Unterbrechungen bei Milo Raus "Wiener Prozessen"
Eigentlich hatte die ehemalige SPÖ-Justizministerin Maria Berger als "vorsitzende Richterin" Maya Rinderer von der linken jüdischen Gruppierung "Judeobolschwiener:innen" nur aufgefordert, Namen und Beruf zu nennen. Doch die "Zeugin" weigerte sich und verließ den Boden der Inszenierung grundsätzlich. Rinderer begann, ein vorbereitetes Manifest zu verlesen: "Die Botschaft an die Wiener Festwochen: Ihr seid nicht angeklagt, ihr seid verurteilt", erklärte sie. Während die "israelische Besatzungsmacht" einen "brutalen Genozid an den Palästinenserinnen mit bereits über 50.000 Märtyrerinnen" verübte, veranstalteten die Festwochen ihre "heuchlerische und politisch völlig entleerten Wiener Prozesse". Nachdem die "Zeugin" nicht auf die Aufforderungen von der Richterbank reagierte, wurde das Mikrofon abgedreht und die "Sitzung" unterbrochen. Die Aktivistin las ihr Manifest jedoch bis zum Ende und verließ, ohne eine einzige Frage beantwortet zu haben, das Odeon Theater.
Rinderer sollte am Samstagnachmittag nicht die einzige Teilnehmerin des Theaterstücks sein, die es radikal ablehnte. Das Prozedere wiederholte sich kurze Zeit später, als der mit einem Palästinensertuch ausgestattete Aktivist Daniel Jungmayer von BDS (Boycott. Divestment. Sanctions.) es ebenso vorzog, ein israelkritisches Manifest zu verlesen. "Liebes Publikum, wir haben keine Sicherheitspolizei", beklagte die "Vorsitzende" Berger. Auch Jungmayer las zu Ende und verließ schließlich ebenso das Theater. Die restlichen "Zeugenbefragungen" verliefen im üblichen Raum, sieben "Geschworenen" der "Freien Republik Wien" werden am Sonntagabend zu entscheiden haben, ob die Auflösung eines pro-palästinensischen Protestcamps vor der TU Wien durch die Polizei rechtskonform war oder nicht.
Am Vormittag hatte sich das Gerichts mit Klimaaktivismus beschäftigt. Infrage stand dabei nicht die Weltsicht der "Letzten Generation", unterstrich Anklägerin Laura Eisenhans: "Was angeklagt ist, ist das Handeln." Das betreffe konkret die Unbrauchbarmachung eines Autobahnkreuzes, also schwere Sachbeschädigung, mit dem Vorsatz, die Regierung zu einer Handlung zu zwingen. Dies zeuge von terroristischem Charakter. "Niemand von der 'Letzten Generation' hatte den Vorsatz, schwere Sachbeschädigung zu begehen", unterstrich indes Paul Kessler, der auch in der Realität der Verteidiger der "Letzten Generation" ist. Damit falle der Vorwurf der terroristischen Vereinigung in sich zusammen.
Am Ende zeigte sich bei den Zeuginnen und Zeugen von allen Seiten, dass niemand die Aktivistinnen und Aktivisten für Terroristen hält. Afra Porsche, Mitglied der "Letzten Generation", unterstrich im Zeugenstand aber die Bedeutung des zivilen Ungehorsams: "Wir sind immer gewaltfrei." Die Einsatzkräfte hätten die festgeklebten Aktivisten auch lösen können, ohne die Straße aufzureißen: "Und ist es keine schwere Sachbeschädigung, uns in die Klimakatastrophe laufen zu lassen?"
Andre Hutter, Initiator des Volksbegehrens "Leben ohne Klimalügen!", bestritt hingegen den menschengemachten Klimawandel, sondern sieht diesen als Kontinuum im Weltenlauf. Aber er verstehe die Motivation der Aktivistinnen und Aktivisten, die er nicht als Terroristen sehe, angesichts der Angstmache durch Lobbyisten: "Die Politiker bedient sich des Mittels der Angst."
Die Grüne Klubchefin Sigrid Maurer betonte zwar, dass sie die Methoden der Demonstranten für ungeeignet halte: "Ich glaube, der Punkt, an dem dieser Art von Aufmerksamkeit hilfreich war, ist überschritten." Aber dennoch müsse die Gesellschaft diese aushalten. Sie sei allerdings skeptisch bezüglich dystopischer Szenarien, die bei den Menschen stets zu Resignation führten.
"Dankbar" ob der Aktionen der "Letzten Generation" zeigte sich Millionenerbin Marlene Engelhorn: "Ziviler Ungehorsam ist, wenn er in Achtung des Lebens handelt, durchaus legitimiert zu stören." Dies sei wichtig, um zu zeigen, dass die Menschheit Grenzen des sozialen Zusammenhalts und des Planeten überschritten habe.
Wirklich spannend dürfte aus Festwochen-Sicht nun der Sonntag werden, stehen am Abschlusstag doch die Festwochen selbst vor dem theatralen "Gericht" der "Freien Republik". Das Festival wird sich dabei wegen Fördermissbrauchs verantworten müssen, weshalb Festwochenchef Milo Rau selbst und die Wiener Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler (SPÖ) verhört werden. Die Urteile in den Prozessen werden von den sieben "Geschworenen" dann am Sonntagabend gefällt.
(S E R V I C E - "Die Wiener Prozesse. Prozess III: Die Heuchelei der Gutmeinenden", Wiener Festwochen im Odeon noch am Sonntag, 16. Juni. www.festwochen.at/die-heuchelei-der-gutmeinenden)
Zusammenfassung
- Am Samstagvormittag verlief das erste Teilverfahren der Wiener Festwochen ruhig, während am Nachmittag zwei israelkritische Aktivisten das zweite Teilverfahren unterbrachen und ihre Manifeste verlasen.
- Am Vormittag beschäftigte sich das Gericht mit Klimaaktivismus und der 'Letzten Generation', wobei Paul Kessler den Vorwurf der terroristischen Vereinigung bestritt und Afra Porsche die Gewaltfreiheit der Gruppe betonte.
- Am Sonntag werden die Wiener Festwochen selbst vor dem theatralen 'Gericht' stehen und sich wegen Fördermissbrauchs verantworten müssen. Die Urteile werden von sieben 'Geschworenen' gefällt.