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Josefstadt setzt auf Haltung und "Literatur statt Schwank"

Mit elf Neuproduktionen - darunter drei Uraufführungen und eine Erstaufführung - geht das Theater in der Josefstadt in die Saison 2023/24, die Direktor Herbert Föttinger am Freitag vorgestellt hat. Dabei ist Peter Turrini gleich mit zwei neuen Stücken vertreten, einen neuen Text gibt es auch von Thomas Arzt, den Föttinger selbst inszeniert. Claus Peymann widmet sich diesmal Becketts "Warten auf Godot", Sandra Cervik inszeniert Yasmina Reza. Im Zentrum stehe stets die Haltung.

Föttinger, der bereits seinen 18. Spielplan präsentierte und dessen Vertrag noch bis 2026 läuft, betonte, dass er "noch Einiges zu sagen" habe und sich künftig in der Programmierung noch stärker auf die (politischen) Vorgänge der Gegenwart beziehen will. Sorgen würde ihm die seit der Flüchtlingskrise virulente und durch Corona verstärkte gesellschaftliche Spaltung bereiten. Er "verzweifle" an der aktuellen politischen Situation im Land und unterstrich: "Theater muss das Bewusstsein stärken. Dabei muss es sich nicht nur um die Form kümmern, sondern auch um die Inhalte. Theater muss Geschichten erzählen." Nachsatz: "Theater ist im Moment notwendiger denn je." Daher fänden sich im neuen Spielplan "viele politische Stücke".

Zum Auftakt im Herbst stehen Ibsen mit "Die Stützen der Gesellschaft" in der Regie von David Bösch in der Josefstadt (7.9.) und Kleists "Der zerbrochne Krug" in der Regie von Amélie Niermeyer (9.9.) auf dem Programm, womit sich Föttinger den Themen "Machtmissbrauch, Opportunismus und Lüge" widmen will. Die Programmierung der Kammerspiele solle künftig stärker auf "Literatur statt Schwank" fokussieren, so der Hausherr, der dort weiters Stücke von Hochwälder ("Der Himbeerpflücker", 30. 11.) und Tschechow ("Die Möwe", 28. 3. 2024) ankündigte.

"Bis nächsten Freitag" nennt sich das neue Stück Turrinis, das am 16. November Premiere feiert. Als zwei in die Jahre gekommene Freunde, die sich einmal pro Woche in einem Lokal namens "Zur tschechischen Botschaft" treffen, stehen Herbert Föttinger und Erwin Steinhauer in der Regie von Alexander Kubelka auf der Bühne. Den Titel "Es muß geschieden sein" trägt die zweite Uraufführung des 78-jährigen Autors, die in Kooperation mit den Raimundspielen Gutenstein ins Theater in der Josefstadt kommt und 1848 im revolutionären Wien spielt. "Was geschieht, wenn Kunst und Wirklichkeit aufeinanderprallen? Wenn Katastrophen, Kriege, Revolutionen nicht irgendwo, sondern vor den Toren des Theaters stattfinden?", fragt sich Turrini in dem Stück, das Stephanie Mohr mit u.a. Günter Franzmeier, Johanna Mahaffy und Julian Valerio Rehrl am 11. Jänner 2024 zur Uraufführung bringt.

Zu den weiteren Highlights zählen Claus Peymanns Inszenierung von Becketts "Warten auf Godot" (Premiere am 14. 12.) und Thomas Arzts Auftragswerk "Leben und Sterben in Wien" (7. 3.), in dem der 40-Jährige "ein gleichermaßen blutiges wie poetisches Bild der österreichischen Zwischenkriegszeit" zeichnet. Für Föttinger sei die Thematik des Austrofaschismus bisher in der dramatischen Literatur zu wenig behandelt worden, weshalb er sich besonders freue, diese Uraufführung nun - nach einigen coronabedingten Verschiebungen - endlich auf die Bühne bringen zu können. Ein weiterer Stückauftrag für die übernächste Saison sei übrigens an Lisa Wentz (Nestroy-Preis für "Adern" am Akademietheater) gegangen, die "eine spannende Geschichte über Kindesmissbrauch in einer katholischen Schule" erzählen werde.

Den Saisonabschluss bestreitet am 1. Juni 2024 Carlo Goldonis "Trilogie der Sommerfrische", in welcher Giacinta, "eine durch und durch moderne, unabhängige Frau, die ihr Leben selbst in die Hand nimmt", im Zentrum steht (Regie: Janusz Kica). In den Kammerspielen setzt man neben Kleist und Tschechow ("Die Möwe") auch auf Wedekinds "Lulu" in einer Bearbeitung von Elmar Goerden sowie die Erstaufführung von Yasmina Rezas "James Brown trug Lockenwickler" in der bereits dritten Regiearbeit von Sandra Cervik. Darin gibt Juergen Maurer sein Josefstadt-Debüt als Vater, Maria Köstlinger steht ihm als Mutter zur Seite. Die beiden müssen lernen, damit umzugehen, wie sich ihr Kind eine neue Identität zulegt.

Immer wieder betonte Föttinger auch das Gewicht des Ensembles, auf das er stärker denn je baue. In der kommenden Saison wird dieses mit den Nachwuchskünstlern Juliette Larat und Nils Arztmann erweitert. Mit Juergen Maurer und Stefan Jürgens werden zwei prominente Publikumslieblinge ihr Hausdebüt geben.

Der seit fast einem Jahr im Amt befindliche Stiftungsrats- und Aufsichtsratsvorsitzende Thomas Drozda gab am Freitag auch einen Überblick über die finanzielle Situation des Hauses, das mit Ende Mai bei einer personellen Gesamtauslastung von 80,5 Prozent liegt, wobei 75,7 Prozent auf das Haupthaus entfallen und 87,4 auf die Kammerspiele. Das sei "im nationalen und internationalen Vergleich sehr viel, im Vergleich zu früher aber ein Rückgang", so Drozda in Hinblick auf das veränderte Publikumsverhalten seit Corona. Dies zeige sich auch bei den Abonnenten (13.000 Abos), was einem Rückgang gegenüber 18.000 Abos in der Saison 2018/19 bedeutet. Mittlerweile seien fast 58 Prozent der insgesamt 210.000 Besuche sogenannte Freiverkäufe, während rund 42 Prozent über ein Abo verfügen.

Was die Wirtschaftlichkeit des Theaters betrifft, habe man sich durch zahlreiche Maßnahmen wie etwa die Reduktion der Premierenanzahl erholt, in der neuen Saison werden die Kartenpreise sozial gestaffelt steigen, wobei sich die durchschnittliche Erhöhung auf 6,15 Prozent beläuft und die billigeren Kategorien nicht erhöht wird. Seitens der Stadt Wien und des Bundes wurden für die kommende Saison (und darüber hinaus) Subventionserhöhungen beschlossen, wobei die Stadt Wien in der kommenden Saison um 1,6 Mio. Euro auf 9,5 Mio. Euro erhöht und der Bund um 1,2 Mio. auf 9,4 Mio Euro.

Angesichts von 45 Vorstellungsänderungen und 15 abgesagten Vorstellungen bei 535 Veranstaltungen in der laufenden Saison verwies Drozda auf nach wie vor schwierige Bedingungen aufgrund der Pandemie und richtete seinen Dank an das Ensemble, das oft sehr kurzfristig die geplanten Aufführungen "rette": "Danke für das selbstverständliche Einspringen!"

(S E R V I C E - www.josefstadt.org)

ribbon Zusammenfassung
  • Mit elf Neuproduktionen - darunter drei Uraufführungen und eine Erstaufführung - geht das Theater in der Josefstadt in die Saison 2023/24, die Direktor Herbert Föttinger am Freitag vorgestellt hat.
  • Im Zentrum stehe stets die Haltung.
  • Die Programmierung der Kammerspiele solle künftig stärker auf "Literatur statt Schwank" fokussieren, so der Hausherr, der dort weiters Stücke von Hochwälder und Tschechow ankündigte.