Fall Leon: Anklage sieht Mord, Vater bleibt bei Raub
Es war im August 2022, als ein nun 39-jähriger Mann mit seinem sechsjährigen, beeinträchtigten Sohn im Kinderwagen in den frühen Morgenstunden an der Kitzbühler Ache in St. Johann in Tirol spazieren ging.
"Blitzschlag im Kopf"
Die Ache habe "richtig laut gerauscht" und der Regen habe auf seinen "Schirm geprasselt", schilderte der Vater, ein deutscher Staatsbürger, am Mittwoch am Landesgericht Innsbruck. Der Sohn habe wie so oft unruhig geschlafen, deshalb habe er wie so oft einen Spaziergang unternommen. Seine letzte Erinnerung sei "ein Blitzschlag im Kopf" gewesen, so der Vater.
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Es folgten die Momente, wegen denen sich der Vater nun mit einer "heftigen" Mordanklage vor Gericht verantworten muss, wie er selbst sagte. Was in diesen Momenten passierte, darüber gehen die Erzählungen erheblich auseinander. Fest steht bislang nur: Der sechsjährige Leon wurde später tot auf einer Sandbank an der Ache entdeckt, der Vater landete im Spital.
Fall Leon: Mordprozess gegen Vater startet
Langezeit gingen auch die Ermittler von einem Raubüberfall aus. Der Vater sei verprügelt worden, der Bub dann im Fluss ertrunken. Der Vater blieb nun auch vor Gericht bei dieser Version - er sei unschuldig.
Wortreich und gut vorbereitet - er kam mit mehreren Akten - schilderte er wieder von einem auffälligen Mann mit Kapuzenpullover, der "aus dem Dunklen" gekommen sei. Er sei dann nach einem Schlag mit einer Glasflasche auf seinen Kopf ohnmächtig gewesen. Erst im Spital sei dann "Panik" in ihm hochgestiegen, da er Angst hatte, dass sein Sohn, der sich von Wasser stark angezogen gefühlt habe, in die Ache gefallen sein könnte.
"Jede einzelne Schneeflocke gefeiert"
Seinen Sohn zu Grabe zu tragen, sei "das schlimmste, was ich je im Leben erlebt habe". Er habe sofort psychologische Hilfe benötigt und sei "auf allen Ebenen am Ende" gewesen. "Mein Sohn war einer der tollsten Menschen, die ich je kennenlernen durfte", so der Angeklagte unter Tränen. Dieser habe das Leben viel mehr wertgeschätzt als andere.
"Jede einzelne Schneeflocke hat er gefeiert", erinnerte er sich: "Das ist nicht nur eine Belastung, sondern auch eine große Bereicherung für eine Familie". "Ich hatte einfach so viel mit ihm vor", der Verlust sei weiterhin unbegreiflich. Ebenso sei "unerträglich", dass der eigentlich dafür Verantwortliche weiter auf freiem Fuß sei.
Raub vorgetäuscht?
Staatsanwalt Joachim Wüstner allerdings hielt dem Angeklagten vor, dass die Ermittler nach monatelanger Suche nach einem Raubverdächtigen seit Februar 2023 von einer ganz anderen Version überzeugt seien: Gutachten der Gerichtsmedizin sowie der Psychologie würden Zweifel an dem behaupteten Raubüberfall aufkommen lassen. Es sei etwa nicht glaubwürdig, dass der 39-Jährige über eine Stunde lang ohnmächtig gewesen sein soll.
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Und er brachte weitere Indizien vor: Videoaufnahmen würden zeigen, dass sich die Tatwaffe - eine Sektflasche - im Kinderwagen befinden würde und darauf DNA-Spuren vom Kind nachweisbar gewesen seien. Es gebe keine DNA-Spuren von einem etwaigen Täter am Handy oder der Kleidung des Angeklagten - somit sei dies nicht mit dem angeblichen Raubüberfall in Einklang zu bringen.
Das Handy sei nicht gestohlen, sondern in einem Mistkübel entsorgt worden und am Schrittzähler seien "die Schritte des Räubers" nicht aufgezeichnet worden. Aus der Handyauswertung ging hervor, dass der Mann kurze Zeit vor dem Tod des Kindes nach dem Wort "ohnmächtig" gesucht habe.
Fehlender Kindergartenplatz als Motiv?
Der Staatsanwalt räumte zwar ein, dass der Vater sein gesundheitlich beeinträchtigtes Kind "sicherlich geliebt" und sich "jahrelang aufgeopfert" habe. Als die Suche nach einem Kindergartenplatz in jenem Sommer gescheitert sei, habe sich der 39-Jährige in einer Nachricht an die Mutter gefragt, "wie viele Rückschläge man verkraften" könne. "Vielleicht wollte er sein Kind erlösen, vielleicht wollte er seine Familie erlösen", meinte er.
Fall Leon: Anwalt im Interview
Der Verteidiger des Vaters, Mathias Kapferer, hielt dem entgegen, dass es eine "liebevolle Beziehung" zwischen Vater und Kind gegeben habe. Auch zwischen den Vater und die Mutter von Leon würde "kein Blatt Papier passen". Der erkrankte Bub habe zudem vor seinem Tod erhebliche Fortschritte gemacht, seine Prognose sei gut gewesen. Auch sei die Betreuung gesichert gewesen, ein fehlender Kindergartenplatz könne nicht als Motiv dienen.
Kritik an Ermittlungen
Insgesamt gebe es in dem Verfahren "überhaupt keine Beweise", meinte Kapferer und übte Kritik an den Ermittlungen der Polizei: So seien etwa Glasscherben "vom Straßenkehrer von St. Johann zusammengekehrt und entsorgt" worden. Der Schrittzähler sei "fehlerhaft" gewesen. Zudem habe man ein Beweisvideo nicht rechtzeitig gesichert, das einen Unbekannten zeigen würde.
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Auf der Kleidung des Buben sei außerdem die DNA eines "fremden Mannes" entdeckt worden sein, verwies der Verteidiger auf private Gutachten. Dass sein Mandant nach dem Begriff "ohnmächtig" gesucht habe, habe mit einer Frage seiner Tochter nach Quallen zu tun gehabt.
Zeugenbefragung startet am Donnerstag
Am Ende des ersten Verhandlungstages stellte Kapferer schließlich den Antrag, im Sinne von "Waffengleichheit" den Geschworenen nicht nur die Anklageschrift, sondern auch die Sicht der Verteidigung schriftlich zur Verfügung zu stellen. Über diesen Antrag werde am morgigen Donnerstag entschieden, stellte Fleckl in Aussicht.
Dann werde auch mit der Befragung von Zeugen begonnen. Von letzteren werden im Laufe des Verfahrens viele erwartet. Unter anderem werden Sanitäter und Notärzte zum Auffinden des Angeklagten befragt, Polizisten zu Einvernahmen, aber auch Betreuungspersonen des verstorbenen Kindes. Schließlich werden auch die Videos von der Tatnacht eine Rolle spielen.
Drei Verhandlungstage
Der Prozess startete unter erheblichen Medieninteresse - auch deutsche Medien interessieren sich wegen der Staatsbürgerschaft des Angeklagten für den Fall. Für den Prozess wurden drei Verhandlungstermine anberaumt. Es sollen 25 Zeugen gehört werden. Verhandelt wird auch noch diesen Donnerstag und am 1. August. Dann soll feststehen, was mit Leon wirklich passiert ist.
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Zusammenfassung
- Der Prozess gegen den 39-jährigen Vater des toten Buben, der im August 2022 in der Kitzbüheler Ache gefunden wurde, hat am Landesgericht Innsbruck begonnen.
- Die Staatsanwaltschaft führt Beweise an, die Zweifel an der Unschuld des Vaters aufkommen lassen, wie etwa die DNA-Spuren des Kindes auf der Tatwaffe und die fehlenden Spuren eines Täters.
- Der Vater plädierte auf unschuldig und schilderte emotionale Details der Nacht, in der sein Sohn starb, einschließlich eines angeblichen Raubüberfalls.
- Die Verteidigung betont die liebevolle Beziehung zwischen Vater und Sohn und kritisiert das polizeiliche Ermittlungsverfahren.
- Der Prozess wird unter großem Medieninteresse geführt, mit zahlreichen Journalistinnen und Journalisten aus Österreich und Deutschland.
- Ein Urteil wird am 1. August erwartet.