"Freischreiber:innen" feiern trotz widriger Bedingungen
Bettel ist schon lange im Geschäft. Derzeit fertigt sie etwa Radiobeiträge für Ö1 an und schreibt für das von ihr mit Kollegen betriebene Onlinemagazin "Flussreporter". Sie war es auch, die mit anderen gemeinsam die Idee entwickelte, sich aufgrund harter Bedingungen für freie Journalistinnen und Journalisten zu vernetzen. 2014 entstand der Verein "Freischreiber:innen" nach Vorbild der "Freischreiber" in Deutschland. Seitdem werden Stammtische, Diskussionen, Netzwerkveranstaltungen und Co. veranstaltet. Und es wird für die schwer zu beziffernde Zahl an "Freien" im Land - jedenfalls mehrere Hundert - lobbyiert.
Derzeit weist der Verein rund 50 Mitglieder auf. Allein heuer sind 15 hinzugekommen, viele davon jüngeren Alters. "Viele, die in den freien Journalismus einsteigen, suchen erst mal ein Netzwerk, durch das sie Infos kriegen. Wir waren heuer aber auch wegen unseres Jubiläums besonders aktiv", erklärt sich Mittermüller, der wenige Jahre nach Gründung der "Freischreiber:innen" beim Verein andockte und nun den Vorsitz inne hat, den deutlichen Zuwachs.
"Wir sind nicht die, die übrig geblieben sind. Wir sind keine armen Hascherl, die keine Anstellung bekommen haben", stellt Bettel klar. Viele im Verein würden aus Überzeugung als freie Journalisten arbeiten, weil sich so auf ein Thema spezialisieren und die Arbeit freier einteilen lässt und verschiedene Medien bedient werden können. Dennoch gebe es sicherlich auch Personen, die einfach noch keine Anstellung gefunden haben und sich bis dahin selbstständig durchschlagen, so Bettel.
Dabei ist es gegenwärtig alles andere als einfach, im Journalismus Fuß zu fassen. Zahlreiche Medienhäuser bauten in den vergangenen Jahren Stellen ab. Es wird gespart. Wie wirkt sich das auf die freie Journalistenszene aus? Es sei schwer, einen Trend auszumachen, da sich die einzelnen Bereiche, in denen freie Journalisten arbeiten, sehr unterscheiden, meint Mittermüller. Er selbst habe den Eindruck, dass die Anzahl der Aufträge in Zeiten personell ausgedünnter Redaktionen zulege. Um diese zu erhalten, müsse man aber gut vernetzt sein. Bettel hat es anders erlebt. Sie ist damit konfrontiert, dass von manchen langjährigen Kunden nur mehr spärlich oder gar keine Aufträge kommen. "Woran das liegt, weiß ich nicht", sagt sie.
Handelt es sich um ein durch und durch prekäres Betätigungsfeld? "Ich kenne niemanden, der entspannt davon leben kann. Die Bezahlung ist trotz aller Bemühungen immer noch wirklich grottenschlecht. Sie entspricht überhaupt nicht der Leistung, die man erbringt", konstatiert die freie Journalistin. Im Verein gebe es Fluktuation, weil sich manche die Tätigkeit als freie Journalistin oder freier Journalist schlichtweg nicht mehr leisten können. "Wenn man Journalistin oder Journalist mit jeder Faser ist, dann bleibt man dabei und wurschtelt sich durch", sagt Bettel. "Damit man überleben kann, muss man sich unternehmerisch aufstellen. Viele machen zusätzlich Moderationen, Podcasts, bedienen unterschiedliche Medienformate. Von der reinen journalistischen Tätigkeit kann man auf lange Sicht nicht überleben", bestätigt Mittermüller - und das obwohl Freie einen wertvollen Beitrag zum Erhalt von Meinungsvielfalt und Qualität leisten würden.
Großes Problem sei, dass in den meisten Fällen auf Basis von Text- bzw. Beitragslänge und nicht nach tatsächlichem Aufwand bezahlt werde. "Das ist völlig absurd", meint der "Freischreiber:innen"-Vorsitzende. Erschwerend komme hinzu, dass der im Journalismus-Kollektivvertrag als Ergänzung festgehaltene Tarif für ständig freie Mitarbeiter "viel zu niedrig" sei. "Damit drängt man freie Journalistinnen und Journalisten in die Armutsfalle und in die Selbstausbeutung", so Mittermüller. Mit dem niedrig angesetzten Lohn verschlechtere sich zudem die Verhandlungsbasis für angemessene Bezahlung, da mehrere Medienhäuser argumentieren, ohnehin (leicht) über dem festgeschriebenen Tarif zu entlohnen.
Ginge es nach Bettel, sollte die faire Behandlung von freien Mitarbeitern ein Kriterium für öffentliche Förderungen wie die Presse- oder Qualitätsjournalismusförderung sein. "Und hier geht es nicht nur ums Geld, sondern etwa auch darum, ob Rücksprache gehalten wird, wenn mein Text geändert wird", sagt die freie Journalistin. Auch Mittermüller stört, dass häufig unklar sei, was mit seinen Artikeln passiere und er zumeist sämtliche Rechte an den Verlag bzw. das Medienhaus abtreten müsse.
Der Verein fordert klare und transparente Regelungen zur Zweitverwertung und langfristigen Nutzung von Beiträgen durch Medienhäuser. Auch Zugang zu Rechtsbeistand und sozialer Absicherung, eine Ansprechperson für Freie in jeder Redaktion und Unterstützung durch eine Ombudsstelle, die bei rechtlichen Konflikten als Vermittlerin zwischen Freien und Auftraggebern unterstützt, finden sich im Forderungskatalog der "Freischreiber:innen".
Alles in allem habe man mit dem Verein "Freischreiber:innen" im vergangenen Jahrzehnt viel erreicht. Doch: "Wir sind noch nicht stark genug", sieht Bettel noch Luft nach oben. Positiv sei, dass sich auch abseits der "Freischreiber:innen" etwas in der Branche rege. So wurde erst heuer von sechs freien Journalistinnen und Journalisten das "FYI"-Kollektiv gegründet. Im Mission Statement heißt es: "Anstatt gegeneinander zu arbeiten, in ständiger Konkurrenz zueinander zu stehen und Honorar-Limbos hinzulegen, haben wir entschieden, uns zusammenzuschließen." In diese Richtung solle es weitergehen, meint Bettel. Aber zuerst wird einmal gefeiert. "Wir sind schon in Stimmung."
(S E R V I C E - www.freischreiber.at)
Zusammenfassung
- Der Verein 'Freischreiber:innen' feiert in Wien sein zehnjähriges Bestehen und setzt sich für die Interessen freier Journalist:innen ein.
- Mit etwa 50 Mitgliedern, von denen 15 allein in diesem Jahr hinzugekommen sind, verzeichnet der Verein ein erfreuliches Wachstum.
- Die finanzielle Situation freier Journalist:innen ist prekär, da die Bezahlung oft 'grottenschlecht' ist und sich viele die Tätigkeit nicht leisten können.
- Der Verein fordert faire Bezahlung, klare Regelungen zur Zweitverwertung von Beiträgen und besseren Zugang zu Rechtsbeistand.
- Der im Journalismus-Kollektivvertrag festgelegte Tarif für ständig freie Mitarbeiter wird als viel zu niedrig kritisiert, was die Verhandlungsbasis verschlechtert.