Jubiläumstempel SynagogeMartens Peter

Virtuelle Synagogen: "Es steht in Österreich praktisch nichts mehr"

Von den 25 Synagogen, die es in Wien vor dem Zweiten Weltkrieg gab, steht kaum noch eine. Sie wurden von den Nationalsozialisten beinahe komplett zerstört. Ein Projekt an der TU Wien ist seit Jahren damit beschäftigt, die jüdischen Gebetshäuser virtuell zu rekonstruieren.

Vor dem 10. November 1938 gab es in Wien 25 Synagogen, deutlich mehr als in anderen europäischen Städten. In Budapest etwa standen zur selben Zeit circa 14. Das änderte sich schlagartig mit dem Novemberpogrom der Nationalsozialisten, innerhalb einer Nacht wurden bis auf den Stadttempel alle jüdischen Gebetsstätten zerstört. Sie wurden gesprengt oder angezündet.

"Es steht in Österreich praktisch nichts mehr", erklärt Architekt Herbert Peter im PULS 24 Interview. Um die Synagogen wieder in eine Stadtkarte einzufügen, rekonstruiert ein Forschungsprojekt der TU Wien von Peter und Bob Martens seit 1998 die Gebetshäuser virtuell. Dabei erstellen Studierenden im Rahmen von Diplom- und Masterarbeiten die Synagogen digital.

Digitale Rekonstruktionen

Zwölf der Modelle sind von Peter selbst. Für die virtuelle Rekonstruktion hat man sich alter Archivaufnahmen bedient, aber nicht nur. Denn österreichische Architekten bauten auch oft in Böhmen, Mähren und Ungarn, die dortigen Synagogen sahen ihren österreichischen Ablegern ähnlich und stehen teilweise noch.

So konnten mittlerweile die 25 zerstörten Synagogen in Wien, sowie die rund 20 weiteren im restlichen Österreich "komplett erfasst" werden, schildert Peter. 

Lichtzeichen für ehemalige Synagogen

Die Ruinen der Synagogen standen in manchen Fällen noch jahrzehntelang in der Stadt, der Storchentempel im 15. Bezirk wurde beispielsweise erst vor einigen Jahren abgerissen. Dort steht nun ein Wohnbau.

Auch die Synagoge in der Kaschlgasse 4, in Wien-Brigittenau, die sich kaum sichtbar in einem Wohnhaus versteckte, wurde am 10. November 1938 verwüstet und später zweckentfremdet benützt, zwischenzeitlich auch als Filiale des Lebensmittelkonzerns "Billa". In einem der Fenster der Fassade brennt heute ein Licht, um daran zu erinnern, dass dort einst eine Synagoge gestanden ist.

Bei den Lichtzeichen handle es sich um eine Initiative des jüdischen Museums. Mittlerweile gebe es die Lichter an allen Standorten, an denen sich früher Synagogen befanden, so Peter.

Die rekonstruierten Gebetshäuser sind nicht nur online zu sehen, sondern auch im jüdischen Museum in Wien, im Haus der Geschichte in St. Pölten und im Landesmuseum Eisenstadt. Dort wird das gesamte Projekt ausgestellt.

ribbon Zusammenfassung
  • Von den 25 Synagogen, die es in Wien vor dem Zweiten Weltkrieg gab, steht kaum noch eine.
  • Sie wurden von den Nationalsozialisten beinahe komplett zerstört.
  • Um die Synagogen wieder in eine Stadtkarte einzufügen, rekonstruiert ein Projekt an der TU Wien seit 1998 die jüdischen Gebetshäuser virtuell.
  • Die Ruinen der Synagogen standen in manchen Fällen noch jahrzehntelang in der Stadt.