dass es nicht ausartet. Komischerweise sind wir als Gesellschaft vielleicht so individualistisch wie noch nie, aber gleichzeitig hat man das Gefühl, dass eine Stimme nichts mehr wert ist, man eh nichts verändern kann.

Gemeinschaft als "Superpower von Musik"

APA: Ist Musik dann ein Vehikel, um dem entgegenzuwirken?

Blenda: Ich weiß natürlich nicht wie es für die Leute ist, wenn sie meine Musik hören. Aber ich kenne es selber, dass etwa ein Konzert extrem erhebend sein kann. Man bekommt das Gefühl, Teil einer Gemeinschaft zu sein. Das ist das Schönste und sozusagen die Superpower von Musik.

APA: Da spielt wohl auch der Albumtitel hinein, der sich melancholisch lesen lässt, aber auch als Empowerment: Alleine, aber doch gemeinsam...

Blenda: Ja. Ich habe sehr lange überlegt, um einen Titel zu finden, der diesen Kontrast widerspiegelt. Einerseits wird alles als Einzelfall abgetan, ein sich aus der Verantwortung ziehen von patriarchalen Strukturen. Aber viele Einzelfälle sind eben auch ein Ganzes. Und andererseits: Man fühlt sich vielleicht alleine, aber man kann trotzdem überall Gemeinschaft finden. Das passt auch zum ersten Album ("Die neue Heiterkeit", Anm.). Ich fand es schön, dass der Titel das aufgreift, weil es auch ein bisschen ähnlich ist.

APA: Sie haben nun zwei thematisch sehr schweren Platte veröffentlicht. Wie funktionieren vor diesem Hintergrund die Konzerte, sind sie eine große Herausforderung?

Blenda: Das verändert sich von Abend zu Abend. Aber auch hier gilt: Die Themen des Albums sind ja trotzdem da für mich. Gerade beim Konzert ist es dann ein schöner Moment, auch generell in der Kunst: Man kann die schlimmsten Dinge zu etwas Schönem machen. Ein trauriges Lied kann auch extrem schön sein. In dem Punkt alleine finde ich schon Trost. Als wir mit Culk begonnen haben, hat mich das teilweise schon sehr mitgenommen. Aber es hat sich im Lauf der Jahre gewandelt, dass ich das Schöne darin sehen kann. Das ist das Coole daran, dass man nicht Opfer bleibt oder etwas so groß da ist, nein: Du änderst deine Perspektive.

(Das Gespräch führte Christoph Griessner/APA)

(S E R V I C E - Albumpräsentation am 9. Mai im Wiener Radiokulturhaus, weitere Infos und Termine unter https://sophiablenda.bandcamp.com/music; https://dq-agency.com/dq_artists/sophia-blenda)

Zusammenfassung
  • Sophia Blenda veröffentlicht am 9. Mai ihr zweites Soloalbum 'Die Summe der Vereinzelung', das sich mit Themen wie Ausgrenzung und Gewalt auseinandersetzt.
  • Das Album knüpft an ihr Debüt an und behandelt strukturelle Diskriminierung sowie Gewalt gegen Flinta* und queere Personen.
  • Blenda sieht ihre Musik als Kunstprojekt und empfindet Verantwortung, schwierige Themen anzusprechen, die im Alltag oft ignoriert werden.
  • Musik wird von Blenda als Mittel gesehen, um Gemeinschaft zu schaffen und dem Gefühl der Isolation entgegenzuwirken.
  • Der Albumtitel spiegelt den Kontrast zwischen individueller Isolation und gemeinschaftlichem Empowerment wider.