Doku über Journalismus in Krisengebieten bei Crossing Europe
Simone Schlindwein berichtet u.a. für die "taz" aus Afrika. Da hier nur wenige Korrespondenten tätig sind, liegen die Geschichten praktisch auf der Straße, meint sie - das kann aber auch ganz schön haarig werden. So wurde sie 2013 im Kongo Zeugin von Kriegsverbrechen: Während der siegreiche General an der Front Champagner schlürfte, schändeten seine Soldaten die herumliegenden Leichen. Sie fotografierte, das Bild landete rasch beim UN-Sicherheitsrat. "Der General ist direkt mit dem Hubschrauber abgeholt und vors Kriegsgericht gestellt worden." Die UNO evakuierte sie, denn "die ganze Armee war so sauer auf mich", sie musste längere Zeit raus aus der Region.
"Man arbeitet auf einem hohen Adrenalinlevel", das halte einen am Leben, sei aber auch schädlich für den Körper, das merke man oft erst später, sagt sie. "Als ich mit meinem Hormonstress auf dem medizinischen Ende der Fahnenstange war, hat mir der Arzt erklärt, mein Adrenalin braucht sechs Monate um sich abzubauen." Kein Wunder - 2016 wurde ihre Unterkunft in Uganda vom Geheimdienst gestürmt. Sie will daher um jeden Preis vermeiden, dass die Behörden wissen, wo sie nun wohnt. Da kommt ihr zugute, dass es in Uganda keine Straßennamen gibt. Erlebnisse wie diese lassen einen zweimal überlegen, ob man Kinder haben möchte. Seit Simone Schlindwein Familie hat, geht sie weniger Risiko ein.
Silke Diettrich, ARD-Korrespondentin in Südostasien, kauft in einem islamischen Kleidungsgeschäft ihren "Albtraum" - eine Burka für die anstehende Afghanistan-Reise. Dennoch sei es wichtig, vor Ort zu sein, sagt sie, nur so könne man sich selbst ein Bild machen und die Zwischentöne wahrnehmen.
Wie emotional belastend der Job ist, zeigt ihre Schilderung vom Tag der Machtübernahme der Taliban und den Szenen am Flughafen von Kabul: "Ich konnte nicht mehr", sie habe psychologische Unterstützung gebraucht. Von jungen Frauen angesprochen und angefleht zu werden, "Hol mich hier raus!" und nichts tun zu können, "bricht mir das Herz". Am schwierigsten zu bewältigen sei das Gefühl: "Ich kann gehen und lasse alle in ihrer Misere."
Während sich Silke Diettrich zumindest auf das Sicherheitsnetz eines Senders verlassen kann, können das Freelancer nicht. So etwa Juliane Tutein, freie Fernsehjournalistin aus Deutschland, die aus der Ukraine und Belarus berichtet, vor allem für ARD und Arte. Sie sieht sich nicht als Kriegsreporterin sondern sucht die "Geschichten dahinter", etwa wie Menschen mit Mobilitätseinschränkungen aus Kriegsgebieten evakuiert werden. Das bedeutet auch finanziell ein gewisses Risiko, denn man muss dann erst einen Abnehmer für die Beiträge finden.
Viel existenzieller ist aber die Gefahr für Leib und Leben. Daher nimmt sie an einem Training für Journalistinnen und Journalisten teil - wie verhält man sich im Fall einer Festnahme, bei einer Geiselnahme oder wenn man in Kampfhandlungen gerät? Aber nicht nur Waffen und Schutzwesten helfen, vor allem braucht man ein Netzwerk vor Ort, auf das man sich verlassen kann. Juliane Tutein begleitet drei Aktivistinnen in Belarus. Mit dem Ergebnis ihrer Recherchen - der Doku "Wer, wenn nicht wir? Der Kampf für Demokratie in Belarus" - ist sie selbst bei Crossing Europe vertreten.
(S E R V I C E - "Was bleibt - Journalistinnen in Krisengebieten, von Lotta Pommerien, weitere Vorstellung am 4. Mai, 14.00 Uhr im Central. "Wer, wenn nicht wir? Der Kampf für Demokratie in Belarus" von Juliane Tutein, weitere Vorstellung 5. Mai, 14.00 Uhr im Central. www.crossingeurope.at)
Zusammenfassung
- Lotta Pommeriens Dokumentation 'Was bleibt - Journalistinnen in Krisengebieten' beleuchtet den gefährlichen Alltag von Reporterinnen in Konfliktzonen und wird am 4. Mai um 14:00 Uhr erneut im Central gezeigt.
- Simone Schlindwein, berichtet für die 'taz' aus Afrika, wurde nach der Dokumentation von Kriegsverbrechen im Kongo von der UNO evakuiert. Ihre Erlebnisse unterstreichen die extremen Gefahren für Journalisten vor Ort.