Judith Revers als Kämpferin für die Gegenwartskunst
APA: Wie kam es dazu, dass Sie vor mehr als zehn Jahren das Förderprogramm "Pixel, Bytes + Film" bei ORF III etabliert haben?
Judith Revers: Begonnen hat es im Jahr 2009, als ich in Boston, New York und Wien für meine Dissertation "Fernsehkunst. Der zeitgenössischen Kunst eine Fernsehform" recherchiert habe. Ich habe mich damals gefragt, warum es so wenig Gegenwartskunst im öffentlich-rechtlichen Fernsehen gibt. Damals war ORF III gerade in der Gründung, und ich habe Programmleiter Peter Schöber zwei Konzepte vorgestellt, aus denen dann das "Artist in Residence"-Programm auf ORF III entstanden ist. Damals gab es noch freie Sendeplätze. Ich war also, wie man so sagt, zur richtigen Zeit am richtigen Ort.
APA: In weiterer Folge kam es zu einer Kooperation mit der Filmförderungsabteilung des Ministeriums. Was hat sich dadurch geändert?
Revers: Nach zwei Jahren, in denen die Artists in Residence vor allem die Infrastruktur des ORF nutzen konnten und ein Projekt-Budget erhielten, kam es zur Kooperation, da die Filmförderung verstärkt neue Filmformate fördern wollte. Dadurch hat sich das Budget verdoppelt, es kamen pro Projekt jeweils 6.000 Euro vom ORF und von der Filmförderung. Damals entstand auch der neue Titel "Pixel, Bytes + Film". Mittlerweile kommen die Förderungen nur mehr vom Ministerium, der ORF stellt die Infrastruktur, Schnittplätze und die Schnitttechnikerin, Supervision und natürlich die Sendeplätze.
APA: Das Format richtet sich vor allem an bildende Künstler, warum?
Revers: Für Filmemacher und Filmemacherinnen gibt es bereits viele andere Förderschienen, aber es mischt sich natürlich auch, was ich für sehr wichtig halte. Im Programm sind sehr viele Absolventinnen und Absolventen von der Bildenden und der Angewandten, heuer wurden elf Projekte mit bis zu 25.000 Euro gefördert. Das ist natürlich nicht viel, aber es ist gerade für junge Künstlerinnen und Künstlern wichtig, überhaupt einmal losstarten zu können. An die großen Gelder kommen sie sowieso nicht ran und wenn, sind sie oft überfordert. Bei uns sind es keine Riesen-Summen, aber junge Kunstschaffende haben etwas, wo sie ein erstes Werk produzieren können, das auch im ORF ausgestrahlt wird.
APA: Ist die Anzahl der Bewerber in den vergangenen Jahren durch die Verbreitung der Digitalisierung gestiegen?
Revers: Eigentlich waren es immer zwischen 60 und 100 Bewerbungen, zuletzt waren es sogar 108.
APA: Wie sieht es mit der Förderschiene in Zukunft aus?
Revers: Eines meiner großen Anliegen ist, dass man im ORF-Gesetz festschreibt, dass eine gewisse Sendezeit und ein bestimmtes Budget für Gegenwartskunstprojekte zur Verfügung gestellt werden muss. Weil so wie es derzeit aufgestellt ist, muss man jedes Jahr zittern, ob es wieder Geld gibt. Es wäre wichtig, das zu fixieren, auch, wenn die Arbeiten dann "nur" im Player zu sehen wären. Das alles kostet ja nicht viel. Etwa 100.000 Euro im Jahr. Gerade in Zeiten wie diesen, wo sich viele Junge aufgrund der Krise schwertun, sind solche Programme, die auch Sichtbarkeit ermöglichen, enorm wichtig.
APA: Seit Beginn der Pandemie gibt es plötzlich sehr viele Digitalisierungsförderungen. Glauben Sie, dass diese auch danach erhalten bleiben oder wieder verschwinden werden? Und warum gab es diese Förderungen nicht schon viel früher?
Revers: Bisher hat es keine Notwendigkeit für diese Förderungen gegeben. Ein Problem sehe ich, das es auch bei der Einführung des Fernsehens gegeben hat: Immer, wenn es etwas Neues gibt, wird der Kultur Platz eingeräumt, da dürfen die Künstler und Künstlerinnen experimentieren. Sobald sich die Strukturen verfestigen und kommerzialisieren, hat die Kunst keinen Platz mehr.
APA: Erwarten Sie, dass sich die zahlreichen neuen digitalen Formate langfristig etablieren?
Revers: Ich könnte mir vorstellen, dass digitale Formate zusätzlich angeboten werden. Es wird Überbleibsel geben, auch an den Unis. Aber es ist schwer einzuschätzen. Gerade erleben wir einen Hype, es werden aber wohl nur jene Formate, die wirklich Sinn haben, bleiben.
APA: Wie sieht es mit der Bereitschaft aus, für digitale Kunst zu bezahlen?
Revers: Das ist ein Prozess. Die großen Firmen werden ihren Weg finden, die kleinen haben es schwer. Da fehlt auch das Know-how, auch braucht man viel Geld, etwa für die Einrichtung eines Online-Shops. Wirklich verdienen werden wohl nur die großen Institutionen.
APA: Was würden Sie sich für die Zukunft digitaler Kunst wünschen?
Revers: Das Wichtigste ist mir, dass es nicht etwas Vergängliches ist, sondern dass Gegenwartskunst ernst genommen wird und die Jungen gefördert werden und sichtbar gemacht wird, wie sie die Welt sehen. Es gibt da ganz tolle Entwicklungen. So hat das Grazer Kollektiv PICKS gemeinsam mit der Band 5K HD ein Musikvideo herausgebracht, in dem die Hörer via VR-Brille Remixes erstellen können, indem einzelne Spuren angetippt werden können. Da passiert einfach wahnsinnig viel. Das sollte im Öffentlich-Rechtlichen gefördert werden.
(Das Gespräch führte Sonja Harter/APA)
(S E R V I C E - Die Arbeit von PICKS ist am 6. März um 8:55 Uhr auf ORF III zu sehen und danach für 7 Tage in der ORF TV-Thek abrufbar. Alle Projekte von 2020 unter https://soundframe.at/2020/12/21/pixel-bytes-film-presentation/)
ZUR PERSON: Judith Revers ist eine österreichische Künstlerin und Kunsttherapeutin sowie Mit-Initiatorin des Förderprogramms "Pixel, Bytes + Film" auf ORF III. Von 2000 bis 2015 arbeitete sie bei FM4. Sie studierte an der Akademie der bildenden Künste in Wien. Infos unter https://judithrevers.com/
Zusammenfassung
- "Immer, wenn es etwas Neues gibt, wird der Kultur Platz eingeräumt, bis es sich kommerzialisiert und die Kunst keinen Platz mehr hat": Die Künstlerin und Kunsttherapeutin Judith Revers ist Mit-Initiatorin des Förderprogramms "Pixel, Bytes html5-dom-document-internal-entity1-amp-end Film". Im APA-Interview erzählt sie von ihrem Bestreben, der zeitgenössischen Kunst einen Ort im öffentlich-rechtlichen Fernsehen zu verschaffen, analysiert den Boom der digitalen Kunstpräsentation und wirft einen Blick in die Zukunft.