Über 20.000 nutzten schon "Plaudernetz" gegen Isolation
Die Zunahme von Anfragen von Menschen, die in Not geraten sind, ist laut Caritas ein Faktum. "Neu ist, wie viele Menschen mit psychischen Problemen und Krankheiten zu kämpfen haben. Mit dem vierten Lockdown haben wir in unseren Sozialberatungsstellen einen deutlichen Anstieg der Anfragen verzeichnet", berichtet Klaus Schwertner, geschäftsführender Caritasdirektor der Erzdiözese Wien. Dahinter stünden verlorene Tagesstrukturen, zusammengebrochene Pläne, eine unsichere Zukunft und eben Einsamkeit als Auslöser.
"Einsamkeit war bereits vor der Krise eine Zivilisationskrankheit in westlichen Gesellschaften", stellt Schwertner fest und berichtet von einer steigenden Anzahl von Anrufen, wenn die Infektionszahlen steigen. Auch die Regierung sollte aus Sicht der Caritas das Thema Einsamkeit auf ihre Agenda nehmen: "Auf unsere Forderung nach einem 'Pakt gegen die Einsamkeit' folgten bisher nur Worte". Ein gemeinsamer Runder Tisch im September 2020 im Bundeskanzleramt sei zwar ein wichtiges Signal, aber nicht mehr gewesen.
Die Caritas stützt ihre Forderung mit dem Hinweis auf zahlreiche Studien, die aufzeigen würden, dass Einsamkeit das Risiko für chronischen Stress, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Depressionen, Demenz und frühen Tod erhöhe. In England, wo das Konzept des "social prescribing" pilotiert wird, bei dem eine Schnittstelle zwischen Hausärzten und sozialer Arbeit geschaffen wird, werde bereits reagiert. Die Ampel-Koalition in Deutschland mit einem Nationalen Präventionsplan gegen Einsamkeit im Regierungsübereinkommen wird von der Katholische Hilfsorganisation als weiteres Beispiel genannt.
Zur Situation in Österreich berichtet die Caritas, dass bereits vor der Corona-Krise rund 372.000 Menschen niemanden für persönliche Gespräche in ihrem Umfeld hatten. Nach dem Ausbruch der Pandemie startete die Caritas mit der Kronen Zeitung und Magenta im ersten Lockdown das "Plaudernetz". Hier können Menschen, die niemanden zum Reden haben, unter der Nummer 05-1776-100 mit Freiwilligen telefonieren, die zuhören.
Seit Projektstart im April 2020 wurden inzwischen mehr als 21.000 Gespräche geführt. Täglich werden bis zu 100 Gespräche zwischen 12.00 und 20.00 Uhr entgegengenommen. Im Schnitt dauern die Telefonate eine halbe Stunde. 3.500 Menschen, im Alter von durchschnittlich Mitte 50 Jahren engagieren sich ehrenamtlich österreichweit beim "Plaudernetz". Wie die Caritas weiter berichtet, sind die Anrufenden aus ganz Österreich zu einem großen Teil über 40 Jahre alt. Rund ein Viertel findet über andere telefonische Beratungsangebote wie die Telefonseelsorge zu der Gesprächsplattform.
(S E R V I C E - Unter 05-1776-100 ist das Plaudernetz täglich von 12.00 bis 20.00 Uhr zum üblichen Ortstarif österreichweit erreichbar. www.plaudernetz.at)
Zusammenfassung
- Mit dem "Plaudernetz" bietet die Caritas nach Eigendefinition seit April 2020 eine "schnelle Hilfe in Momenten der Einsamkeit", die per Telefon unter 05-1776-100 in Anspruch genommen werden kann.
- Aus Anlass des "Blue Monday" am kommenden Montag, welcher der angeblich traurigste Tag des Jahres sein soll, zieht die katholische Hilfsorganisation einerseits Bilanz und ruft andererseits die Regierung zu einem "Pakt gegen die Einsamkeit" auf.