Teichtmeister-Urteil "streng, aber vertretbar": Welche Rolle spielten Demos?
Der Prozess gegen den ehemaligen Burgschauspieler Florian Teichtmeister wurde von einer breiten Öffentlichkeit verfolgt. Er gestand, pädophil zu sein und den Besitz und die Herstellung von zehntausenden Kindesmissbrauchsdarstellungen - und wurde dafür schuldig gesprochen. Die Staatsanwaltschaft wird kein Rechtsmittel dagegen einlegen, das Urteil ist rechtskräftig.
In den sozialen Medien, aber auch auf der Straße gingen bei einigen hingegen die Emotionen hoch. Als eine "Schande für die Justiz", bezeichnete eine Demonstrantin das Urteil gegenüber PULS 24. FPÖ-Wien-Chef Dominik Nepp schrieb auf Twitter gar von einem Versagen des Rechtsstaats, bei dem man "sich in Zukunft über Selbstjustiz nicht wundern" brauche. Rechtsanwalt Sascha Flatz bekrittelte, dass Teichtmeister wegen des Kokains nicht angeklagt wurde und FPÖ-Justizsprecher Harald Stefan hinterfragte in einer Aussendung, dass der Richter die Demo als Milderungsgrund heranzog.
Was ist dran an der Kritik am Urteil über Florian Teichtmeister? PULS 24 mit den wichtigsten Fragen und Antworten.
Wie lautet das Urteil gegen Florian Teichtmeister?
Der Schöffensenat um Richter Stefan Apostol verurteilte Teichtmeister zu einer zweijährigen Haftstrafe und ordnete die Unterbringung im Maßnahmenvollzug (forensisch-therapeutisches Zentrum) an. Beides wurde Teichtmeister bedingt nachgesehen - unter einer fünfjährigen Probezeit, die auch verlängert werden kann (siehe unten).
Die Fortsetzung der Psychotherapie und eine engmaschige fachpsychiatrische Behandlung mit deren Hilfe Teichtmeister seine Pädophilie sowie seine Internet-Nutzung in den Griff bekommen soll, wurden ihm vom Gericht vorgeschrieben. Zudem muss er alle zwei Monate dem Gericht unaufgefordert nachweisen, dass er keinen Alkohol und keine Drogen konsumiert. Weiters wurde Bewährungshilfe angeordnet.
Was bedeutet das?
Das bedeutet, Teichtmeister ist schuldig, muss aber dennoch nicht ins Gefängnis. Dort muss er nur hin, wenn er sich nicht an seine Auflagen, wie eben Therapie, psychiatrische Behandlung, Drogentests und Bewährungshilfe, hält. Sollte er sich daran nicht halten, muss er für zwei Jahre ins Gefängnis und in den Maßnahmenvollzug, der zeitlich unbegrenzt ist. Man wird erst entlassen, wenn "eine wesentliche Minderung der Gefährlichkeit" festgestellt wird. "Über Ihnen hängt ein Damoklesschwert", sagte der Richter am Dienstag.
Ist das Urteil hart oder milde?
Alois Birklbauer, Abteilungsleiter am Institut für Strafrecht an der JKU-Linz, bezeichnet das Urteil im Gespräch mit PULS 24 als "streng, aber vertretbar". Die derzeitige Gesetzeslage sieht als Höchststrafe drei Jahre Haft vor. Zwei Jahre sind es geworden. Bei einem Ersttäter - Teichtmeister war unbescholten - werde in der Regel ein Drittel oder die Hälfte der Höchststrafe verhängt, so Birklbauer. Bei Teichtmeister liege man bei zwei Dritteln.
Die Frage, ob eine Strafe bedingt nachgesehen werde, sei von der Höhe der Strafe zu trennen. Bei der Höhe gehe es um die Schuldfrage. Bei der bedingten Haft gehe es um die Frage der Präventionsprognose - also wie gefährlich der Täter noch sei und ob Therapie helfen könne.
Die Frage der Generalprävention - also der abschreckenden Wirkung auf andere - sei zu vernachlässigen, sagt Birklbauer. "Dafür gibt es keine empirischen Belege".
Was wirkte erschwerend, was mildernd?
Um die Strafhöhe festzulegen, wiegen Richter - im Fall Teichtmeister ein Schöffensenat - mildernde und erschwerende Umstände ab.
- Erschwerend waren bei Teichtmeister die Menge der Kindesmissbrauchsdarstellungen und der lange Tatzeitraum.
- Der Richter führte aber auch einige mildernde Umstände an: Teichtmeister habe einen ordentlichen Lebenswandel, war nicht vorbestraft, sei von Beginn an geständig gewesen, sei seit zwei Jahren in Therapie und habe, wie der Richter anmerkte, "einen Prozess über sich ergehen lassen müssen, der seinesgleichen sucht". Damit meinte der Richter auch die Demonstrationen gegen Teichtmeister, die der eigenen Sache "nichts Gutes" tun würden, weil soziale Ächtung und Vorverurteilung ebenfalls mildernd seien. "Niemand sucht sich aus, dass er pädophil ist", sagte der Richter außerdem - Sucht und Krankheit können ebenfalls mildernd sein. Die Milderungsgründe überwogen damit.
Sind Demos gegen mutmaßliche Täter immer mildernd?
Strafrechtsexperte Alois Birklbauer erklärt im Gespräch mit PULS 24, dass es im Strafgesetzbuch einen "Katalog" mit Erschwerungsgründen und einen mit Milderungsgründen gebe. Ein Geständnis etwa müsse demnach sogar mildernd wirken. Natürlich haben Richter dabei einen Spielraum. Sie müssen sich etwa die Frage stellen, ob ein Geständnis wirklich reumütig sei oder nur aus taktischen Gründen erfolge.
Demonstrationen gegen Täter werden im Gesetz nicht erwähnt. Aber: Als mildernd ist es laut Gesetz zu werten, wenn der Täter "durch die Tat oder als deren Folge eine beträchtliche Körperverletzung oder Gesundheitsschädigung oder sonstige gewichtige tatsächliche oder rechtliche Nachteile erlitten hat".
Bei Teichmeister sei das durchaus anzunehmen, sagt Birklbauer. Er habe nicht nur seinen Job verloren, sondern könne in diesen eher nicht mehr zurückkehren. Zumindest ein Lokal habe verkündet, dass Teichtmeister nicht willkommen sei und vor Gericht und vor dem Haus seiner Mutter wurde demonstriert. Das Gesetz gebe die Möglichkeit, es als mildernd zu werten, wenn Angeklagte "gestraft genug sind, mit dem, wie die Gesellschaft mit ihnen umgeht".
Warum wurde der Besitz von Kokain nicht angeklagt?
Bei der Hausdurchsuchung bei Teichtmeister übergab dieser der Polizei laut Medienberichten auch rund 100 Gramm Kokain. Beim Prozess gab er zu, teils drei Gramm pro Tag konsumiert zu haben. Angeklagt wurde er deshalb nicht, die Staatsanwaltschaft Wien ließ das Verfahren fallen. Teichtmeister habe glaubhaft gemacht, dass er das Kokain nur zum Eigengebrauch gehabt habe.
Was als Eigenbedarf zu werten ist, ist in Österreich in der Suchtgift-Grenzmengenverordnung geregelt. Laut dieser liegt die Grenze bei Kokain bei 15 Gramm "Reinsubstanz".
Man müsste also wissen, wie rein das Kokain war, das Teichtmeister hatte, sagt Strafrechtsexperte Birklbauer. Bei Kokain gehe man gewöhnlich von einem Reinheitsgehalt von 40 bis 50 Prozent aus. Dann wäre das Kokain Teichmeisters eigentlich über der Grenzmenge. Dennoch hätte die Behörden auch dann die Möglichkeit unter dem Motto "Therapie statt Strafe" von der Strafverfolgung abzusehen, so Birklbauer. Beim Prozess wurde klar, dass Teichtmeister nachweisen könne, seit zwei Jahren wegen seiner Sucht in Therapie zu sein.
Was passiert nach den fünf Jahren Probezeit?
Die vom Gericht angeordneten Auflagen muss Teichtmeister in den nächsten fünf Jahren einhalten, sonst wird die zweijährige Freiheitsstrafe und die Unterbringung in einem forensisch-therapeutischen Zentrum schlagend. Laut Strafvollzugsgesetz sind fünf Jahre Probezeit die maximale Probezeit, die verhängt werden kann.
Allerdings sieht das Gesetz auch vor, dass die Probezeit "in den letzten sechs Monaten vor ihrem Ablauf um höchstens drei Jahre" verlängert werden kann. Dies kann auch mehrfach geschehen. Teichtmeisters Auflagen könnten vom Gericht also durchaus länger kontrolliert werden.
Beim Prozess fragte der Richter den Schauspieler, wo sich dieser in fünf Jahren sehe. "In einer verfestigten Therapie und in einem aufrechten Arbeitsverhältnis", erwiderte der 43-Jährige.
Zusammenfassung
- Während Ex-Burgschauspieler Florian Teichtmeister am Dienstag auf der Anklagebank saß, marschierten vor dem Gericht Demonstranten mit einem Galgen auf.
- Sie würden ihrer Sache nicht dienlich sein, sagte der Richter. Aber warum können Demos gegen einen Angeklagten ein Milderungsgrund sein?
- Was bedeutet das Urteil gegen den Schauspieler, was passiert nach der Probezeit und warum wurde er wegen des Kokains nicht angeklagt?
- Was ist dran an der Kritik am Urteil über Florian Teichtmeister?
- PULS 24 mit den wichtigsten Fragen und Antworten.