Prozess um Kind in der HundeboxKonstantin Auer / PULS 24

Kind in Hundebox: Mutter könnte manipuliert worden sein

Im Prozess gegen eine Mutter aus Waidhofen an der Thaya, die ihr Kind über Monate hinweg gequält und in eine Hundebox gesperrt haben soll, werden am Donnerstag Urteile erwartet. Der Mutter wird unter anderem versuchter Mord vorgeworfen, einer möglichen Komplizin fortgesetzte Gewaltausübung - laut Gutachter Peter Hofmann könnte sie die Mutter manipuliert haben. Er sprach von möglichem "Gaslighting" - Anzeichen gebe es auch in Haft.

Ein mittlerweile 13-jähriger Bub soll zumindest zwischen Juli und November 2022 von seiner Mutter geschlagen und in eine Hundebox gesperrt worden sein. Der 33-Jährigen wird vorgeworfen, dem Sohn zu wenig zu essen gegeben zu haben und, dass sie den Buben frieren ließ. Am 22. November 2022 fiel das Kind mit einer Körpertemperatur von 26,5 Grad ins Koma. 

Prozess um Kind in der HundeboxKonstantin Auer / PULS 24

Die beiden Angeklagten werden von Polizisten in den Saal begleitet.

Vor Gericht steht seit Montag aber auch eine 40-jährige Mitangeklagte. Ihr wird vorgeworfen, die Mutter beim mutmaßlichen Quälen unterstützt zu haben oder sie gar dazu angestiftet zu haben. "Man kennt es aus Sekten", erklärte Astrid Wagner, die Anwältin der Mutter, das Verhältnis zwischen den beiden. Die Mutter haben gegenüber ihrer Freundin eine "Hörigkeit" entwickelt. 

Die Zweitangeklagte und ihr Anwalt Sascha Flatz bestritten das bis zuletzt. Sie gab am Montag zwar zu, auch zumindest einmal dabei gewesen zu sein, also das Kind in die Hundebox gesperrt wurde. Sie habe das Kind dann aber herausgeholt - das ganze Ausmaß der mutmaßlichen Qualen sei ihr nicht bekannt gewesen. 

Wie ist das ganze nun psychiatrisch zu erklären und wer hat hier wen beeinflusst? Dazu sagte am Donnerstag der psychiatrische Sachverständige Peter Hofmann vor Gericht aus und zweifelte an den Darstellungen der Zweitangeklagten. Diese würde nämlich jetzt in Gefangenschaft schon wieder "bestimmend" auffallen.

"Jahrhundertfall"

Laut Hofmann sei es also eine Möglichkeit, dass die Mutter von der Zweitangeklagten beeinflusst wurde. Er betonte jedoch, dass es um "komplexe Zusammenhänge zwischen Menschen" gehe, die juristisch schwer zu beurteilen seien. Man könne von einem Einzelfall sprechen, einem "Jahrhundertfall".

Die Letztentscheidung müssen die Geschworenen treffen. Er habe er nur mit der Mutter persönlich sprechen können, die Zweitangeklagte wollte auf Raten ihren Anwalts nicht. 

Die erstangeklagte Mutter habe lange "funktioniert", so Hofmann zunächst zur Erstangeklagten. Sie sei nicht psychiatrisch auffällig gewesen. Nach dem Tod ihrer Mutter sei aber eine wichtige Stütze weggefallen, ihr System sei zerbrochen. 

"Krankhafte Persönlichkeitszüge"

Dann seien mehrere Dinge gleichzeitig passiert: Zur Trauer seien "krankhafte Persönlichkeitszüge" in den Vordergrund getreten – wie etwa Beeinflussbarkeit. Zu diesem Zeitpunkt habe sie die Zweitangeklagte kennengelernt. Von dieser sei sie überwältig und "schwer begeistert" gewesen. Die Zweitangeklagte sei auch ein Vorbild gewesen – da diese selbst mit ihren Kindern zurechtkam.

Zwischen den beiden sei "zumindest eine dicke, dicke Freundschaft entstanden". Die Mutter isolierte sich zunehmend und hatte nur noch zwei Bezugspersonen: Das Kind, das mit einer psychischen Krankheit geboren worden ist, und die Zweitangeklagte.

Wenn stimme, dass sie der Zweitangeklagten geglaubt habe, dass in ihrer Wohnung Kameras seien, dass es eine unbekannte dritte Person namens "Harald" gebe, die sie beobachten würde, dann könne man einer paranoiden Schizophrenie sprechen. Aber sie bekomme keine Medikamente gegen Schizophrenie und beginne, diese Sachen nicht mehr zu glauben. 

"Fortgesetzte Folter"

Gleichzeitig habe die Mutter geglaubt, dass sie das Kind verarschen würde, wenn es etwa vor Schmerzen am Boden lag – es gebe also "paranoide Züge", aber sie habe keinen "Wahn" gehabt. Die Mutter sei daher laut dem Psychiater zurechnungsfähig gewesen. Die Mutter könnte laut Hofmann aber bis zuletzt nicht geglaubt haben, dass das Kind wirklich gefährdet gewesen sei. 

Von der Mutter gehe aber eine Gefahr aus, wenn sie etwa wieder Kinder bekommen würde. Es könne sein, dass sadistische Züge vorhanden seien - Hofmann sprach von "fortgesetzter Folter" gegenüber dem Kind. Er empfiehlt die Einweisung der Mutter in ein forensisch-therapeutisches Zentrum

Anwalt Sascha Flatz im Interview.

Vor einer besonders schweren Aufgabe stehen die Geschworenen bei der Zweitangeklagten: Glaube man ihr nicht, dass sie die Mutter nicht beeinflusst habe, dann gehe von ihr eine Gefahr aus, dann spreche er sich auch bei ihr für eine Einweisung aus, so Hofmann.

"Manipulativer Gesprächsstil"

Der Psychiater meinte, dass es der Zweitangeklagten primär darum gehe, als Heldin wahrgenommen zu werden - so behaupte sie etwa, das Kind am Ende gerettet zu haben. Außerdem sei sie immer ein "Opfer". Der Psychiater sprach bei der Zweitangeklagten von einem "manipulativen Gesprächsstil", sie schweife in Antworten ab, bringe immer wieder neue Aspekte vor und spreche in einer "melodiösen Sprache", die einen "einlullen" könne. 

Er sprach in diesem Zusammenhang von sogenanntem "Gaslighting" - also wenn jemand bewusst und gezielt die Selbstwahrnehmung eines Menschen erschüttert und an sich selbst zweifeln. 

Sadismus und Machtgelüste

Das könnte hier der Fall gewesen sein: Dass man beschattet werde, könne man etwa wegen eines "Wahns" glauben - oder weil es einem eingeredet wird. "Weil jemand mit Ihnen das macht, dass sie es ungefiltert glauben". Dann hätte die Zweitangeklagte, die das bestreitet, Sadismus und Machtgelüste ausgelebt. Sollten die Geschworenen davon ausgehen, dass dies so passiert sei, dann gehe von der Zweitangeklagten große Gefahr aus. Dann spreche er sich für eine Einweisung aus. 

Der Psychiater schilderte, dass die Zweitangeklagte in der Wohngemeinschaft, wo sie ihre U-Haft verbringt, "bestimmend" sei und neue Regeln festlegen wolle - wann etwa wer wie viel Saft bekomme. Sie belausche und tratsche und habe eine Clique gebildet. 

Was kam bisher ans Licht?

Die Zweitangeklagte selbst meinte am Donnerstag wiederum, sie habe nie gesagt, dass die Mutter den Kontakt zu ihrer Familie haben dürfe. "Ich habe halt geglaubt, die hat einen Verfolgungswahn", sagte sie über ihre Freundin bevor der Gutachter drankam. 

Sie drehte sich zum Vater des Kindes um, der im Gerichtssaal saß, und entschuldigte sich, dass sie nicht früher eingeschritten war. Dabei weinte sie. Sie sei froh, dass das Kind körperlich wieder gesund sei.

Mehr zu den Hintergründen:

Die Mutter wurde am Donnerstagvormittag ebenfalls nochmal befragt. Auch sie meinte, dass es ihr "schrecklich leid" täte, "was passiert ist". Sie könne sich selbst nicht erklären, wie es so weit kommen konnte. Wenn sie gewusst hätte, "wo das alle hinführt", hätte sie niemals auf die Zweitangeklagte gehört, ihr nicht geglaubt und ihre eigene Familie nicht "abgestoßen", machte sie der 40-Jährigen wiederum Vorwürfe. 

Urteile vermutlich am Nachmittag

Die Mutter könnte im Fall einer Verurteilung wegen versuchten Mordes bis zu lebenslange Haft ausfassen. Die Strafdrohung für die mögliche Komplizin wegen fortgesetzter Gewaltausübung als Beitrags- oder Bestimmungstäterin beträgt bis zu 15 Jahre

ribbon Zusammenfassung
  • Im Prozess gegen eine Mutter aus Waidhofen an der Thaya, die ihr Kind über Monate hinweg gequält und in eine Hundebox gesperrt haben soll, werden am Donnerstag Urteile erwartet.
  • Der Mutter wird unter anderem versuchter Mord vorgeworfen, einer möglichen Komplizin fortgesetzte Gewaltausübung.
  • Laut Gutachter Peter Hofmann könnte die Zweitangeklagte die Mutter manipuliert haben. Er sprach von möglichem "Gaslighting".
  • Die Zweitangeklagte gestand am Donnerstag gleich bei Prozessbeginn, dass sie doch gewusst habe, dass das Kind in die Hundebox gesperrt wurde. Einmal sei sie sogar dabei gewesen.
  • Die Staatsanwältin stellte dann aber die Frage: "Warum sollten wir Ihnen auch nur ein Wort glauben?"