Jubel für "Verbranntes Land" im Schauspielhaus Wien
Auf der Bühne von Oliver Mathias Kratochwill stehen Iris Becher als lesbische Anna mit "beeindruckender Genderperformance" und Sissi Reich als schüchterne, aus einem Pfarrer-Haushalt stammende Eireni, die ihre dunkle Hautfarbe ständig rechtfertigen muss, im wahrsten Sinne des Wortes mit dem Rücken zur Wand. Durch eine ebensolche auf die Vorderbühne und einen von einer halbtransparenten Leinwand begrenzten Raum im ersten Stock beschränkt, erzählen sie in Form einer Rückblende von ihrem Kennenlernen in einer ostdeutschen Universitätsstadt. Während Eireni das Selbstbewusstsein der aus dem Westen stammenden Anna bewundert, lobt diese Eirenis Redegewandtheit.
Im Zuge ihrer Erinnerungen, die sie einander durchgehend in der Du-Form erzählen, reflektieren sie auch bisweilen sarkastisch die linke Bubble, in die sie beide gespült wurden. "Lesbisch sein ist besser als türkisch oder jüdisch zu sein: da kannst du nämlich die Einzige in deiner Familie sein", heißt es an einer Stelle. Auch das besetzte Haus, in dem Anna wohnt, bleibt nicht verschont, beschränken sich die linken Bewohnerinnen und Bewohner doch mehr aufs Reden denn aufs Machen. Als die Morde an Migranten im Viertel zunehmen und die Polizei von Mafia-Morden schwafelt, beschließen die beiden jungen Frauen, die Täter auf eigene Faust in der rechten Szene zu suchen.
Kurz nach ihrer ersten erotischen Annäherung machen sie sich gemeinsam auf, um ein rechtsradikales Festival auf dem Land zu unterwandern. Die Videoeinspielungen von Bateira beamen das Geschehen auf ein stoppeliges Feld in der glühenden Sommerhitze, wo der Alkohol fließt und die Rechten sich unter sich wähnen. Dass die geplante Unterwanderung trotz der Verkleidung der jungen Frauen (transparente Oberteile!) nicht gut gehen kann, ist vorprogrammiert und findet im Zusammentreffen mit der brutalen Jana (Sophia Löffler), die zuvor im grellen Neonoutfit eine ziemlich schräge Version von "Wonderwall" performt hat, zu einem fatalen Ende.
Linke Naivität trifft auf rechte Rhetorik
Regisseur Tobias Herzberg, Teil des Leitungskollektivs am Schauspielhaus, lässt bildungsbürgerliche, linke Naivität auf rechte Rhetorik prallen und zeichnet in 90 Minuten große Fragezeichen: Was braucht es, um dem Faschismus entgegenzutreten? Welche Rolle spielen die Einzelnen, um einer immer größer werdenden Gruppe entschlossen zu begegnen? Und wer sind die, die schweigend zusehen?
Durch den intimen Fokus auf die beiden jungen Frauen und ihre inneren Beweggründe befragt "Verbranntes Land" nicht die Ursachen von Rechtsextremismus, sondern vielmehr die Hilflosigkeit der Linken. In ihrem intensiven Spiel, das sowohl in den homoerotischen Szenen als auch in gefährlichen Extremsituationen überzeugt, ergründen Becher und Reich die tatsächliche Handlungsbereitschaft jener, die auf Demonstrationen Plakate in die Kameras halten.
Thementag "Kampf gegen Rechtsextremismus" am 22. März
Das Schauspielhaus geht am 22. März einen Schritt weiter und lädt unter dem Titel "Mutig und entschlossen. Theater, Bildung und Zivilgesellschaft im Kampf gegen Rechtsextremismus" zu einem Thementag. Den Anfang macht eine Nachmittagsvorstellung von "Verbranntes Land", gefolgt von der Podiumsdiskussion "Geteiltes Sofa - Gesellschaftspolitik zwischen Dresden und Wien" mit u.a. Andreas Kranebitter (Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands) und Vertretern von "Offener Prozess - Ein Dokumentationszentrum zum NSU-Komplex". Abends laden lokale Initiativen unter dem Motto "Widerstand: Und wie?" zu Tischgesprächen, stellen ihre Arbeit vor und diskutieren Aktivismus und Handlungsmöglichkeiten.
(Von Sonja Harter/APA)
(S E R V I C E - "Verbranntes Land" von Eve Leigh im Schauspielhaus Wien. Regie: Tobias Herzberg, Bühne und Licht: Oliver Mathias Kratochwill, Kostüme: Mirjam Ruschka, Video: Bateira. Weitere Vorstellungen 19. bis 22., 26. bis 29. März. www.schauspielhaus.at)
Zusammenfassung
- Das Schauspielhaus Wien feierte die deutschsprachige Erstaufführung von 'Verbranntes Land' am 15. März, einem Stück von Eve Leigh über den Kampf gegen Rechtsextremismus.
- Am 22. März findet ein Thementag im Schauspielhaus statt, der sich mit dem Kampf gegen Rechtsextremismus befasst und eine Podiumsdiskussion sowie Tischgespräche umfasst.
- Das Stück, das bis Ende März aufgeführt wird, thematisiert die Herausforderungen der Linken im Umgang mit Rechtsextremismus und wird von Iris Becher und Sissi Reich eindrucksvoll gespielt.