Wie richtig mit dem Wolf tanzen?
Zuletzt gab es in Tirol Berichte über hunderte Weidetier-Risse, auch das Pony von Ursula von der Leyen fiel dem Wolf zum Opfer. Wölfe stehen an der Spitze der Nahrungskette, neben dem Mensch machen sie sich nur gegenseitig ihr Territorium streitig.
Wer muss sich nun vom Wolf fürchten? PULS 24 hat bei Albin Blaschka, dem Geschäftsführer des Österreichzentrum Bär, Wolf, Luchs nachgefragt. Von einem friedlichen Zusammenleben zu sprechen ist im Fall von Wölfen zu optimistisch, das realistische Ziel des Zentrums ist eine konfliktarme Koexistenz. Dafür braucht es Kompromisse und Zusammenarbeit von allen Seiten, sagt Blaschka.
Keine Jagd auf Menschen
Wölfe hätten es nicht auf Menschen abgesehen, so Blaschka. Sie gehen ihnen aus dem Weg. Aber die Zahl der Wölfe in Österreich nehme zu, genauso wie die Zahl der Menschen, die die Natur genießen wollen. Deshalb seien Begegnungen zwischen Wolf und Mensch immer wahrscheinlicher.
Trifft man auf einen Wolf, dann solle man sich zurückziehen, am besten ohne dem Raubtier den Rücken zuzukehren. Falls das Tier doch neugierig sein sollte, dann rät der Wildtier-Forscher zum Anschreien oder in die Hände klatschen. Begleittiere sollten unbedingt angeleint sein, wie auch sonst im Wald üblich. Die Wölfe nicht anzufüttern sei am wichtigsten, sagt der Ökologe. Die Wildtiere sollen auf keinen Fall Futter und Menschen in Verbindung bringen.
https://twitter.com/WolfScience/status/1368091338013573121
Am Wolf Science Center in Ernstbrunn wird das Verhalten der Wölfe erforscht.
Problemwölfe auf der Durchreise
Aktuell gibt es in Österreich sieben Wolfsrudel. Der Großteil der rund 50 gesichteten Wölfe im Jahr 2022 seien Jungtiere auf Wanderschaft, so Blaschka. Das heißt, ihr Territorium liegt nicht in Österreich, sie sind auf der Suche nach langfristigen Niederlassungen.
2021 wurden in Kärnten und Tirol die meisten Herdetiere gerissen, der Großteil waren Schafe. In Tirol gab es 314 bestätigte Risse und in Kärnten 220. Insgesamt gab es in dort im Jahr 2020 14.981 Schafe auf Almen, in Tirol waren es 64.324 (Quelle: BMLRT, AMA, INVEKOS-Daten). Jeder einzelne Wolfsriss wird genetisch bestätigt.
EU-weit geschützt, lokal bedroht
In Kärnten, Tirol und Niederösterreich wurde zuletzt die Forderung nach einem vereinfachten Abschuss laut. Mit Länderregelungen, wie der Kärntner Wolfsverordnung, wird der Schutz durch die europäische Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH-Richtlinie) umgangen.
Eigentlich stellt das Töten von geschützten Tieren eine Straftat dar. In Oberösterreich wurde 2016 ein Ehepaar zu einer Strafe von rund 11.000 Euro verurteilt, weil sie im Nationalpark Kalkalpen einen Luchs, der in ähnlicher Weise geschützt ist, erlegt hatten. 2018 wurde im Tiroler Sellraintal ein geköpfter Wolf gefunden, die Staatsanwaltschaft kam hier zu keinem Ermittlungsergebnis. Hier wurde wegen Tierquälerei und vorsätzlicher Schädigung des Tier- und Pflanzenbestandes ermittelt, beide Delikte werden mit je zwei Jahren Freiheitsstrafe geahndet.
In Kärnten wurde unter dem auf Landesebene zuständigen Abgeordneten Martin Gruber (ÖVP) die "Wolfsverordnung nachgeschärft". Im Interesse der "öffentlicher Sicherheit" können einzelne Wölfe geschossen werden. Dafür müssen sie zuvor "vergrämt", also weggescheucht, und auch mittels DNA-Test als widerkehrende Übeltäter nachgewiesen werden. Von den bis jetzt zwei geschossenen Wölfen war einer unbescholten, wie sich im Nachhinein herausstellte. Gruber ist der Spitzenkandidat für die ÖVP bei der Kärntner Landtagswahl am 5. März. Führ ihn habe "der Wolf keinen Platz in Kärnten", sagte er gegenüber der APA, der Schutzstatus sei "exorbitant" hoch.
Tierschützer vom WWF sehen in der Kärntner Verordnung einen Bruch des EU-Rechts. Es sei "nur eine Frage der Zeit bis bis die EU-Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren einleiten" werde, schreibt die Organisation auf ihrer Webseite.
Beim Thema Wolf sind sich Grünen mit den anderen Parteien uneinig. So spricht sich die Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne) auf EU-Ebene für den Schutz der Tiere aus, vor allem in Tirol gab es lauten Gegenwind von SPÖ und dem Koalitionspartner ÖVP.
Jägerschaft sieht keinen Schutzbedarf
2018 sprach sich auch der Tiroler Landesjagdmeister Anton Larcher noch gegen einen Abschuss von Wölfen aus, heute sieht er das anders. Durch eine Änderung des Tiroler Jagdgesetzes sei nun die Anonymität der Jagdbefugten gegeben, NGOs können gegen Abschüsse keinen Einspruch mehr erheben und die Jäger hätten Rechtssicherheit. "Selbstverständlich" würden sie die Wölfe schießen, wenn die Regierung das wolle, "wer soll es denn sonst machen, außer die Jägerschaft?".
Die Lösung liegt für Larcher in der EU: Er will, dass der Schutzstatus der Wölfe in den FFH-Regeln aufgehoben wird. Bei einer Wolfspopulation von 17.000 in Europa sei das Tier nicht vom Aussterben bedroht. Gleichzeitig bräuchte es ein EU-weites Management und Monitoring, nach standardisierten Regeln. Für Larcher wäre ökologische Flächenplanung die Lösung, mit Gebieten in denen Wölfe sich bewegen dürfen, und Zonen, in denen sie nichts verloren haben. "Ist ein Schaf ein minderwertigeres Tier als der Wolf?", fragt sich der Jäger.
Grenzüberschreitendes "Problem"
Dass der Wolf in Österreich verkehre und jage, sei nicht überraschend, so der Ökologe Blaschka. Die Landwirtschaft könne sich aber auch an den Wolf anpassen, was einen "schwierigen Systemwechsel" mit sich bringen würde. Menschen und Wölfe können sich den Lebensraum teilen, das zeigt ein Blick nach Italien. Dort waren die Beutegreifer nie ausgerottet. Allein im italienischen Trentino gebe es auf einer Fläche so groß wie Salzburg um die zwanzig Wolfsrudel und 250 Wölfe, so Blaschka.
"Herdenschutz ist Management"
Im Flach- und Hügelland sei der Herdenschutz mit Zäunen eine Option, im bergigen Gebiet sei das aber weitaus schwieriger. Hier bräuchte es Hirten und Hirtenhunde, erstere würden die Schafe am Abend in Ställe bringen. Herdenschutzhunde würden durch ihr mobiles Territorium schützen, nicht durch ihre Aggressivität. Dabei ginge es aber nicht nur um einzelne Maßnahmen, sondern auch um Überlegungen dazu, welche Tiere überhaupt auf die Alm sollen.
Herdenschutzmaßnahmen wie Behirtung oder Zäune sind teuer, beklagt die Landwirtschaft. Abhängig vom Bundesland wird Herdenschutz gefördert: In Niederösterreich, Tirol und Vorarlberg werden Teile der Maßnahmen vom Land gestützt. Für gerissene Tiere gibt es in den Bundesländern Entschädigungen. Der jeweilige Rissbeauftragte muss dazu den Tod durch den Wolf bestätigen.
Die Klimakrise und die umfassendere Landnutzung würden neue Herausforderungen für das Herdenmanagement darstellen. Eine Neuorientierung sei auch ohne den Wolf notwendig. Die Probleme der Almwirtschaft würden nicht von alleine verschwinden, sagt Blaschka, es gehe darum "wie wir Menschen mit unserer Umwelt umgehen wollen".
Zusammenfassung
- Mehr als 100 Jahre lang waren Wölfe in Österreich vom Mensch ausgerottet, aktuell werden vermehrt Risse gemeldet.
- Für die Landwirtschaft ist das ein Denkanstoß, für die Bevölkerung aber keine Gefahr.