Zukunft von ÖBB-Areal umstritten: Westbahnpark oder Bebauung
In den vergangenen Jahren hat das rund 1,2 Kilometer lange und maximal 70 Meter breite ÖBB-Grundstück neben den Westbahn-Gleisen entlang einer grünen Böschung zur Felberstraße viel Öffentlichkeit erhalten. Das liegt einerseits an der wichtigen Lage an einer Kaltluftschneise, die vom Wienerwald in die Innenstadt führt, andererseits an einer Bürgerinitiative, die das Areal geschickt zu einer Nagelprobe für Wiens Klimapolitik macht, bei der offenkundig werde, ob der Stadt Wien Investoren- oder Bevölkerungsinteressen wichtiger seien. Sie spricht von einer "Jahrhundertchance" für die Stadt.
Die APA hat mit zwei Aktivisten einen Spaziergang durch das Gelände gemacht: Lilli Lička (60) ist Leiterin des Instituts für Landschaftsarchitektur an der Universität für Bodenkultur Wien, Hannes Gröblacher (46) ist Landschaftsarchitekt und Künstler. Wer mit den beiden durch das Areal schlendert, merkt schnell: Hier sind nicht nur Anrainerinteressen vertreten, hier argumentieren Experten, die wissen, wovon sie reden. Es gehe um dringend benötigten Grün- und Erholungsflächen für eine dicht verbaute und sozial benachteiligte Gegend, aber auch um ein weit ausstrahlendes Signal, sagt Lička, Mitautorin einer AK-Studie über "Grünraumgerechtigkeit für eine resiliente Stadt": "In diesem stadträumlich interessanten Areal könnte man eine große Geste setzen."
Derzeit ist es hier erstaunlich ruhig. Von den Lagerhallen am Rande der Gleise werden offenbar nur wenige genutzt, die Tatsache, dass das Gelände komplett asphaltiert, aber buchstäblich verkehrsberuhigt ist, nutzen immer wieder Fahrradfahrer für eine Durchquerung. An dem seinerzeit bei der Trassierung der Kaiserin-Elisabeth-Bahn geschaffenen grünen Geländerücken, der das 70 Hektar große Areal begrenzt, wurde 114 verschiedene Pflanzenarten, Wildbienen, Reptilien und Vögel und insgesamt eine sehr hohe Biodiversität festgestellt. Entsiegelung sei das Gebot der Stunde, fordert die Initiative "Westbahnpark.Jetzt". Bisher vergeblich. Auch temporäre Nutzungen seien vom Grundstückseigner ÖBB abgelehnt worden, erzählen die Aktivisten, die in den verschiedensten Beteiligungsverfahren ihre Stimme erhoben haben, jedoch den Verdacht haben, bloß hingehalten zu werden, während im Hintergrund Entscheidungen ausverhandelt würden. Diese liefen auf eine Verbauung mit wenig Grünraumanteil hinaus, bei der mit entsprechender Gebäudehöhe auch die Funktion der Kaltluftschneise gefährdet sein könnte.
"Es gibt noch keine konkreten Pläne zur Liegenschaft in der Felberstraße", heißt es dazu seitens der ÖBB gegenüber der APA. "Zur Zeit erarbeiten wir gemeinsam mit der Stadt Wien das Stadtteilentwicklungskonzept. Damit wird ein wesentlicher Meilenstein gesetzt, da es die Grundlage für den Flächenwidmungs- und Bebauungsplan darstellt. Parallel dazu finden Planungs- und Beteiligungsprozesse statt, die in Kooperation mit Stakeholdern vor Ort, wie beispielsweise der Gebietsbetreuung, durchgeführt werden und in das Konzept einfließen." Wie an bereits umgesetzten oder in Planung befindlichen ÖBB-Liegenschaftsentwicklungen ersichtlich sei, lege man bei Stadtentwicklungsprojekten "großen Wert auf großzügige Grünflächen und Parks: So wie etwa der Helmut-Zilk- und der Walter-Kuhn-Park nahe dem Hauptbahnhof, die Freie Mitte am Nordbahnhof oder am Nordwestbahnhof, wo wir im nächsten Jahr mit der Entsiegelung des Geländes beginnen und ab 2027 die Grüne Mitte angelegt wird." Das Stadtteilentwicklungskonzept "Mitte 15" für Rudolfsheim-Fünfhaus "befindet sich in Finalisierung und wird voraussichtlich noch heuer gemeinsam mit der Stadt Wien präsentiert".
Der "Falter" berichtete kürzlich über eine ÖBB-Präsentation, laut der 800 bis 900 neue Wohnungen auf dem Areal gebaut werden sollen, die aber laut ÖBB "veraltet" sein soll. Seitens der Bürgerinitiative, die bereits Demos und einen Festzug veranstaltet sowie über 10.000 Unterschriften gesammelt hat, beklagt man mangelnde Information über den laufenden Prozess und die Gefahr von Weichenstellungen abseits der Bürgerbeteiligungsmodelle. "Angeblich gibt es sechs Varianten, die von einem reinen Park bis zu einer 50-prozentigen Bebauung reichen", sagt Lička. Der "Presse am Sonntag" berichtete vor wenigen Tagen über ein internes Dokument aus dem Büro der MA 21 für Stadtplanung und Flächenwidmung, wonach die "favorisierte Variante" eine Bebauung von 1,5 Hektar bei 5,5 Hektar Parkfläche sei, in die allerdings auch begrünte Dächer mitgerechnet würden. Für die Aktivisten ist das Etikettenschwindel. Dabei haben sie sogar "visionary walks" organisiert, "um die Menschen zu ermutigen, sich hier etwas vorzustellen". "Es gibt keinen Raum für Experimente", stellt Gröblacher ernüchtert fest. "Transparenz gibt's praktisch null. Und die Partizipation ist in Wahrheit eine Farce."
(S E R V I C E - www.westbahnpark.jetzt , https://www.mitte15.at )
Zusammenfassung
- Für Wiens Klimastadtrat Jürgen Czernohorszky (SPÖ) zählen neu- oder umgestaltete Parks im dicht verbauten Gebiet zu den wichtigsten Vorhaben der Stadtregierung: "Das ist deshalb so notwendig, weil sie eine Wohnzimmer-Funktion haben."
- 170.000 Quadratmeter Parkfläche habe man in dieser Legislaturperiode bereits neu gestaltet, sagt er, etwa den Elinor-Ostrom-Park, die Freie Mitte oder den Stadtpark Atzgersdorf.