APA/APA/Burgtheater/Matthias Horn

"Dantons Tod" im Burgtheater als Clown-Nummer

Alle Jahre wieder muss Danton sterben. So auch am Samstagabend im Wiener Burgtheater. Wer allerdings Angst vor Clowns hat, sollte Johan Simons Inszenierung von Georg Büchners "Dantons Tod" vielleicht meiden. In der Version des Niederländers ist Nicholas Ofczareks todessehnsüchtiger Revolutionär ein trauriger Tramp und seine Dantonisten ein Haufen Narren.

Den "Woyzeck" inszenierte der Büchner-Liebhaber Simons vor vier Jahren als Zirkusdompteur, als gedemütigten Clown in der "Manege" des Wiener Akademietheaters. Der Mensch, eine dressierte Kreatur. Der niederländische Theatermacher zieht sein Motivik nun auch in die Neuinszenierung von "Dantons Tod". Früher war er vielleicht noch ein Schurke, der in moralisch trüben Gewässern fischte. Jetzt ist Danton nur mehr ein kleiner Tramp, der in den Zahnrädern der Französischen Revolution festsitzt, während die Drehorgel zum Karneval seines Lebens spielt.

Seine Anhänger (alle fabelhaft: Johannes Zirner, Felix Rech, und Maximilian Pulst) in ihren bunt gestreiften, avantgardistischen Kostümen (von Greta Goiris) mit ihren weißen Gesichtern und ihren rot bemalten Wangen, drehen sich wie aufgezogene Figuren in einer Spieluhr. Es grüßt die Commedia dell'Arte. Ole Lagerpusch spielt einen großartigen Souffleur, der wie ein Schachtelteufel aus der Luke der Bühne hüpft.

Frankreich 1794 und die Köpfe rollen. Nun ja, auf der Bühne des Burgtheaters wird dies nicht gezeigt, man muss es sich vorstellen. Nicholas Ofczareks deprimierter Danton sinniert über die Sinnlosigkeit des Lebens. Das Töten für die gute Sache hat ihn ermüdet. Die Gravitationskraft zieht den schweren Körper des wie immer starken Schauspielers förmlich ins Grab. Er steht im Auditorium des Lebens vor einer riesigen, weißen Leinwand, auf der die Schatten der Schauspieler immer wieder spielen (ein hübscher Einfall von Nadja Sofie Eller).

Dantons weiß geschminktes, klagendes Gesicht steckt unter einer schwarzen Melone. Seine Augen sind ausgehöhlt. Hin und wieder drückt ihm jemand eine rote Nase ins Gesicht. "Wir sind sehr einsam", sagt er, und dieses Gefühl springt über. Ja nicht einmal die vermeintliche Liebe zu seiner Frau ist spürbar. In diesem Danton regt sich nichts mehr. Die Hände in den Hosentaschen vergraben, watschelt er wie ein trauriger Tramp gegen den Lauf der Dinge - und die Bühne des Burgtheaters, die sich ab der Hälfte des Stücks beginnt zu drehen. Er läuft und läuft, und kommt doch nicht vom Fleck. "Das Leben ist mir zur Last!" Die Guillotine kann nicht schnell genug kommen für diesen Todessehnsüchtigen. Man will ihn ohrfeigen, diesen Danton, ihn anschreien, ihn schütteln: Steh auf, wehr' dich!

Vielleicht noch tragischer hier ist sein Gegenspieler Robespierre, ein schlaues Wiesel, aber ein armes Würstchen, das sich einredet, dass er eine moralische und soziale Revolution anführt. Danton möchte, so der Kern des Stücks, anders als sein früherer Freund, ohne Blutvergießen eine Republik erschaffen. Der "Tugendterrorist", gespielt vom großartigen Michael Maertens, ist so fanatisch wie eh und je, und Simons inszeniert die legendäre, zitatenschwangere Szene mit den beiden Ex-Jedermännern wie eine Slapstickeinlage von Laurel und Hardy (dem Publikum gefällts). Maertens, der den Robespierre schon 2014 unter der Regie von Jan Bosse spielte, hockt hinter Ofczarek auf einem Fahrrad, das in Einzelteile zerlegt ist. "Wer mich verhindert, mich zu verteidigen, tötet mich so gut, als wenn er mich angriffe", sagt Robespierre. "Wo die Notwehr aufhört, fängt der Mord an", sagt darauf Danton.

Das längste und dichteste historische Stück von Georg Büchner, das er im Jahr 1835 veröffentlichte, war vielleicht schon immer leicht zu bewundern, aber schwer zu lieben. Es gibt viele Reden von "großen" Männern und wenig Aktion, wenig aktive Handlung. So auch bei Johan Simons. Man muss schon seine Fantasie an diesem Abend benutzen (selbst die Guillotine bekommt keinen Auftritt). Der Konflikt ist vor allem ein innerer. Was bleibt, ist eine intime Geschichte über Tod, Verrat und Resignation. Ein abruptes Ende. Und ein benommener Applaus für eine blutleere Revolution.

(Von Marietta Steinhart/APA)

(S E R V I C E - "Dantons Tod" von Georg Büchner im Burgtheater, Universitätsring 2, 1010 Wien. Regie: Johan Simons, Bühne und Video: Nadja Sofie Eller, Kostüme: Greta Goiris, Musik: Mieko Suzuki, Licht: Friedrich Rom. Mit: Nicholas Ofczarek - George Danton, Felix Rech - Camille Desmoulins, Johannes Zirner - Lacroix, Maximilian Pulst - Philippeau, Michael Maertens - Robespierre, Jan Bülow - St. Just, Annamária Láng - Julie, Marie-Luise Stockinger - Lucile, Andrea Wenzl - Marion. Weitere Aufführungen am 20., 25. und 29. Dezember sowie am 3., 18., 26. und 31. Jänner 2024. www.burgtheater.at/)

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  • Alle Jahre wieder muss Danton sterben. So auch am Samstagabend im Wiener Burgtheater. Wer allerdings Angst vor Clowns hat, sollte Johan Simons Inszenierung von Georg Büchners "Dantons Tod" vielleicht meiden. In der Version des Niederländers ist Nicholas Ofczareks todessehnsüchtiger Revolutionär ein trauriger Tramp und seine Dantonisten ein Haufen Narren.