Kühl-schonungslose "Elektra" in Innsbruck
Die Bühne von Thomas Dörfler im "Großen Haus" schien dabei eine Art von Dreifachfunktion einzunehmen: Sie war Badeanstalt, Schlachthof und Hinterhof eines Palastes in einem. Dass als Hintergrund der Erzählung der Trojanische Krieg diente, ließ sich bei der Inszenierung höchstens fragmentarisch ablesen. Vielmehr war man hier ganz in einer düsteren Gegenwart, etwaige Königskinder oder Helden wirkten in dieser abgerissen und wie ein Schatten ihrer selbst.
Lediglich die Mutter der Elektra, Klytämnestra, die zusammen mit ihrem Geliebten Aegisth den König Agamemnon ermordete und damit den unbändigen Zorn von Elektra auf sich zog, durfte ausgiebig glänzen. Verkörpert und brillant gesungen von Angela Denoke war aber auch deren Glitzerkostüm weniger historisch als vielmehr scheinbar einem 70er-Jahre-Disco-Kontext entliehen.
Trotz dieser spielerischen Referenz bewegte sich die einaktige Oper, wie von Strauss vorgesehen, unweigerlich dem blutigen Ende zu, in deren Finale Elektra mit Unterstützung ihres Bruders Orest zur so heiß ersehnten Rache kam. Doch nicht der altbekannte Schluss des mythologischen Stoffes, sondern der Weg dorthin faszinierte. Aile Asszonyi gab etwa eine wenig glamouröse, fast schon rustikale, jedenfalls aber abgründige und radikale Elektra ab und auch Andreas Mattersberger brillierte als Orest mit klarer Grabesstimme.
Getragen wurde aber sowohl der Regie-Realismus, die klare Bühnenästhetik als auch die Sangeskraft des Ensembles vom ausnehmend differenziert und spannungsgeladen aufspielenden Tiroler Symphonieorchester Innsbruck unter der musikalischen Leitung von Lukas Beikircher. Das Orchester erwies sich der atemlosen Musik von Strauss, die ohne Leerstellen und Atempausen mit mehrstimmiger Extravaganz in Richtung Abgrund raste, jedenfalls mehr als nur würdig.
So durfte sich zuletzt das Sängerinnen- und Sänger-Ensemble tosenden Applaus abholen, für die Hauptrollen steigerte sich dieser zu frenetischem Jubel. Tatsächlich von den Sitzen riss es das Publikum aber im fast ausverkauften Haus erst beim Auftritt von Reitmeier und des musikalischen Leiters. Dieser Jubel für die zwei wesentlichen Personen des Abends wollte auch nach Minuten kaum abebben, versiegte aber schließlich doch und ließ gewahr werden, dass sich Reitmeier mit einem ersten Paukenschlag aus seiner Intendanz-Zeit verabschiedet hatte.
(S E R V I C E: - "Elektra" von Richard Strauss, Text von Hugo von Hofmannsthal, Reduzierte Orchesterfassung von Richard Dünser. Regie: Johannes Reitmeier. Musikalische Leitung: Lukas Beikircher. Bühne: Thomas Dörfler. Kostüme: Michael D. Zimmermann. Mit u.a. Angela Denoke (Klytämnestra), Aile Asszonyi (Elektra), Magdalena Hinterdobler (Chrysothemis), Florian Stern (Aegisth), Andreas Mattersberger (Orest), Tiroler Symphonieorchester Innsbruck. Weitere Vorstellungen: 17., 25., 28. und 30. Juni, 6. und 9. Juli. https://www.landestheater.at/)
Zusammenfassung
- Die Oper "Elektra" von Richard Strauss, die sich auf Textebene nach dem Schauspiel von Hugo von Hofmannsthal richtet, hat am Sonntag am Tiroler Landestheater begleitet von großem Applaus und Stehovationen seine Premiere gefeiert.
- Die Bühne von Thomas Dörfler im "Großen Haus" schien dabei eine Art von Dreifachfunktion einzunehmen: Sie war Badeanstalt, Schlachthof und Hinterhof eines Palastes in einem.
- Musikalische Leitung: Lukas Beikircher.