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"Ein anderes Leben": Caroline Peters legt Debütroman vor

Eine Frau heiratet nacheinander ihre drei Jugendfreunde und bekommt von jedem eine Tochter, gleichzeitig ist ihr aber die russische Literatur wichtiger als die Familie. Die Beerdigung des Vaters bringt die jüngste Tochter dazu, auf das Leben der längst gestorbenen Mutter und die eigene Kindheit zurückzublicken. Doch die Erinnerungen werden zur heiklen Angelegenheit, weil jeder sich anders erinnert. Das ist die Konstellation in Caroline Peters' Debütroman "Ein anderes Leben".

Peters, die in "Egal" von Marius von Mayenburg (Premiere am 15. Februar 2025) als fixes Ensemblemitglied ans Burgtheater zurückkehrt und zuletzt in zahlreichen Kino- und Fernsehproduktionen zu sehen war, hat kein Familienidyll beschrieben. In ihrem Roman, den sie am 4. November im Akademietheater vorstellt, geht es darum, seinen eigenen Weg zu finden, sich aber auch zu behaupten gegen die eine übergroße Figur im eigenen Leben. In diesem Fall ist es die Mutter Hanna, die mit großer Energie und Hingabe, doch auch zunehmend verloren, zwischen Bürgerlichkeit und Boheme mäanderte.

Zum Beispiel: Den Sonntagmorgen verbringt sie mit Werken Puschkins und einem Sekt, den sie aus einer hauchdünnen Porzellantasse trinkt, im Bett, zusammen mit ihrer Jüngsten. Doch als sie ein Wort findet, das möglicherweise nicht gut übersetzt worden ist, vergisst sie die Zweisamkeit, umgibt sich mit Wörterbüchern und Zetteln und sucht eine Lösung. Aus Nachmittagen beim Konfirmandenunterricht wiederum macht Hanna eine Show und legt einen großen Auftritt hin, steht wie so oft im Mittelpunkt - zum Entsetzen ihrer jüngsten Tochter, die rasende Wut verspürt. Und in der Universitätsbibliothek, wo sie arbeitet, flirtet sie mit Studenten - unter den Augen der Tochter.

Gleichzeitig aber wollen Hanna und ihr dritter Mann Bow, der Vater der jüngsten Tochter, in der Nachbarschaft nicht nur dazugehören, sondern auch glänzen: So kleidet sie sich wie alle Nachbarinnen cremefarben, verteilt Kuchen und Lachskanapee und versucht, Besucher zu beeindrucken. Die Folge der Verstellung: Depressionen. Schließlich verlässt sie die Familie.

Die Autorin weiß, was sie tut. Mittendrin fällt ein Satz, der ihr Erstlingswerk recht genau beschreibt: "Es ist schwer, die Erinnerungen in der chronologischen Ordnung zu halten." Das ist ein Gedanke der jüngsten Tochter, der Erzählerin, die langsam begreift, wie ihre ganze Welt, auch die drei Väter, ihre Schwestern und sie wie Planeten auf Umlaufbahnen um den Fixstern kreisen - ihre Mutter Hanna. Das Ergebnis ist ein Geflecht aus Erinnerungen aus ganz verschiedenen Zeiten, die wie Einsprengsel die Gegenwart mit der Beerdigung des Vaters und der Zeit kurz danach immer wieder unterbrechen, aufhalten und gegen den Strich bürsten.

Mit diesen verschiedenen Zeitebenen jongliert Caroline Peters in ihrem Debütroman gekonnt, einfühlsam und liebevoll beschreibt sie die Eigenarten der immer wieder aus der erwarteten Rolle fallenden Mutter, die ihren eigenen Weg eigentlich ganz woanders sieht, nicht bei ihrer Familie. Dabei schimmert immer wieder Humor durch, selbst zum dramatischen und melancholischen Höhepunkt. Ein wirklich berührendes und fesselndes Buch - und absolut kein Grund zur Sorge nach dem Motto: Jetzt schreibt sie auch noch.

Und die Autorin hat keine Scheu davor, auch Unklarheiten nicht aufzulösen: Warum trennt sich Hanna von Mann und Familie? Und: Tut sie es überhaupt? An dieser Stelle wird deutlich, wie schwer es ist, sich auf Erinnerungen zu verlassen, und wie groß die Verwirrung, wenn andere Menschen sich an das gleiche Ereignis anders erinnern. So glauben die beiden älteren Schwestern, die Mutter sei nicht aus freien Stücken gegangen, sondern gewissermaßen "rausgeschmissen" worden von Bow und der jüngsten Tochter.

Doch die Erzählerin, immer nur "die Kleine" genannt, versteht schließlich, warum sich ihre Mutter von Mann und Familie trennt, ausbricht und in eine andere Wohnung zieht: "Ihr Denken und Fühlen war endlich an dem Punkt angekommen, auf den Hanna zugestrebt war: ein eigenes Zuhause. Keines Mannes Zuhause, keiner Mutter Zuhause, auch keines, das sie ihren Kindern zu bieten hatte. Ein Zuhause, das sie ihren sich überschlagenden Gedanken, den vielen Worten in ihrem Kopf und ihrer Seele schuldig war." Um endlich ihren eigenen Weg zu gehen.

(S E R V I C E - Caroline Peters: "Ein anderes Leben", Rowohlt, 240 Seiten, 23,70 Euro, Lesung von Caroline Peters und Gespräch mit Thomas Jonigk am 4.11., 20 Uhr, im Akademietheater)

ribbon Zusammenfassung
  • Caroline Peters' Debütroman 'Ein anderes Leben' wird am 4. November im Akademietheater vorgestellt und kostet 23,70 Euro.
  • Der Roman erzählt von einer Frau, die nacheinander drei Jugendfreunde heiratet und von jedem eine Tochter hat, während sie sich mehr der russischen Literatur als ihrer Familie widmet.
  • Die jüngste Tochter reflektiert nach der Beerdigung des Vaters die komplexen und teils widersprüchlichen Erinnerungen an ihre Mutter Hanna, die zwischen Bürgerlichkeit und Boheme schwankt.