"Jungle" beim ImPulsTanz: Das Primat der Instinkte
Das reduzierte Bühnenbild entführt an einen weit von der Hektik des Alltags entfernten Ort: Von der Decke schwebt ein riesiges abstraktes Gewebe, das an ein dichtes, aber dennoch lichtdurchlässiges Blätterdach erinnert, die restliche Bühne bleibt nackt in diffuses Licht getaucht. Zum Auftakt gehen 17 Tänzerinnen und Tänzer stoisch im Kreis, immer wieder bricht eine Figur aus, um sich in der Mitte - von den anderen scheinbar unbeobachtet - auszudrücken. Dabei wirken sie in sich gekehrt, anonym und hoch konzentriert. Auch wenn sich das gestrenge Geschehen in weiterer Folge auflöst, einzelne Bewegungen synchron in der Gruppe ausgeführt werden oder man sich zu kurzen Duetten zusammenfindet, bleibt das Geschehen in diesem Dschungel seltsam entrückt.
Sind es Menschen, Tiere oder Pflanzen, die man hier beobachtet? Sind es an Land zappelnde Fische, sich im Kampf verkeilende Insekten oder aufblühende Knospen? Wie Chamäleons wechseln die Akteure ihre Stimmungen und Bestimmungen, ihre Formen und Bewegungsabläufe. Dahinter steckt eine von Kim entwickelte Methode zu Bewegungsforschung: Durch "Process Init" "rufen die Tänzer*innen ihre individuellen und konkreten Sinne wach und erforschen ihre gegenseitigen Reaktionen", heißt es dazu im Programmheft.
Der Blick nach innen führt zu sich auf der Oberfläche spiegelnden Bewegungen, die mal groß, mal klein sein können und sich nur selten deuten lassen. Damit soll jene Trägheit überwunden werden, "die durch langjähriges Training erlernt" wurde, so die Dramaturgin Kim Meyoung. Das Publikum wird dazu aufgerufen, das Stück "so frei wie möglich zu interpretieren".
Und so bleibt es jedem und jeder selbst überlassen, sich auf einzelne Szenen einzulassen, einzelnen Performern zu folgen und dann wieder - wie die Gedanken - abzugleiten und einen Blick auf das große Ganze zu werfen. Dank der dauerhaft aus dem Boxen wummernden Musik, die mal einem Donnergrollen gleicht, mal einen Sonnenaufgang zu vertonen scheint, entsteht im Laufe des Abends ein hypnotischer Zustand, dem man sich ganz und gar hingeben sollte. Lang anhaltender Jubel beendete den kurzen, nicht immer kurzweiligen Abend.
(Von Sonja Harter/APA)
(S E R V I C E - ImPulsTanz: "Jungle" von Kim Sungyong/Korea National Contemporary Dancy Company, weitere Termine im Volkstheater: 2., 3. und 4. August. www.impulstanz.at)
Zusammenfassung
- Die Arbeit 'Jungle' von Kim Sungyong wurde im Rahmen von ImPulsTanz im Wiener Volkstheater präsentiert und dauert 75 Minuten.
- 17 Tänzerinnen und Tänzer führen die Choreografie auf, die auf dem Konzept des Primats der Instinkte basiert.
- Weitere Aufführungen finden am 2., 3. und 4. August statt.