Evi Romen sieht Angst als "guten Motor für kreative Energie"
APA: Für Ihr Regiedebüt "Hochwald" haben Sie das Drehbuch selbst geschrieben, beim neuen "Tatort" "Was ist das für eine Welt" nicht. Was muss ein fremdes Drehbuch mitbringen, dass Sie sagen: Ja, das inszeniere ich gerne?
Evi Romen: Mich interessieren gesellschaftskritische Themen, wie man vielleicht auch an "Hochwald" erkennen kann. Dieses "Tatort"-Buch hat das mitgebracht. Es geht weniger um Mord und Totschlag, sondern darum, die alte und neue Arbeitswelt mit all ihren Nöten gegenüberzustellen. Sie sind unterschiedlich, laufen aber auf das gleiche hinaus: pure Existenzangst. Auch gab es in diesem Buch die spannende Aufgabe, eine absolute Randfigur, die junge Kommissarin (Anm.: Meret Schande gespielt von Christina Scherrer), die bis dato nur kleine Aufträge erfüllt hat, zur Hauptfigur zu machen. Das hat mich interessiert, auch wenn ich etwas Angst davor hatte. Aber Angst ist ein guter Motor für kreative Energie.
APA: Mich hat es auch überrascht, dass Kommissarin Schande das alteingesessene Ermittlerduo mit ihren Methoden phasenweise alt aussehen lässt. Deutet das auf einen Generationenwechsel beim Austro-"Tatort" hin?
Romen: Ich denke, das Team Neuhauser/Krassnitzer wird schon noch eine Weile erhalten bleiben. Dennoch ist es gut, ein bisschen frischen Wind hineinzubekommen.
APA: Thema des "Tatorts" ist u.a. die Optimierung von Abläufen, die auch nicht vor dem Selbst Halt macht. Wie stehen sie zur Tendenz, alles optimieren zu wollen?
Romen: Ich habe das Gefühl, man hat einen unglaublichen Druck, sich ständig selbst zu optimieren. Das macht mir etwas zu schaffen. Ich bin eine eher freigeistige, vielleicht manchmal auch faule Person. Ich verschwende sehr viel Zeit damit zu überlegen, wie ich etwas optimieren könnte, ohne es dann auch zu tun. Thema des "Tatorts" ist auch, dass es manchen leichter fällt, sich optimal darzustellen, während andere sehr hart an sich und ihren Masken arbeiten müssen.
APA: In Ihrem "Tatort" wird thematisiert, dass viele Tätigkeiten durch den Fortschritt der Technik wegfallen. Denken Sie, dass Künstliche Intelligenz, die derzeit dank ChatGPT auch wieder in aller Munde ist, Auswirkungen auf die Filmbranche haben wird? Werden in Zukunft etwa Drehbücher von künstlicher Intelligenz verfasst?
Romen: Ja, das denke ich. Ich bin mir auch nicht sicher, ob es nicht da oder dort schon passiert (lacht). Ich habe etwas Angst davor, weil ich das Gefühl habe, die Grenze zwischen Mensch und Computer verschwimmt zusehends. Künstliche Intelligenz hat aber auch eine gewisse Faszination. Es ist, wie wenn man einen neuen Partner kennenlernt. Ich habe bereits in der Arbeit mit einem jungen Filmemacher, den ich dramaturgisch begleite, Erfahrung mit KI gemacht. Sein Drehbuch hat er mithilfe einer künstlichen Intelligenz bebildern lassen. Ich war sehr fasziniert, wie toll und wunderschön das war. An manchen Stellen war es aber so gut, dass ein wesentlicher Faktor verloren gegangen ist: der menschliche Zufall. Irgendwann wird wahrscheinlich das optimale Drehbuch von einer KI geschrieben. Aber warum nicht. Vielleicht müssen wir uns auf neue Partner einstellen.
APA: Sie waren lange Zeit gemeinsam mit Monika Willi, die nun für einen Oscar nominiert ist, wohl die erfolgreichste Cutterin des heimischen Kinos. Ist Ihre Karriere als Editorin für Sie nun endgültig vorbei oder planen Sie zwischen den Professionen zu wechseln?
Romen: Ich schneide wahnsinnig gerne. Aber ich habe mich gefragt, was man sonst noch so im Leben ausprobieren könnte. Ich habe meine Karriere nicht als Editorin gestartet, sondern bin klassisch auf die Filmakademie gegangen, um Filmemacherin zu werden. Dann hat mich der Schnitt so sehr fasziniert, dass ich hängen geblieben bin. Er geht mir sehr ab. Aber ich glaube, es ist nicht gut, wenn man sich neu in einer Sparte etabliert, den Fuß noch in der anderen zu halten. Das macht man nur, wenn man das Gefühl hat, dass es nicht klappen könnte. Ich hoffe, die Tür ist noch offen, falls ich zurückgehen möchte, aber eigentlich will ich bei der Regie bleiben.
APA: Jetzt wo Willi für einen Oscar nominiert ist, stellen sich viele die Frage, was denn eigentlich einen guten Schnitt ausmacht. Was meinen Sie?
Romen: Der Schnitt ist die einzige moderne Kunstform im Filmschaffen. Regie gibt es im Theater, die Ausstattung ist Bühnenbild. Ein Editor bringt in erster Linie den Film zum Atmen. Einen guten Schnitt merkt man im besten Fall nicht mehr. Wichtig ist eine gute Dialogbereitschaft mit der Regie, man muss Wünsche erkennen und auch die Fähigkeit eines Trüffelschweins haben, um sich durchs Material zu schnüffeln und die Schätze zu finden (lacht). Auch eine Erzählbegabung und Musikalität ist hilfreich. Man kann den Schnitt aber schwer im Nachhinein beurteilen. Die Schnitt-Preise, die ich bekommen habe, gab es für Filme, die leicht zu schneiden waren. Jene, wo es schwer war, und man selbst stolz drauf war, was man mit dem Schnitt alles geschafft hat, bleiben oft unbeachtet.
APA: Haben Sie jemals damit geliebäugelt, Ihre eigenen Filme auch zu schneiden?
Romen: Um Gottes willen! Ich war doch nicht 30 Jahre Editorin, um nicht zu wissen, was dieser Beruf für Möglichkeiten eröffnet - vor allem für die Regie. Diesen Sparringpartner würde ich auf keinen Fall mit mir selbst besetzen.
APA: Sie haben schon gesagt, Sie wollen weiterhin als Regisseurin tätig sein. Haben Sie schon konkrete Projekte, an denen Sie arbeiten?
Romen: Ich bin für einen Kinofilm namens "Happyland" in der Finanzierungsphase. Ich hoffe, er wird noch 2023 verwirklicht.
(Das Gespräch führte Lukas Wodicka/APA)
Zusammenfassung
- Evi Romen kann auf eine lange, erfolgreiche Karriere als Editorin verweisen.
- Und dennoch sattelte sie vor ein paar Jahren auf Regie um.
- Nach ihrem prämierten Spielfilmdebüt "Hochwald" verantwortet sie nun den Austro-"Tatort" "Was ist das für eine Welt".
- Im APA-Interview spricht sie über Angst als Motor für kreative Energie, den Einfluss Künstlicher Intelligenz auf die Filmbranche und warum sie niemals ihre eigenen Filme schneiden würde.