Baselitz wird 85: Feier bei Ropac, "Nackte Meister" im KHM
Der damals 25-Jährige aus der DDR, erst wenige Jahre zuvor in den Westen gezogen, war praktisch über Nacht ein "Skandal-Maler". "Die große Nacht im Eimer" sei für ihn nach wie vor ein unglaubliches Bild, "welches durch die politische Korrektheit heutzutage noch weniger verständlich ist als damals, oder gar entschlüsselt wurde", sagt Baselitz der Deutschen Presse-Agentur.
Der Künstler, der seit vielen Jahren zu den bedeutendsten weltweit gezählt wird, begeht seinen 85. Geburtstag (23. Jänner) mit Kulturfreunden in Paris bei einer Baselitz-Schau in der Galerie Ropac. Es ist nur eine von sechs teils spektakulären Ausstellungen aus Anlass des Geburtstags.
Als Höhepunkt gilt die Schau "Nackte Meister" im Kunsthistorischen Museum (KHM) in Wien (7. März bis 25. Juni). 73 Gemälde und zwei Skulpturen von Baselitz aus den Jahren 1972 bis 2022 treten in Dialog mit den sich um Nacktheit rankenden Ölbildern Alter Meister. "Es ist die wohl größte Ausstellung, die das KHM jemals einem modernen Künstler gewidmet hat", sagt Co-Kurator Andreas Zimmermann. Die Auswahl der Werke hat Baselitz selbst getroffen.
Baselitz' Exponate handeln von der Nacktheit des Malers und der seiner Frau. "Darunter sind die späten, teils vier Meter breiten Bilder über Körperlichkeit und Alter erschütternd in ihrer Gleichzeitigkeit von Fragilität und Monumentalität", so Zimmermann. Deutlich wird: Baselitz lehnt idealisierte Schönheit als hohles Pathos ab. "Raffaels heilige Bilder stehen bei ihm auf der Abschussliste, das ist für ihn "Hollywood"", sagt Zimmermann. Die Werkschau über 50 Jahre dokumentiert auch die Wandlungsfähigkeit des Malers: Fingermalereien, grobe Pinselstriche, federleichte Bilder oder zuletzt Collagen, in denen Feinstrumpfhosen aus den 1960er-Jahren eine wichtige Rolle spielen. "Das Überraschungsmoment, die permanente Neuerfindung der Malmethode ist eines der zentralen Strukturprinzipien in seinem Gesamtwerk", so Zimmermann.
2015 erhielten Baselitz und seine Frau Johanna Elke Kern bei einem Festakt in Salzburg auch die österreichische Staatsbürgerschaft. Die Nähe zu Österreich - neben dem Ammersee und Imperia in Italien zählt Salzburg seit zehn Jahren zu seinen Lebensmittelpunkten - dokumentiert auch die Baselitz-Ausstellung in der Albertina in Wien. Vom 7. Juni bis 17. September werden 100 Zeichnungen aus allen Schaffensphasen des Künstlers gezeigt. Grundlage bildeten jüngst an die Albertina und die Morgan Library in New York vergebene, sehr großzügige Schenkungen von je 50 Blatt, sagt Kuratorin Antonia Hoerschelmann. Baselitz schenkt nicht nur, er produziert weiter. Auch das Leben im Rollstuhl hindert ihn nicht daran. "Meine Fortbewegungsmittel im Atelier kommen jetzt aus dem orthopädischen Fachhandel", sagt der Künstler, der sich selbst als nervösen und auch chaotischen Typen charakterisiert.
Seinen Aufstieg und seine Bedeutung in der Kunstwelt verdankt er seinem Streben nach Ungesehenem. "Er wollte von Anfang an etwas Neues kreieren, das weder gegenständlich noch abstrakt war", so Hoerschelmann. "Er war ein extrem anspruchsvoller Künstler an sich selbst."
Der Sachse, geboren als Hans-Georg Kern, erinnert mit seinem Künstlernamen an den Geburtsort Deutschbaselitz bei Dresden. Er fing als Teenager mit dem Malen an. Zum Entsetzen seiner Eltern schaffte er nicht das Abitur und wollte auch noch Künstler werden. Sein Gastspiel an der Kunsthochschule Berlin-Weißensee endete nach nur zwei Semestern. "Das disziplinierte Arbeiten, um die handwerklichen Fertigkeiten zu üben, das war nichts für ihn. Er hat Testate nicht abgegeben", erzählte sein Bruder Günter der "Sächsischen Zeitung" vor einigen Jahren über das abrupte Ende. Baselitz fand eine neue Heimat in West-Berlin und schloss dort sein Kunststudium 1962 ab.
Mit seinen "Helden-Bildern", die eigentlich Antihelden darstellen, fand Baselitz Mitte der 1960er-Jahre einen Stil, der bis heute nachhallt. Figuren, die mit ihren verzerrten Proportionen, riesigen Händen und Füßen und kleinen Köpfen verstören - auch eine Erinnerung an die Schreckensbilder des Zweiten Weltkriegs. "Ich bin in eine zerstörte Ordnung hineingeboren worden, in eine zerstörte Landschaft, in ein zerstörtes Volk, in eine zerstörte Gesellschaft. Und ich wollte keine neue Ordnung einführen. Ich hatte mehr als genug sogenannte Ordnungen gesehen", beschrieb er einmal sein Credo.
1969 entstand mit "Der Wald auf dem Kopf" das erste Umkehrbild. Er selbst sprach vom "dritten Weg" zwischen Abstraktion und Gegenständlichkeit - und brach so mit Sehgewohnheiten. Für Baselitz bedeuteten die Kopfüber-Motive den endgültigen internationalen Aufstieg. Sein Werk ergänzte er mit zahlreichen Druckgrafiken, Zeichnungen und Holzskulpturen. 2004 erhielt Baselitz den Praemium Imperiale, der als "Nobelpreis" für Kunst gilt.
Das Verhältnis zu Deutschland ist nicht ungetrübt. Als Reaktion auf das seit 2016 geltende Kulturgutschutzgesetz zog er seine Dauerleihgaben aus deutschen Museen ab. Er befürchtete, nicht mehr frei über sein Eigentum verfügen zu können. Und er sieht einen alarmierenden Kontrast. "In Deutschland sind die Museen leer. Die Museen in London, Paris, Wien oder New York sind dagegen voll mit Einheimischen und Kulturfreunden aus der ganzen Welt."
Zusammenfassung
- Der Eklat war groß: Ein riesiger Penis zierte das Ölbild "Nackter Mann", ein onanierender Junge war in "Die große Nacht im Eimer" zu sehen.
- Die Werke von Georg Baselitz wurden 1963 bei einer Schau in Berlin beschlagnahmt.
- Als Höhepunkt gilt die Schau "Nackte Meister" im Kunsthistorischen Museum (KHM) in Wien.
- "Er war ein extrem anspruchsvoller Künstler an sich selbst."
- 2004 erhielt Baselitz den Praemium Imperiale, der als "Nobelpreis" für Kunst gilt.