Grazer "La Strada" mit Akrobatikzauber eröffnet
"Un, dos, tres" ertönt es aus dem Durcheinander der gleichzeitig zu hörenden Stimmen, während die 24 Künstlerinnen und Künstler über die Bühne schweifen. Bei "dos" springt die Hälfte der Artisten auf die Schultern der anderen, sodass sich Menschentürme bilden, die sich auf der Bühne kreuzen. Das gleiche Spiel noch einmal bei "tres", mit menschlichen Türmen aus drei Personen, begleitet von einem einzigartigen Zusammenspiel aus Licht und Schatten. Als der Chor zum "quatre" ansetzt, plötzliche Finsternis.
Es folgt ein wildes Durcheinander, dann wieder Stille. Gebannt starrt das Publikum auf die Bühne, mit der Frage, was wohl als Nächstes passieren wird. Mit außergewöhnlich komplexen Figuren verschmelzen die 24 Artistinnen und Artisten zu einem großen Ganzen: Menschentürme, die sich aufbauen und wieder in sich zusammenfallen, eine menschliche Treppe ins Nichts und Menschenbäume, an denen sich eine Artistin wie auf Lianen über die Bühne schwingt, bieten Akrobatik auf Höchstniveau.
Musikalisch mit Chorgesang umrahmt, ergänzt von wohldosiertem Lichtspiel, verändert sich die Atmosphäre von düster-aufwühlend bis dynamisch-mitreißend. Man spürt: Der Name ist Programm, es pulsiert. Mal geht alles sehr schnell und durcheinander, mehrere Akrobaten wirbeln gleichzeitig durch die Luft. Im nächsten Moment erscheint alles plötzlich gemächlich, wenn die gesamte Artistengruppe in perfekt inszenierter Zeitlupe synchron über den Boden rollt. Menschliche Seile schwingen über die Bühne - die Erinnerungen an das Kindersingspiel "Müller Müller Sackerl" werden wieder lebendig.
Präzision ist gefragt, ein einziges Mal wird während der Darbietung merkbar nachjustiert. Dass "The Pulse" international mehrfach ausgezeichnet wurde, überrascht nicht. Auf ihrer Website schreibt die Artistengruppe, dass sie das Genre des Zirkusses durch "akrobatische Virtuosität" herausfordern will und sich ihre Arbeit durch "Humor" und "körperliches Können" auszeichnet. Wohl wahr, damit versprechen sie dem Publikum nicht zu viel. Neben der akrobatischen Meisterleistung sorgen die Künstler auch für ein paar Lacher zwischendurch, als ein Artist auf seinen am Boden liegenden Kameraden herumhüpft und sie als menschliche Hupen mit unterschiedlichen Tonlagen gebraucht.
So ganz nebenbei gestalten sie dann auch noch das Bühnenbild selbst, als sie während der Darbietung zunächst Seile durch den gesamten Raum spannen, die dann während der Aufführung als "Laserstrahlen" dienen und eine gewisse Nähe zum Publikum herstellen.
"Gravity & Other Myths" schaffen es mit ihrem Programm, die Illusion zu erzeugen, als könnten die Künstlerinnen und Künstler die Schwerkraft während ihrer Aufführung tatsächlich aushebeln. Nach rund 70 Minuten ist das Spektakel auch schon vorbei, zum Auftakt des Festivals gab es Standing Ovations und eine spontan wirkende Zugabe durch den Chor im Foyer der Oper. Fazit: eine akrobatische Meisterleistung, untermalt von Chorgesang und feinem Lichtspiel, dessen Atmosphäre auch nach Ende der Aufführung nachhallt.
(S E R V I C E - "The Pulse" noch einmal am 31. Juli und 1. August um 19.30 Uhr in der Oper Graz. Straßentheaterfestival "La Strada" noch bis 5. August. www.lastrada.at/)
Zusammenfassung
- Rollen, Räder, Salti und alles, was die Welt der Akrobatik so hergibt, sind am Freitagabend bei der Eröffnung vom Straßenkunstfestival "La Strada" zu sehen gewesen.
- Die australische Akrobatikgruppe "Gravity html5-dom-document-internal-entity1-amp-end Other Myths" trat mit dem 36-köpfigen katalanischen Chor "Cor de Noies de l'Orfeó Català" mit ihrem gemeinsamen Programm "The Pulse" in der Grazer Oper auf.