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"La Rondine" an der Volksoper: Feminismus am letzten Drücker

Es ist die alte Geschichte der Kurtisane, die die Liebe sucht, den Konventionen aber nicht entkommt und am Ende scheitert, die Giacomo Puccini in "La Rondine" ("Die Schwalbe") erzählt - ein Spätwerk des Jahresjubilars, das es nie wirklich ins Repertoire geschafft hat. Am Mittwoch holte Volksopern-Intendanten Lotte de Beer das selten gespielte Stück auf die Bühne - traute sich dann aber erst sehr spät, den Stier bei den Hörner respektive die Schwalbe am Schwanz zu packen.

Über die ersten beiden Akte hinweg bleibt de Beer noch sehr nahe am Ursprungstext, der sich im Feld zwischen "Traviata" und "Rosenkavalier" bewegt und auf einen Auftrag des Wiener Carltheaters zurückgeht. Die Bündniswirren des Ersten Weltkrieges verhinderten dann jedoch die Premiere in Wien, die stattdessen 1917 in Monte Carlo erfolgte. Und die Besucher der damaligen Uraufführungen wären wohl auch in der Volksoper des Jahres 2024 nicht irritiert gewesen, was sie da vor der Pause zu sehen bekommen.

De Beer taucht gemeinsam mit Bühnenbildner Christof Hetzer und der für die Kostüme zuständigen Jorine van Beek das Geschehen in einen pastellfarbenen Fin-de-Siècle-Rausch, um das Geschehen im Salon der Edelkurtisane Magda zu erzählen, die vom Bankier Rambaldo ausgehalten wird. Auch in Akt 2, in dem Magda inkognito einen Club besucht, wo sie sich Hals über Kopf in den jungen Ruggero verliebt und für ihn ihr altes Leben hinter sich lässt, herrscht ein Gewusel im traditionellen Habitus auf der Bühne, dass Otto Schenk seine wahre Freude hätte.

Zu diesem Zeitpunkt stellt einzig ein digitales Laufband in der Bühnenmitte ein kleines Irritationsmomentum dar. Darauf werden nicht nur die deutschen Übertitel, sondern auch drehbuchartige Kommentare zu den Intentionen der einzelnen Charaktere geboten. Stellt diese Interpretationsvorgabe in schwarz auf weiß in den ersten beiden Akten noch gefühlt eine Bevormundung des Publikums dar, symbolisiert just dieses Element auch die Wendung zum Guten im 3. Akt. Hier mutiert der Lauftext zum Kommentar des bereits in Akt 1 präsenten Dichters Prudiot, dem die freche Zofe Lisette handschriftlich immer wieder ins Handwerk pfuscht und das vorgegebene Liebesleid zumindest in den Übertiteln in Liebeslust verwandelt. Aufseiten der Regie scheint endlich der Knopf aufgegangen zu sein, und de Beer traut sich, sich zum Stück an sich zu verhalten.

Die beiden Liebenden Magda und Ruggero verbringen hier in der Abgeschiedenheit der Côte d'Azur eine glückliche Zeit, bis er ihr einen Heiratsantrag macht. Sie sieht sich gezwungen, dem Geliebten ihre "dunkle" Vergangenheit zu gestehen und diesen entgegen seiner Bitten zu verlassen, um ihn zu schützen. Diese moralische Sicht des Jahres 1917 auf das Frauenbild des Jahres 1860 zerpflückt die Regisseurin und thematisiert in den letzten Minuten der Inszenierung diesen Frauencharakter als typische Männerfantasie aus der üblichen Dichotomie von Heiliger und Hure.

Dirigent Alexander Joel hat dafür einige Sequenzen der Oper am Ende angefügt, die es ermöglichen, anstelle des leidenden Abgangs Magdas eine Tour de Force durch das Frauenbild in Puccinis Opern anzutreten, an deren Ende eine emanzipierte Frau ihrer Zukunft entgegenschreitet. Eine Metaebene mit Aussage und zugleich Humor, die dem Werk äußerst guttut.

Was der "Rondine" ebenfalls gut zu Gesicht steht, ist das Dirigat von Joel, der die Walzermelodien des Werks herauskitzelt, sich hingegen nicht zu sehr in den Schmalz vorwagt und somit den impliziten Wiener Charakter unterstreicht, aber leichtfüßig dabei bleibt. Forciert wird dagegen über weite Strecken auf der Bühne. Die Schwedin Matilda Sterby ist eine solide Magda im Zwiespalt der Gefühle, überzieht aber streckenweise immer wieder. Dem Ruggero von Leonardo Capalbo fehlt es indes an Höhe, während es Timothy Fallons Prunier an Tiefe mangelt. Volksopern-Liebling Rebecca Nelsen hingegen hat als aufsässige Zofe Lisette eine Paraderolle für sich gefunden.

Die neue Volksopern-"Rondine" ist also in mehrfacher Hinsicht ein Abend der starken Frauen, der letztlich gar in einem feministischen Statement kulminiert. Schade, dass der inszenatorische Anlauf bis dahin lang ausfällt.

(Von Martin Fichter-Wöß/APA)

(S E R V I C E - "La Rondine" von Giacomo Puccini in der Volksoper, Währinger Straße 78, 1090 Wien. Dirigent: Alexander Joel, Regie: Lotte de Beer, Co-Regie/Choreografie: Florian Hurler, Bühnenbild: Christof Hetzer, Kostüme: Jorine van Beek, Licht: Alex Brok/Georg Veit. Mit Magda de Civry - Matilda Sterby, Lisette - Rebecca Nelsen, Ruggero Lastouc - Leonardo Capalbo, Prunier - Timothy Fallon, Rambaldo Fernandez - Andrei Bondarenko, Périchaud - Marco Di Sapia, Gobin - Aaron-Casey Gould, Crébillon - Aaron Pendleton, Rabonnier - Ben Connor, Yvette - Julia Koci, Bianca - Johanna Arrouas, Suzy - Stephanie Maitland, Un Maggiordomo - Aaron Pendleton, Un Cantore - Rebecca Nelsen, Un Giovine - Christopher Hutchinson, Una Grisette - Angela Riefenthaler, Una donnina - Elisabeth Ebner, Altra Donnina - Kristinka Antolkovic. Weitere Aufführungen am 12., 18., 23. und 26. April sowie am 3., 6. und 10. Mai. www.volksoper.at/produktion/la-rondine-2024.de.html)

ribbon Zusammenfassung
  • Die Volksoper Wien präsentiert Giacomo Puccinis Oper 'La Rondine', inszeniert von Lotte de Beer, mit einem feministischen Finale.
  • Die Regie bleibt über zwei Akte nah am Original, bevor sie im dritten Akt mit traditionellen Frauenbildern bricht.
  • Ein digitales Laufband auf der Bühne zeigt Übertitel und Charakterkommentare, was im dritten Akt zu einem humorvollen Element wird.
  • Dirigent Alexander Joel hebt die Walzermelodien hervor und bewahrt den Wiener Charakter des Stücks, ohne in Sentimentalität zu verfallen.
  • Besondere Leistungen zeigen Matilda Sterby als Magda und Rebecca Nelsen als Zofe Lisette in dieser Inszenierung von 'La Rondine'.