Jüdisches Leben in Bad Ischl durch Sommerfrische belebt
In Bad Ischl gab es historisch bedingt immer nur eine sehr kleine jüdische Gemeinde. Die Autorin Verena Wagner hat deren Geschichte in ihrem im Vorjahr erschienen Buch "Eine Jüdische Gemeinde in Bad Ischl" penibel aufgearbeitet. Demnach waren es meist nur zwischen 15 und 60 Personen, die Gruppe war gekennzeichnet durch eine Art "innere Diaspora", wie sie es nennt. Denn es gab nie ein Synagoge, keinen eigenen Friedhof. Koschere Gastronomie und religiöse Feiern organisierte man sich selbst. Für Gottesdienste stellte etwa die Hoteliersfamilie Sonnenschein Räumlichkeiten in ihrem Hotel zur Verfügung.
Es gibt in Bad Ischl aber noch einen zweiten Aspekt jüdischer Geschichte: Der Kurort war beliebt als Sommerfrische-Destination, Künstler, Schriftsteller und Industrielle verbrachten hier gerne den Urlaub und manche von ihnen besaßen über Generationen Zweitwohnsitze. Weil Kaiser Franz Joseph sehr tolerant war, suchten die jüdischen Salzkammergut-Urlauber seine Nähe und blieben oft in Bad Ischl, schildert die Fremdenführerin und Theologin Katharina Steinkogler der APA. Sie ist auf das jüdische Leben spezialisiert und bietet ab dem zweiten Quartal regelmäßige Stadtführungen zum Thema "Jüdisches Bad Ischl" an.
In Bad Ischl zeigen "Stecknadeln der Erinnerung" verschiedene Aspekte der Auseinandersetzung mit der jüdischen Geschichte im Ort. Das Projekt ist eine Kooperation der Künstlerin Teresa Distelberger mit der Stadt. Die roten Köpfe der etwa einen halben Meter hohen Stecknadeln, die an mehreren Stellen der Stadt zu finden sind, lassen sich aufklappen. Im Inneren erfährt man dann Details zu konkreten Themen, mittels QR-Code kann man sich auch noch weiter in das Thema vertiefen. Die Stecknadeln markieren ausgewählte Orte mit Geschichten aus den 1930ern und 1940ern, beispielsweise über Arisierungen, aber auch Beiträge zum Thema "Wie hätte ich gehandelt?". Steinkogler weist darauf hin, dass etwa Franz Lehár, dem oft vorgeworfen wird, sich zu wenig für seine jüdischen Librettisten wie Fritz Löhner-Beda - er und seine Familie überlebten den Holocaust nicht - eingesetzt zu haben, selbst eine jüdische Frau hatte. Weil Adolf Hitler die "Lustige Witwe" geliebt habe, wurde die Frau des Komponisten zur Ehren-Arierein ernannt. Vielleicht tat sich Lehár deshalb schwer, allzu aufmüpfig zu sein.
Löhner-Beda, der zahlreiche Librettos zu Operetten schrieb, hatte in Bad Ischl eine Villa, Theodor Herzl schrieb hier einen Teil seines Buchs "Der Judenstaat", Oscar Straus lebte gegenüber dem Kurpark und ist in Bad Ischl begraben, auch Hilde Spiel ist hier bestattet. Am katholischen Friedhof der Salzkammergutstadt gibt es aber nur ein einziges Grab, das als jüdische Begräbnisstätte erkennbar ist - jenes des Dramatikers Leo Perutz.
Zusammenfassung
- Die europäische Kulturhauptstadt Bad Ischl - Salzkammergut 2024 widmet einen Schwerpunkt auch dem jüdischen Leben im Salzkammergut. Vor allem Bad Ischl hat hier eine Sonderstellung - denn es gab zwar durch die Jahrhunderte nur eine kleine jüdische Community, aber viele Promis, die hier im Sommer weilten, waren Juden. In der Stadt weisen "Stecknadeln" auf das Thema hin.