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Für Interimschefin braucht Brucknerhaus "Paradigmenwechsel"

Das in die Krise gestürzte Brucknerhaus brauche einen "Paradigmenwechsel", indem es sich an den Menschen in Linz orientiere. Dazu gehöre "Beziehungspflege" mit der bestehenden Kundschaft. Was dem Posthof gelungen sei, müsse sich das Konzerthaus erarbeiten: "Credibility", so die künstlerische LIVA-Interimsleiterin Johanna Möslinger zur APA. Wichtig sei, den Namen Brucknerhaus mit dem der Intendanz gleichsetzen zu können. Schlüssel dafür sei "Anwesenheit".

Vor drei Monaten, Mitte November, wurde die erfahrene Konzertmanagerin Johanna Möslinger künstlerische Interimsleiterin der LIVA. Die Linzer Veranstaltungsgesellschaft stand seit der Entlassung des Intendanten Dietmar Kerschbaum wegen der Brucknerhaus-Affäre rund um dessen offenbar geschobene Bestellung und den Verdacht von Compliance-Verstößen Monate ohne Führung da.

Die 50-Jährige sieht sich durchaus "ein bisschen als Troubleshooter" mit ihren "zwei Eigenschaften, die für Linz "ganz, ganz wichtig waren": Sie setzte sich "viel in der Vergangenheit mit dem Thema Organisationsentwicklung auseinander" und besitze "eine unglaubliche Leidenschaft für die künstlerische Planung". Nach drei Monaten Betriebsanalyse hat sie ein "relativ klares Bild", wie es mit Brucknerhaus und den anderen Institutionen wie Posthof, dem Kinderkulturzentrum Kuddelmuddel, der TipsArena sowie den Sportparks weitergehen soll. "Es geht darum, die LIVA wirklich als Gesamtes zu begreifen, als eine Dachorganisation, die wiederum für ihre eigenen Einheiten als Dienstleister auftritt", will sie vor allem Synergien nutzen.

Bei den einzelnen Häusern zeige der Posthof, wie es funktioniere: Jene Zeitkultur am Hafen-Location habe "veranstalterisch sehr, sehr vieles richtig gemacht". So schuf man die "Marke Posthof mit hoher Glaubwürdigkeit". Diese "Credibility", sprich dass "Menschen einfach wissen, sie können sich darauf verlassen, wenn sie dorthin gehen, wird etwas Gutes geboten", brauche auch das Brucknerhaus. Erster Schritt dorthin sei Kooperation: Regelmäßig soll der Posthof das Brucknerhaus als Veranstaltungsort nutzen. "Wir wollen das offensiv kommunizieren und damit auch die Chance nutzen", untypisches Publikum für das Konzerthaus "so gut wie möglich zu servicieren, mitzunehmen, es vielleicht zu informieren über die weiteren Angebote, einfach hier in einen Austausch zu gehen", lauten Ansätze von Möslinger, die zehn Jahre Vorständin der Wiener Konzerthausgesellschaft war.

Präzisierung der Abonnements

Gleichzeitig sei es "ganz wichtig", dass das Brucknerhaus Beziehungspflege mit den schon bestehenden Kundinnen und Kunden betreibe, indem "wir viel unmittelbarer, direkter kommunizieren". Zu diesem "dialogischen Prozess" gehöre auch, künftig Programmgruppen und Abonnements "viel präziser zusammenzufassen" und/oder "neu zu gruppieren". Dies könne nur gelingen, wenn ein "Paradigmenwechsel" stattfinde. Das Konzerthaus müsse sich an "den Menschen in dieser Stadt" orientieren. "Ich bin jemand, der total getrieben ist von der Frage der Legitimation einer Kulturorganisation oder -Institution, die ja auch öffentliche Mittel bekommt. Für mich kann die Legitimation nur darin liegen, möglichst viel Relevanz für die Menschen dieser Stadt zu entwickeln. Ich habe so das Gefühl, es gibt auch eine Sehnsucht der Menschen hier, ein gut funktionierendes Konzerthaus zu haben."

Und noch ein weiteres Verlangen spüre sie, wenn sie bei den Konzerten ins Publikum hineinhöre: Es solle eine Identifikationsperson geben, sie strebe an, "sozusagen das Brucknerhaus in eine Person zu verwandeln". "Auch die Mitarbeiter müssen jemanden haben, an den sie sich wenden können, eine Person, die Entscheidungen trifft". Anwesenheit sei der Schlüssel, sozusagen der "Ausgangspunkt" für den Erfolg eines Hauses, "ohne das geht es nicht", nimmt sie Bezug auf die vielen Abwesenheiten künstlerischer Leiter des Brucknerhauses der letzten Jahrzehnte.

Starkes Führungsteam nötig

Die gebürtige Innviertlerin, die inzwischen auch in Linz eine Wohnung hat, hat sich inzwischen für die Geschäftsführung der LIVA beworben, ob für die künstlerische oder die kaufmännische - beide Stellen sind ausgeschrieben - ließ sie offen. Sie sieht den "Bewerbungsprozess eigentlich wie einen Wettbewerb der besten Ideen oder der besten Konzepte. Es gibt für eine Organisation wie die LIVA oder auch das Brucknerhaus unterschiedliche Herangehensweisen. Und ich habe natürlich meine eigene Idee in der Zwischenzeit entwickelt, und die habe ich eingereicht, wir werden sehen." Klar sei für sie jedenfalls, dass es zwei starke Geschäftsführerinnen oder Geschäftsführer brauche, "die einfach ganz, ganz eng zusammenarbeiten, die als Team arbeiten, als Team agieren".

(Das Gespräch führte Kerstin Scheller/APA)

(Zur Person: Johanna Möslinger, Jahrgang 1974, ist in Ried im Innkreis geboren und aufgewachsen. An der TU Wien studierte sie Raumplanung, danach Bratsche. Nach unterschiedlichen Stationen, darunter beim Brucknerorchester Linz, hat sie von 2003 bis 2013 in Luxemburg mit Matthias Naske das neue Konzerthaus, die Philharmonie Luxemburg, aufgebaut. Nach einem Sabbatical bei Franz Welser-Möst in Cleveland war sie ab 2014 bis Frühjahr 2024 im Management der Wiener Konzerthausgesellschaft tätig. 2020 begann sie den Bauernhof ihres Vaters in Wippenham im Innviertel zu revitalisieren. In Wien eröffnete sie im November 2023 die Bäckerei mit Restaurant "Ährlich", die mit Getreide vom eigenen Hof oder der Nachbarschaft versorgt wird. Seit Mitte November 2024 führt die 50-Jährige interimistisch die LIVA mit Brucknerhaus, Posthof, Kinderkulturzentrum Kuddelmuddel, TipsArena sowie den Sportparks Auwiesen, Lissfeld und Pichling.)

Zusammenfassung
  • Das Brucknerhaus in Linz benötigt laut der künstlerischen Interimsleiterin Johanna Möslinger einen Paradigmenwechsel, um sich stärker an den Menschen in der Stadt zu orientieren.
  • Seit Mitte November ist Johanna Möslinger, eine erfahrene Konzertmanagerin, als Interimsleiterin der LIVA tätig, nachdem der vorherige Intendant wegen Compliance-Verstößen entlassen wurde.
  • Der Posthof wird als Vorbild für das Brucknerhaus genannt, da er durch Glaubwürdigkeit und erfolgreiche Veranstaltungsstrategien überzeugt.
  • Es wird eine engere Kooperation zwischen dem Posthof und dem Brucknerhaus angestrebt, um neue Zielgruppen zu erreichen und bestehende Kundenbeziehungen zu pflegen.
  • Johanna Möslinger strebt eine der ausgeschriebenen Geschäftsführerpositionen der LIVA an und betont die Notwendigkeit eines starken Führungsteams.