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hdgö erzählt Zeitgeschichte im Spiegel des Radios

"Gott schütze Österreich", "Österreich ist frei" oder "Tor, Tor, Tor - i werd' narrisch": Es sind Radiomomente wie diese, die das österreichische Selbstverständnis geprägt haben. Im 101. Jahr des Mediums Radio und zum 80. Jahrestag der Zweiten Republik eröffnet im Haus der Geschichte Österreich (hdgö) am Donnerstagabend auf dem Alma Rosé-Plateau die Sonderausstellung "Es funkt! Österreich zwischen Propaganda und Protest".

"Der Umgang mit Kultur und Medien gibt Aufschluss über die demokratische Verfasstheit einer Gesellschaft", unterstrich hdgö-Direktorin Monika Sommer bei der heutigen Presseführung die Aktualität der Ausstellung, zumal die Punkte Kultur und Medien zum Auftakt der Regierungsverhandlungen zwischen FPÖ und ÖVP angesetzt waren. In der Geschichte des 20. Jahrhunderts habe es stets Wechselwirkungen zwischen Medien und Politik gegeben, erläuterte Co-Kurator Johannes Pötzlberger. Gerade das Radio sei "ein politisches Medium, das Meinungen prägt und Macht verschieben kann", wie es im Begleittext heißt.

Anhand von sechs "Wendepunkten" können sich die Besucher an den Hörstationen nicht nur in prägende historische Momentaufnahmen vertiefen, sondern das damalige Geschehen auch aus unterschiedlichen Blickwinkeln betrachten: So trifft man bei der Station "1938. Propaganda und Gewalt" nicht nur auf eine euphorische NS-Propagandareportage des "Reichssenders Berlin" von der Einfahrt Hitlers auf dem Heldenplatz, sondern bekommt auch eine kritisch-distanzierte US-Reportage zu hören. Die Station befindet sich übrigens direkt vor dem Ausgang zum sogenannten "Hitler-Balkon", wodurch die Tonaufnahmen mit noch mehr Bedeutung aufgeladen werden. Da man "die Propaganda nicht bruchlos auf die Besucher wirken lassen will, weil es doch sehr emotional sein kann", gibt es an der Station auch das Satire-Programm "Der Alois mit dem grünen Hut" der BBC zu hören. Auf der Plakatebene hat man sich für eine karikaturistische Collage von John Heartfield entschieden.

Wie mythenumrankt manche Radiomomente sind, zeigt sich gleich zu Beginn der Ausstellung, in der man sich u.a. Leopold Figls Ausruf "Österreich ist frei!" widmet, den er anlässlich der Unterzeichnung des Staatsvertrags nicht wie kolportiert am Balkon des Belvedere tätigte, sondern im Inneren des Museums sowie später auch am Stephansplatz. Ein weiterer Mythos ist Edi Fingers legendärer Radio-Kommentar beim 3:2 in Cordoba 1978, mit dem seither zahlreiche Fernsehbilder des Spiels unterlegt werden. Tatsächlich fiel der TV-Kommentar von Robert Seeger damals deutlich weniger emotional aus. Das hdgö stellt beide Versionen einander gegenüber.

Podcasts und Kampagnen: Jeder wird zum Sender

Weitere Fokus-Stationen sind etwa das Jahr 1964 mit dem Rundfunkvolksbegehren, das laut den Kuratoren in weiterer Folge zwar zu einer Diversifikation des TV-Programms führte, im Radio jedoch einen Bedeutungsverlust nach sich zog: Das Fernsehen habe ab dieser Zeit politische Debatten geprägt, heißt es im Objekttext. "Obwohl das Radio mehr Menschen erreichte, verlor es an Bedeutung. Auf eine veränderte Gesellschaft und ihre Erwartungen reagierte es eher verzögert oder halbherzig." Das Jahr 1993 brachte schließlich mit dem Ende des Rundfunkmonopols das Aufkommen von Privatradios. Auch das Thema der Piratensender findet hier Gehör, kann man hier doch in Sendungen von "Radio Notwehr" aus dem Jahr 1989 oder von "Radio Widerstand" (1988) eintauchen.

Den Abschluss des Rundgangs bildet schließlich das Jahr 2025, von dem man laut Kurator Stefan Benedik nicht sagen wolle, "dass es ein Wendepunkt wird". Vielmehr wolle man bei dieser Station verdeutlichen, dass sich der Handlungsspielraum heutzutage enorm vergrößert habe, da im Internet mittlerweile "jeder zum Sender" werden könne, sowohl in seriösen Podcasts als auch mit Fake News oder Kampagnen. Unterstrichen wird die neue Vielfalt an der Audio-Station etwa mit Podcast-Beiträgen von oe24.at und derstandard.at zum neuen ORF-Gesetz, der "Tages-Anzeiger"-Podcastfolge "'AUF 1' - ein Sender für Verschwörungserzählungen" oder einer Collage aus mehrsprachigen Sendungstiteln von Radio Orange. Ein ganz besonderes Ausstellungsstück erinnert an H.C. Straches "Zack zack zack"-Sager im "Ibiza-Video", mit dem er die Absetzung unliebsamer Journalisten andeutete: Der Original-USB-Stick mit dem Video ist mittlerweile in der hdgö-Sammlung zuhause - aus "Datenschutzgründen" jedoch mit einem Bohrloch in der Mitte.

Ausstellung auch online zu erleben

Apropos selbst zum Sender werden: Im Zentrum der Ausstellung findet sich die Station "Auf den Punkt gebracht", in der Besucher die Möglichkeit haben, sich zu aktuellen Themen zu äußern und ihren Audio-Kommentar direkt in der Ausstellung zu hinterlassen. Wer sich weiter in die zahlreichen Audio-Beispiele vertiefen möchte, kann bei jeder Station auch ein Heft zur Hand nehmen, das nicht nur Transkriptionen bietet, sondern das Gehörte in einen Kontext stellt. Für eine "Hohe Verweilqualität" (Pötzlberger) sollen die Sitzmöbel an den Hörstationen sorgen. Und wer später noch einmal reinhören will, findet schließlich einen großen Teil der Ausstellung im Internet, um in dieses "akustische Gedächtnis der Zeitgeschichte" einzutauchen.

(S E R V I C E - "Es funkt! Österreich zwischen Propaganda und Protest" im hdgö, 31. Jänner 2025 bis 6. Jänner 2026. www.hdgoe.at)

ribbon Zusammenfassung
  • Im Haus der Geschichte Österreich (hdgö) wird eine Ausstellung eröffnet, die die Bedeutung des Radios in der österreichischen Geschichte beleuchtet.
  • Die Ausstellung zeigt sechs historische Wendepunkte, darunter die NS-Propaganda 1938, die Besucher an Hörstationen erleben können.
  • Das Radio wird als politisches Medium dargestellt, das Meinungen prägt und Macht verschieben kann.
  • Ein Highlight ist die Gegenüberstellung von emotionalen und sachlichen Kommentaren historischer Ereignisse.
  • Die Ausstellung ist auch online verfügbar und ermöglicht es Besuchern, ihre eigenen Kommentare zu hinterlassen.