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Katalanen-Führer Puigdemont will Minderheitsregierung bilden

Der frühere katalanische Regionalpräsident Carles Puigdemont will an die Spitze einer Minderheitsregierung in Barcelona: Der 61-Jährige kündigte am Montag im südfranzösischen Argelès-sur-Mer seine Kandidatur an. Er will demnach eine Minderheitsregierung der Unabhängigkeitsbefürworter in der Region bilden. Bei der Regionalwahl am Sonntag in Katalonien hatten die bisher regierenden drei Parteien der Unabhängigkeitsbefürworter ihre Mehrheit verloren.

Stärkste Kraft wurden die Sozialisten, die auch in Spanien landesweit regieren. Die Partei von Puigdemont, Junts per Catalunya (Zusammen für Katalonien), konnte zulegen und kam auf den zweiten Platz.

Puigdemont sagte, er habe bereits Kontakt aufgenommen zur Republikanischen Linken Kataloniens (ERC), der anderen großen Unabhängigkeitspartei, die bei der Wahl allerdings mit 20 Sitzen deutliche Verluste hinnehmen musste. Die dritte Partei aus dem Lager der Unabhängigkeitsbefürworter, die linksgerichtete CUP, schnitt mit vier Sitzen ebenfalls schlechter ab als bei der vorigen Abstimmung im Februar 2021.

Die drei bisher regierenden Parteien der Unabhängigkeitsbefürworter erreichten dem vorläufigen Endergebnis zufolge 59 Sitze, die Mehrheit liegt bei 68. Doch auch die siegreichen Sozialisten des spanischen Regierungschefs Pedro Sánchez erzielten allein keine Mehrheit im Regionalparlament; sie kamen auf 42 der insgesamt 135 zu vergebenden Sitze und müssen ebenfalls nach Koalitionspartnern suchen.

"Ich übernehme die Verantwortung, diese neue Etappe zu führen", reklamierte der sozialistische Spitzenkandidat Salvador Illa am Wahlabend. Gemeint ist die Abkehr vom Separatismus. "Der Triumph Illas beerdigt den "Procés"" (die jahrelange Trennungsoffensive der Separatisten), titelte die renommierte Zeitung "El País" am Montag.

Illa hatte bereits bei den vorangegangenen Regionalwahlen im Februar 2021 die meisten Stimmen bekommen. Jedoch wurde er nicht Regionalpräsident, weil Junts per Catalunya, ERC und CUP eine Koalition bildeten. Mit 74 Sitzen kamen sie damals noch auf eine Mehrheit.

Die Sozialisten könnten nun wie Puigdemont um die Gunst der ERC werben. Die Partei des nun nur noch geschäftsführenden Regionalregierungschefs Pere Aragonès stürzte auf den dritten Platz hinter Junts ab. Sichtlich enttäuscht kündigte Aragonès am Wahlabend den Gang in die Opposition an. Ob ihm seine Partei dahin folgt, war unklar. Die Sozialisten riefen die ERC auf, eine Wahl Illas zum Regierungschef nicht zu blockieren.

Am Montag zog Aragonès auch persönlich Konsequenzen und verzichtete auf seinen Parlamentssitz. Er scheide aus der "vordersten Linie" der Politik aus, sagte er. Die Verhandlungen über eine Regierungsbildung dürften langwierig werden und wenn sie scheitern, könnte es eine weitere Neuwahl geben.

Puigdemont hingegen sagte am Montag, er habe bessere Chancen als Illa, eine Regierung zu bilden. "Wir können eine kohärente Mehrheit zusammenstellen", betonte der frühere Regionalpräsident. Er verwies darauf, dass im zweiten Wahlgang im Parlament eine relative Mehrheit ausreiche.

Eine Minderheitsregierung Puigdemont müsste allerdings von den siegreichen Sozialisten toleriert werden. Kommentatoren im spanischen Fernsehen bezeichneten diesen Vorschlag als eher sehr illusorisch und die Sozialisten schlossen das aus.

Zu seiner Ankündigung aus dem Wahlkampf, die aktive Politik zu verlassen, wenn er nicht wieder "President" in Barcelona werde, äußerte sich Puigdemont nach dem Wahldebakel der Separatisten zunächst nicht. Die Sozialisten müssen mit dem bisweilen als unberechenbar geltenden 61-Jährigen jedoch vorsichtig umgehen, denn wenn er sich in Katalonien übergangen fühlen sollte, könnte er zum Dank die Regierung Sánchez im Parlament in Madrid lahmlegen.

Die Unabhängigkeitsparteien hatten seit rund einem Jahrzehnt in der wirtschaftlich starken, nordspanischen Region regiert und das Land mit ihren Abspaltungsbemühungen 2017 in die schwerste politische Krise seit dem Ende der Franco-Diktatur in den 1970er Jahren gestürzt. Der damalige Regionalpräsident Puigdemont, gegen den in Spanien immer noch ein Haftbefehl wegen seiner Unabhängigkeitsbestrebungen vorliegt und der deshalb von Südfrankreich aus Wahlkampf machen musste, hatte bei der Wahl auf eine Rückkehr an die Macht gehofft.

Deutliche Zuwächse verzeichnete die konservative Volkspartei (PP), die im Vergleich zu 2021 zwölf Sitze hinzugewann und auf 15 Mandate kam. Die rechtsextreme Partei Vox sicherte sich erneut elf Sitze. PP und Vox sind entschiedene Gegner der Bestrebungen nach einer Abspaltung Kataloniens.

ribbon Zusammenfassung
  • Die Sozialisten wurden mit 42 Sitzen zur stärksten Kraft im katalanischen Parlament, können aber ebenfalls keine Mehrheit bilden und sind auf die Suche nach Koalitionspartnern angewiesen.
  • Die politische Zukunft Kataloniens bleibt ungewiss, da sowohl Puigdemont als auch der sozialistische Spitzenkandidat Salvador Illa Schwierigkeiten haben, eine stabile Regierung zu bilden, was möglicherweise zu weiteren Neuwahlen führen könnte.