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Museumsquartier will mit grünen Inseln Temperatur senken

Alle reden vom Fachkräftemangel, doch im Wiener Museumsquartier (MQ) gibt es 200.000 neue Mitarbeiterinnen. Im Rahmen der neuen Klima- und Nachhaltigkeitsstrategie des Kulturareals hat man Bienen angesiedelt. Diese bekommen nun nahrungstechnische Nahversorgung, denn das "MQ goes Green". Die Begrünung erfolgt freilich vor allem im Hinblick auf eine "Erhöhung der Aufenthaltsqualität" für die jährlich 5 Millionen Besucher, sagte Direktorin Bettina Leidl heute vor Journalisten.

Neben Senkung von CO2-Emissionen und dem Setzen auf nachhaltige Energielösungen gehe es vor allem um Temperatursenkung. "Die Innenhöfe sind extrem heiß", verwies Leidl auf die Auswirkungen der versiegelten Böden und der Steinfassaden, die zuletzt wieder stark spürbar waren. Mit den neuen Begrünungsmaßnahmen soll es gelingen, dort die Temperatur um 7 bis 10 Grad zu senken. Den zweistufigen Wettbewerb, zu dem vier Landschaftsplaner:innen-Büros eingeladen wurden, gewann das Projekt "MQ in morphosis" von Anna Detzlhofer (D/D Landschaftsplanung), die etwa auch für das Projekt Nibelungenplatz verantwortlich ist, bei dem ab Juni 2024 in Tulln ein Parkplatz zum Park werden soll.

Detzlhofers MQ-Projekt ist zunächst auf drei Jahre ausgerichtet, denn noch sind die Maßnahmen temporär - was auch eine der Herausforderungen dargestellt habe, sagte die Landschaftsarchitektin. Daher stehen nun Bäume, Büsche, Stauden und Gräser in großen Ballen auf Holzpaletten, die einfach auf die Steinplatten gestellt wurden - aus Nachhaltigkeitsperspektive ein ziemlich absurder Anblick. Dies sei nicht anders möglich, erläuterte Leidl. Derzeit laufe nämlich eine Machbarkeitsstudie zu Geothermie-Nutzung und Anschluss an das Fernkältenetz, deren Ergebnis im September oder Oktober vorliegen soll. Dann könne die Planung und Finanzierung der diesbezüglichen Maßnahmen beginnen. "Wir befinden uns nicht auf der grünen Wiese, wo wir einfach aufreißen können. Wenn es sich ausgeht, dass wir Ende 2025 mit der Entsiegelung beginnen können, dann können wir stolz sein."

Bis dahin sollen rund 30 Prozent des Areals begrünt werden, was auch die Biodiversität erhöhen soll. Dabei setze man vor allem auf klima- und hitzeresistente Pflanzen, so Leidl: "Es kommen nur Pflanzen her, die sich bei uns auch in 20 Jahren noch wohlfühlen werden." Für jeden der Höfe und den Vorplatz des MQ sei "ein eigenes Begrünungsthema" vorgesehen, sagte Detzlhofer. Man wolle grüne Inseln schaffen und "eine Art Wald simulieren", in dem sich die unterschiedlichen Pflanzen "gegenseitig beschatten und beschützen". Im Haupthof sollen Bäume wie Seidenakazien oder Zelkoven sowie Pflanzen wie Federgras, Fackellilie oder Sonnenhut für "Mediterranes Flair" sorgen, im Winter sind Rosmarin und Steppensalbei vorgesehen. "Dschungel-Feeling" sollen im Fürstenhof großblättrige Gehölze wie Pappau, berankte Hopfenstangen, Großblatt-Funkien oder Ziergräser verbreiten, während man im Staatsratshof auf Waldkiefern und Gräser wie Pampas- oder Texasgras sowie immergrüner Wolfsmilch und Palmlilien setzt. "Die exotischen Arten sind klimaresilient und trotzen selbst den Wiener Wintertemperaturen", heißt es in den Unterlagen.

Während sich das echte Parlament seit dem Umbau ringstraßenseitig als Steinwüste ohne einen einzigen Grashalm präsentiert, soll am MQ-Vorplatz ein "Parlament der Klimabäume" entstehen, bei dem zehn ausgewählte Bäume wie Zerreiche, Platane oder Geweihbaum mit ihren Infotafeln von den notwendigen Veränderungen in der Gestaltung und Planung von urbanen Räumen erzählen sollen - denn auch die Narrative müssen sich ändern. Das Narrativ des Wiener Bürgermeisters Michael Ludwig (SPÖ) ist jedoch unverändert: "Wir sehen uns als Vorreiter." Wien habe seit 20 Jahren ein Klimaschutzprogramm, liege bei den Pro-Kopf-Emissionen bei der Hälfte des österreichischen Durchschnitts, habe seinen Grünanteil sogar von 50 auf 53 Prozent steigern können und sei daher als "Greenest City" weltweit ausgezeichnet worden, betonte er bei dem heutigen Pressetermin.

Expertenkritik an zu laxer Umsetzung von an sich ambitionierten Zielen wies er gegenüber der APA zurück. "Man kann immer mehr machen, keine Frage. Aber wir stellen uns gerne jedem Vergleich." Auch beim Bodenverbrauch liege Wien vergleichsweise gut. Für Ludwig ist "MQ goes Green" ein Beweis dafür, dass man auch dort initiativ werde, "wo es schwierig ist". Schwierig dürfte es auch werden, bei der Neugestaltung der vor dem MQ vorbeiführenden 2er-Linie nach Beendigung der U-Bahn-Bauarbeiten alle Wünsche unter einen Hut zu bringen. Anrainer und Klimaaktivisten befürchten, dass dort neuerlich dem Individualverkehr breiter Vorrang eingeräumt und nur Grün-Kosmetik betrieben werden könnte. Der Bürgermeister verwies darauf, dass der öffentliche Verkehr durch die U-Bahn-Netz-Erweiterung um ein Drittel auf 1,3 Milliarden Nutzer jährlich anwachsen und schon dadurch zur Klimafitness der Stadt massiv beigetragen werde. Für alles übrige werde ein "ausgewogenes Verhältnis" angestrebt. Individualverkehr müsse dort weiterhin möglich sein, Grünraum sei "selbstverständlich" vorgesehen.

Wien will bis 2040 klimaneutral werden, das MQ schon zehn Jahre früher. Dass die Schritte in die richtige Richtung gehen, wird kaum bezweifelt. Die Frage ist, ob sie schnell genug sind.

(S E R V I C E - www.mqw.at; https://www.dnd.at/)

ribbon Zusammenfassung
  • Alle reden vom Fachkräftemangel, doch im Wiener Museumsquartier (MQ) gibt es 200.000 neue Mitarbeiterinnen.
  • Dabei setze man vor allem auf klima- und hitzeresistente Pflanzen, so Leidl: "Es kommen nur Pflanzen her, die sich bei uns auch in 20 Jahren noch wohlfühlen werden."
  • Man wolle grüne Inseln schaffen und "eine Art Wald simulieren", in dem sich die unterschiedlichen Pflanzen "gegenseitig beschatten und beschützen".