"Modus Vivendi": Neue Produktion des Serapions Theaters
Dazu zählt, dass man zum rätselhaften Titel einen programmatischen Beipacktext mitbekommt, der das Dechiffrieren der Choreografien und Bilder erleichtern soll. Diesmal soll es um "den Zustand, den wir als Wirklichkeit anerkennen", gehen, um "eine moderne Gesellschaft in ihrer Lebensart", mit "Individuen, beeinflusst von vorgelebten Bildern aus Werbung und Medien", die ganz auf zwanghafte Wiederholung statt auf notwendige Veränderung orientiert ist. Wer will, mag das aus den knapp zwei Stunden herauslesen. Wer das nicht will, schaut einfach zu, staunt mitunter und langweilt sich zwischendurch ein wenig.
Die Bühne ist als frei begehbarer Marktplatz gestaltet. Die einzelnen, teilweise liebevoll wie Schaukästen dekorierten Marktstände heißen "Autohaus", "Garderobe", "Moderne Bildnisse" oder "Bar". Dort gibt es tatsächlich etwas zu trinken und Live-Klaviermusik. Ganz allmählich geht die lockere Plauderatmosphäre, die mehr ins Foyer als auf die Bühne passen würde, ins Bühnengeschehen über. Gerwich Rozmyslowski, ein Spieler des neunköpfigen Ensembles, sitzt an einem Gartentisch und liest. Aus der Dunkelheit treten Gestalten ins Licht und beginnen das Spiel.
Das Serapions Theater wurde als Mischung aus Schaueffekten und Bewegungstheater bekannt, das mehr auf Poesie als auf Narration setzt, auf visuelle denn auf sprachliche Kommunikation. Max Kaufmann, seit 2022 künstlerischer Leiter des Odeon Theaters, geht diesen von seinen Eltern eingeschlagenen Weg unbeirrt weiter. Was auch bedeutet, dass wenig im Ablauf von Schritten und Gesten neu ist und viele Szenen wie Workshopaufgaben anmuten: Auf den Wirtshaus-Slapstick folgt der Regenschauer und danach die gemeinsame U-Bahn-Fahrt, mit vorbeihuschenden Projektionen gekonnt in Szene gesetzt.
Billboards und Showeinlage
Verschiebbare Wände, die wie seltsame Billboards wirken, mit Slogans wie "Im freien Fall ... in die gute Haltung" oder "Landebahnen für den guten Geschmack", bilden einzelne Zimmer und Wohnungen und bieten mit Fenstern und Spiegeln allerlei Spielmöglichkeiten. Die lebenden Bilder werden von einer bewusst aufdringlichen Showeinlage abgelöst. Ja, so sind wir - dumm und unterhaltungssüchtig. Der Neuigkeitswert dieser Erkenntnis ist begrenzt.
Am Ende findet der Abend zu einer überzeugenden, hoch poetischen und verzaubernden Szene, in der die alte Bilderkraft für Momente spürbar wird. Mit einem kleinen, wie von Zauberhand durch den zum Meer gewordenen Raum geleiteten Kahn erfolgt ein Aufbruch ins Ungewisse.
Ausstellung ab 10. April
Eine Wiederbegegnung mit mehr Bildern dieser Art, die eine ganze Zuschauergeneration faszinierten, ermöglicht ab 10. April die über mehrere Ebenen des Odeon führende Ausstellung "45 Jahre Serapions Theater", in der Kostüme, Bühnenmalerei, Modelle, Puppen, Objekte und Videos gezeigt werden. Sie alle machen den Modus Vivendi dieses Theaters aus. Im Schlussapplaus des Premierenabends teilte der 85-jährige Erwin Piplits Blumen an die Mitwirkenden aus. Den Blumen geht es freilich wie den Ideen: Um nicht zu verwelken benötigen sie immer wieder frisches Wasser.
(Von Wolfgang Huber-Lang/APA)
(S E R V I C E - "Modus Vivendi", Idee, Szenario & Spielleitung: Max Kaufmann, Bühne: Max Kaufmann & Eva Grün, Kostümbild: Mirjam Mercedes Salzer in Zusammenarbeit mit Carmen Lea Glanz & Helen Heinrich. Odeon, Wien 2, Taborstraße 10. Weitere Aufführungen: 28.-29. März, 1.-5., 10.-12., 15.-17., 22.-26., 29.-30. April, 1.-3., 15.-17. Mai, www.odeon-theater.at)
Zusammenfassung
- Das Wiener Serapions Theater feiert sein 45-jähriges Jubiläum mit dem neuen Stück 'Modus Vivendi', das am Donnerstag Premiere hatte.
- Max Kaufmann, der Sohn der Gründer, inszeniert das Stück, das als begehbare Installation beginnt und die moderne Gesellschaft sowie den Einfluss von Medien thematisiert.
- Ab dem 10. April zeigt das Odeon Theater eine Ausstellung über 45 Jahre Serapions Theater, die Kostüme, Bühnenmalerei und Videos umfasst.