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Volksanwaltschaft über Jugendstrafvollzug alarmiert

24. März 2025 · Lesedauer 7 min

Die Volksanwaltschaft zeigt sich über Missstände im Jugendstrafvollzug alarmiert. Aufgrund nicht ausreichend vorhandener Haftplätze für Erwachsene sind die Jugendabteilungen in den gerichtlichen Gefangenenhäusern Linz und St. Pölten aufgelöst worden. Das führte dazu, dass in der JA St. Pölten fünf Insassen im Alter zwischen 14 und 18 Jahren freie Haftplätze bei Erwachsenen zugewiesen bekamen. In der JA Wiener Neustadt landete ein 16-Jähriger in einem Zehn-Personen-Haftraum.

"Die heute von der Volksanwaltschaft erhobenen Vorwürfe nehme ich sehr ernst und habe bereits eine Prüfung durch mein Haus veranlasst", reagierte Justizministerin Anna Sporrer (SPÖ) umgehend. Ein moderner, effektiver, humaner, und sicherer Straf- und Maßnahmenvollzug sei ihr "ein großes Anliegen. Dabei ist ein besonderes Augenmerk auf den Jugendstrafvollzug und die Einhaltung aller notwendigen Aspekte zum Schutz von jugendlichen Strafgefangenen zu legen", meinte sie gegenüber der APA.

Es war ein erwachsener Häftling der JA Wiener Neustadt, der sich an die Volksanwaltschaft wandte und meldete, in seiner Zelle sei neben neun Männern seit Wochen ein 16-Jähriger untergebracht. Diese Zustände, insbesondere die aufgelösten Jugendabteilungen widersprechen den Mindeststandards für Jugendliche in Haft, zu denen sich das Justizministerium 2012 in einem Erlass verpflichtet hat. Dass die betroffenen Jugendlichen 23 Stunden in ihre Zellen eingesperrt sind, ist darüber hinaus auch gegen das Gesetz, das jungen Insassen zwei Stunden Aufenthalt im Freien zubilligt.

"Der Jugendstrafvollzug hakt an allen Ecken und Enden. Es funktioniert so gut wie nichts. Die Bemühungen seitens des Personals sind zwar immens, aber die Bedingungen sind zum Teil prekär und katastrophal", gibt die für den Strafvollzug zuständige Volksanwältin Gabriela Schwarz (ÖVP) zu bedenken. Dabei sei gerade der Jugendstrafvollzug "extrem wichtig", zumal Untersuchungshaft bei Jugendlichen gemäß § 72 Absatz 1 Jugendgerichtsgesetz (JGG) nur als letztes Mittel verhängt werden darf, wenn ihr Zweck nicht durch andere Maßnahmen erreicht werden kann.

"Wir haben einen gesellschaftspolitischen Auftrag. Resozialisierung kann nur dann funktionieren, wenn die Umstände im Strafvollzug für die Jugendlichen günstig sind", betont die Volksanwältin. Jugendliche nur wegzusperren und in Haft nicht bzw. nicht ausreichend zu beschäftigen oder auszubilden, sei nicht zu akzeptieren. Schwarz appelliert daher an Justizministerin Sporrer, "sich möglichst bald ein Bild von den Zuständen im Jugendstrafvollzug zu machen und unsere Empfehlungen, die wir in regelmäßigen Abständen wiederholen, umzusetzen."

Justizministerium: Von Trennung kann unter bestimmten Umständen abgesehen werden

Hinsichtlich der Unterbringung von Jugendlichen in gerichtlichen Gefangenenhäusern räumt das Justizministerium ein, dass Jugendliche von Erwachsenen zu trennen sind. Von der Trennung könne jedoch abgesehen werden, "soweit den Umständen nach weder eine schädliche Beeinflussung noch eine sonstige Benachteiligung der jugendlichen Strafgefangenen zu besorgen ist", hieß es in einer am Montagnachmittag der APA übermittelten Stellungnahme. Die gerichtlichen Gefangenenhäuser in Linz und St. Pölten hätten eine eigene Jugendabteilung, aufgrund des Überbelags könnten diese jedoch "derzeit nicht als solche geführt werden." In Wiener Neustadt liege wiederum ein Konzept für einen eigenen Bereich vor, hier sei die Baubewilligung noch ausständig.

Teilweise kommt es laut Justizministerium in gerichtlichen Gefangenenhäusern mit Jugendabteilungen grundsätzlich "intern kurzfristig zu Verlegungen außerhalb der Jugendabteilungen". Dies deshalb, um Überstellungen in andere Justizanstalten hintanzuhalten, was Besuche für die Angehörigen von Inhaftierten erschweren würde. Zum Thema, dass der Aufenthalt im Freien im gesetzlichen Ausmaß von zwei Stunden nicht durchgeführt wird, lägen keine diesbezüglichen Beschwerden vor. Letzterem hält man seitens der Volksanwaltschaft entgegen, Jugendliche würden ihre Rechte in Haft oft nicht kennen und wüssten somit gar nicht, dass sie nicht einfach weggeschlossen werden dürfen.

Probleme im neuen Jugendgefängnis Münnichplatz in Wien-Simmering

Problematisch sieht die Volksanwaltschaft das neue Jugendgefängnis am Münnichplatz in Wien-Simmering, das ursprünglich bereits im Juli 2024 die aufgelöste Sonderanstalt für männliche Jugendliche und junge Erwachsene bis zum Alter von 21 in Gerasdorf hätte ersetzen sollen und das für 65 jugendliche Insassen konzipiert ist. Seit Jänner wird das an die JA Simmering angeschlossene Gefängnis mit jungen Häftlingen belegt, die zuletzt in der JA Wien-Josefstadt untergebracht waren. Allerdings ist die JA Münnichplatz derzeit "nach wie vor eine Baustelle. Von drei Abteilungen sind zwei nicht nutzbar", weiß Peter Kastner, stellvertretender Geschäftsbereichsleiter bei der Volksanwaltschaft. Es sei nur eine Abteilung in Betrieb, "weil in den anderen die Sanitärräume nicht funktionieren. Man hat das Gefälle in den Nassbereichen falsch berechnet, so dass diese bei Nutzung unter Wasser stehen", geht Volksanwältin Schwarz ins Detail.

Dabei sei die JA Münnichplatz an sich alles andere als schlecht und das dort tätige Personal überaus engagiert und leiste hervorragende Arbeit, wie Schwarz unterstreicht. Die 21 Jugendlichen, die derzeit dort inhaftiert sind, befinden sich im gelockerten Vollzug - ihre Hafträume werden bis 16.30 Uhr nicht verriegelt. Eine Sozialbetreuerin kümmert sich nachmittags um die Insassen, auch eine Beschäftigungsmöglichkeit ist teilweise gegeben.

Für Schwarz JA Münnichplatz "gut durchdacht, nur war der Prozess falsch aufgesetzt"

Allerdings fehlt es am Personal, so dass die vom Justizministerium zugesicherte umfängliche Betreuung nicht möglich sei, kritisiert die Volksanwaltschaft. Die Exekutivbeamten würden von anderen JA, insbesondere der JA Simmering zugewiesen, die dann dort abgehen. Dezidiert direkt am Standort Münnichplatz aufgenommene Justizwachebeamte gibt es laut Volksanwaltschaft noch nicht. Zusätzlich mangele es - wie in praktisch allen Justizanstalten - an Fach- und Gesundheitspersonal. Für die Insassen der JA Münnichplatz hat das zur Folge, dass sie wöchentlich nur einen Besuch empfangen dürfen. Jene, die eine Schulausbildung machen, müssen täglich - entsprechend bewacht - in die JA Josefstadt hin- und herpendeln. Es gibt am Münnichplatz zwar Unterrichtsräume, aber keine Lehrkräfte. Eine ärztliche Versorgung existiert laut Volksanwaltschaft nicht. Will ein Jugendlicher Lebensmittel, Kosmetik- oder Hygieneartikel kaufen, muss er Listen schreiben und die bestellte Ware wird dann von der JA Josefstadt angeliefert - eine sogenannte Ausspeis, wie sie an sich in jedem Gefängnis üblich ist, existiert am Münnichplatz nicht. Bei der Visite der Volksanwaltschaft am vergangenen Mittwoch funktionierte im neuen Jugendgefängnis auch die Videotelefonie nicht.

"Die Justizanstalt Münnichplatz ist gut durchdacht, nur war der Prozess falsch aufgesetzt", resümiert Volksanwältin Schwarz. Man könne eine Justizanstalt "erst besiedeln, wenn die baulichen und die personellen Voraussetzungen stimmen. Der Münnichplatz ist nicht fertig gebaut. Der Verwaltungstrakt, die Büroräumlichkeiten sind im Rohbau. Es ist kein Personal vorhanden. Und trotzdem sind dort Jugendliche untergebracht."

Justizministerium: Bauarbeiten in JA Münnichplatz voraussichtlich Ende 2025 abgeschlossen

Dazu heißt es seitens des Justizministeriums, die Besetzung der Anstaltsleitung erfolge mit 1. April. Einen stellvertretenden Anstaltsleiter gebe es bereits. Die Ausschreibungen bzw. Besetzung der weiteren vorgesehenen Arbeitsplätze sowohl im Exekutivbereich als auch im Bereich der zivilen Bediensteten und Fachdienste werde "laufend vorangetrieben". Mit den weiteren Besetzungen und Planstellenverschiebungen sollen dann sukzessive weitere Jugendliche in das moderende Jugendgefängnis überstellt und auch die dritte Abteilung in Betrieb genommen werden. Mit dem Abschluss der Bauarbeiten sei voraussichtlich Ende 2025 zu rechnen: "So wird die eigenständige Funktion der JA Münnichplatz in jeder Hinsicht erreicht."

Im Übrigen merkt das Justizministerium an, die Volksanwaltschaft habe bei ihrem jüngsten Sprechtag am Münnichplatz die dort bereits geschaffenen tagesstrukturierenden Beschäftigungsmaßnahmen wie Karrierewerkstatt und eine Kreativgruppe sowie tagesstrukturierende Freizeitmaßnahmen positiv hervorgehoben. Nahezu tägliche gebe es aktive Freizeitgestaltung - auch im Außenbereich, etwa in Form von Fußball im Hof. Der Trainingsraum sei bereits an die Bedürfnisse von Jugendlichen angepasst worden. "Sämtliche internen und externen Baumaßnahmen sind im Zeitplan", versicherte das Ministerium in der schriftlichen Stellungnahme. Zu den Duschen lägen keinerlei Beschwerden vor. Die Nassräume der belegten Hafträume seien "saniert und daher neu."

Zusammenfassung
  • Die Volksanwaltschaft kritisiert die Unterbringung von fünf Jugendlichen im Alter von 14 bis 18 Jahren in Erwachsenenabteilungen aufgrund fehlender Haftplätze.
  • In der Justizanstalt Wiener Neustadt wurde ein 16-Jähriger in einem Zehn-Personen-Haftraum untergebracht, was gegen die Mindeststandards verstößt.
  • Das neue Jugendgefängnis Münnichplatz in Wien-Simmering ist noch unvollständig und soll bis Ende 2025 fertiggestellt werden.
  • Justizministerin Anna Sporrer hat eine Prüfung der Vorwürfe veranlasst, um die Einhaltung der Standards im Jugendstrafvollzug zu gewährleisten.
  • Die Volksanwaltschaft fordert eine bessere Umsetzung der Jugendstrafvollzugsstandards und betont die Wichtigkeit der Resozialisierung.