Jens Harzer holt Hölderlin in die Höhe des Semmerings
APA: Wie kam es zu Ihrer Auseinandersetzung mit Hölderlin?
Jens Harzer: Ich habe Hölderlin erst als Jugendlicher und dann als junger Erwachsener entdeckt und mich - als Lesender - immer wieder gern mit ihm beschäftigt, vor allem mit den Gedichten. Vor vier, fünf Jahren reifte schließlich die Idee, den "Hyperion" zusammen mit dem wunderbaren "Ensemble Resonanz" in Hamburg zu entwickeln. Mir bedeutet dieser Text viel, weil ich ihn mag, ohne dazu eine Theorie zu haben, warum das so ist. Als ich mich dann entschieden habe, diesen schweren Text zu einer Lesung werden zu lassen, musste diese Zuneigung und meine persönliche Beziehung dazu überprüft werden. Ich habe versucht, den Text so konkret werden zu lassen, dass daraus eine Lesung wird, der die Leute gerne zuhören. Es sollte nicht zu einer kryptischen, schwer zugänglichen Sache werden.
APA: Wie haben Sie das bewerkstelligt? Hölderlin ist mittlerweile zunehmend aus dem Kanon verschwunden, viele Menschen hören den "Hyperion" bei Ihrer Lesung wahrscheinlich zum ersten Mal.
Harzer: Gerade jetzt, wo ich die Lesung allein und ohne die Musiker mache, war es wichtig, meine Fassung nochmal genau zu überprüfen. Es ist ja ein großer Schritt, in die Struktur dieses Textes einzutauchen, um die zu erzählende Geschichte, die da ja hinter Hölderlins lyrischer Sprache steckt, herauszuarbeiten. Am Ende geht es mir darum: Wie kann man die Geschichte eines tastenden, nach seinem Ort in der Welt suchenden Menschen vor allem anhand der Liebesbegegnung fassen, ohne den Roman zu kennen? Die Fassung kann hoffentlich dabei helfen, dieses Verständnis zu bekommen. Ich mache so etwas immer sehr gründlich, es muss aus einer inneren Notwendigkeit kommen. Ich brauche diese innere Anbindung, damit es eine Berechtigung gibt, sich überhaupt hinzusetzen und etwas vorzulesen.
APA: Ihr Name wurde im vergangenen Jahr immer wieder genannt, als es um das neue Ensemble des künftigen Burgtheaterdirektors Stefan Bachmann ging. Schließlich waren Sie - als Gast - in der Titelrolle von "Hamlet" angekündigt, woraus nun nichts geworden ist. Wie ist es dazu gekommen?
Harzer: Dazu gebe ich keinen weiteren Kommentar. Es waren persönliche Gründe.
APA: Ist es denkbar, dass Sie künftig für andere Produktionen ans Burgtheater kommen?
Harzer: Es gab ja in den letzten Jahren mehrfach den Versuch, mich an das Burgtheater zu locken. Irgendwie gab es immer Gründe, warum es dann nicht geklappt hat. Auch wenn ich Wien sehr mag. Nun gab es die Überlegung, eine Art lose Verbindung zu knüpfen, das hat nun leider erstmal nicht geklappt. Mal schauen, was wir in den Bachmann-Jahren vielleicht finden.
APA: Sie wechseln 2025/26 vom Thalia Theater Hamburg ans Berliner Ensemble. Worauf freuen Sie sich da schon besonders?
Harzer: Ich war ja jetzt lange in Hamburg, davor war meine künstlerische Heimat sehr lange bei Dieter Dorn in München. Ich weiß sehr gut, wann Dinge zu Ende sind. Man stellt sich ja an einem Ort irgendwann bewusst in Frage, auch, damit es nicht zu bequem wird. Vor allem, wenn man nicht in eine Künstlerfamilie integriert ist, in der man auf Gedeih und Verderb zusammenhält, so wie das früher für mich an den Münchner Kammerspielen war. Und wie es zum Teil für unsere Arbeit mit Johan Simons am Schauspielhaus Bochum gilt. In diesem Sinne freue ich mich auf Berlin, auf etwas Neues. Mich in manchen Dingen neu zu justieren.
APA: Seit der Coronapandemie haben sich die Programmierungen an vielen Theatern verändert, um das Publikum wieder zurückzubekommen. Wie erleben Sie das als Schauspieler?
Harzer: Ich habe ähnliche Beobachtungen gemacht. Aber wenn es gelingt, die Menschen ins Theater zu bringen, ist das glaube ich unabhängig von all diesen Diskussionen. Theater ist gut, wenn sich Menschen zusammengefunden haben, weil sie es genau so machen wollen und die Relevanz ihrer Arbeit aus einem inneren Punkt ziehen. Nehmen wir die wirklich kluge Schimmelpfennig-Überschreibung des Theben-Stoffs am Deutschen Schauspielhaus in Hamburg. Das ist eine Unternehmung, die nicht per se nach Aktualität schreit, die aber so gut und zwingend ist, weil sie ganz aus sich heraus kommt. So scheint es mir jedenfalls. Und dann kommen auch die Menschen ins Theater. Ein Theater sollte ja immer wieder mal von innen heraus an seine Grenzen kommen. Eine solche Unternehmung wie dieser "Anthropolis"-Marathon legt in einem Theater ja vieles andere lahm. Aber obwohl das dem Betrieb viel Kraft kostet, bekommt es so viel Kraft zurück. Wichtig ist, dass man sich Mühe gibt. Das klingt banal, aber so banal ist es vielleicht gar nicht.
APA: Viele Theater bemühen sich darum, neue Publikumsschichten zu erschließen. Wie bewerten Sie diese Bemühungen?
Harzer: Alle Versuche sind richtig. Niemand sollte sich aus- oder eingegrenzt fühlen, das müsste ja der Versuch sein. Aber genau weiß ich das auch nicht. Ich bin ja kein Intendant oder Kulturpolitiker. Ich kann nur sagen, wie es bei mir als junger Mensch war - ich fing an ins Theater zu gehen einzig durch Vermittlung der Schule und großzügiger Lehrer. Ohne jeglichen familiären oder Bildungshintergrund. So verlor ich ganz natürlich die Berührungsängste. So sollte es sein.
(Das Gespräch führte Sonja Harter/APA)
(S E R V I C E - Jens Harzer liest aus Friedrich Hölderlins "Hyperion", 12. Juli, 15 Uhr, Kulturpavillon Semmering. www.kultursommer-semmering.at)
Zusammenfassung
- Jens Harzer liest am 12. Juli aus Hölderlins 'Hyperion' beim Kultur.Sommer.Semmering.
- Der 52-Jährige hat eine starke persönliche Verbindung zu Hölderlin und entwickelte die Lesung ursprünglich mit dem Ensemble Resonanz in Hamburg.
- Die geplante Zusammenarbeit mit dem Burgtheater ist vorerst gescheitert, Harzer möchte jedoch in Zukunft vielleicht wieder ans Burgtheater kommen.
- Harzer wechselt 2025/26 vom Thalia Theater Hamburg ans Berliner Ensemble und freut sich auf neue Herausforderungen.
- Er betont die Bedeutung von innerer Anbindung und Gründlichkeit bei seiner Arbeit und sieht Theater als eine kollektive Anstrengung, die aus innerer Überzeugung entstehen muss.