Tag der Notfallmedizin - Notfallpflege-Ausbildung gefordert
Sie sind zumeist an andere Abteilungen angegliedert und haben gut ein Dutzend Bezeichnungen - Österreichs Notaufnahmen sind je nach Bundesland und Betreiber nach wie vor sehr unterschiedlich organisiert, was medizinische, organisatorische und personelle Herausforderungen mit sich bringt. Obwohl im Österreichischen Strukturplan (ÖSG) die "Zentrale Ambulante Erstversorgung" (ZAE) als eigene Abteilung vorgesehen sei, haben laut Erhebungen der BAG Notfallpflege derzeit nur rund 20 Prozent der Kliniken eine solche. Wie viele Patienten in Notaufnahmen behandelt werden, wird laut der BAG Notfallpflege nicht systematisch erhoben.
In Deutschland, wo 2018 mit 21 Mio. Personen rund 70 Prozent aller Patienten in Notaufnahmen (erst)versorgt wurden, geht man von einer jährlichen Steigerung des Patientenaufkommens von fünf bis acht Prozent aus. Damit sei die Notaufnahme einer der am schnellsten wachsenden Klinikbereiche. Ähnliches sei für Österreich zu erwarten. "Der Bereich der Notfallmedizin und -pflege erfährt international eine Professionalisierung, was sich in Österreich derzeit aber in keiner Weise abbildet. In der Entwicklung der Notaufnahmen hinkt Österreich um Jahre hinterher", so Matthias Hellmair, Stationsleiter der Notaufnahme am Landeskrankenhaus Feldkirch und Mitbegründer der BAG Notfallpflege im Österreichischen Gesundheits- und Krankenpflegeverband (ÖGKV). Getragen wird die BAG von Fachleuten der Notfallpflege aus allen Bundesländern, unterstützt von Fachgesellschaften der Notfall- und Intensivmedizin.
Anders als in anderen Ländern und Pflegebereichen, etwa der Intensivpflege, gebe es in Österreich keine Vorgaben zur Mindestpersonalbesetzung in den Notaufnahmen. Dringend fehle zudem eine Zusatzausbildung für die Notfallpflege. In Deutschland gibt es eine solche seit 2016 bundesweit, in der Schweiz bereits seit 2007. "Im Prinzip kann man in Österreich am ersten Tag nach der Krankenpflegeschule in einer Notaufnahme beginnen", so der Hellmair im APA-Gespräch. Dabei müssten Pflegende dort in einem hochdynamischen Setting eine große medizinische Bandbreite - von der Bagatelle bis zum lebensbedrohlichen Akutfall - abdecken, Patienten unterschiedlicher Kulturkreise aller Altersschichten sowie mitunter einen Massenanfall bei Großereignissen bewältigen, dazu kämen immer wichtiger werdende Kompetenzen in der Ersteinschätzung, der Deeskalation von Konflikten und im Opferschutz.
Bisher würden Pflegende darauf nur unzureichend in ihrer Aus- und Fortbildung vorbereitet, was gerade bei jüngeren Kollegen und Kolleginnen zu Unsicherheit und Überforderung führe. "Das wiederum vermindert die Zufriedenheit, steigert die Fluktuation und erhöht die Drop Out-Gefahr", so Hellmair. Dabei handle es sich bei der Notfallpflege eigentlich um einen fachlich interessanten Bereich, der viele engagierte Kräfte anziehe. Diese könnten durch eine - infolge der Anerkennung der Sonderausbildung auch finanzielle - Aufwertung als Notfallpfleger langfristig gebunden werden, zudem profitierten die Patienten.
"Wenn der politische Wille da ist, wäre eine Sonderausbildung Notfallpflege analog zur Intensiv- oder Anästhesiepflegeausbildung recht rasch umsetzbar", betonte Hellmair. In eine Ausgestaltung dieser dann auch international vergleichbaren Zusatzqualifikation will die BAG Notfallpflege eingebunden werden. Derzeit arbeite man als Grundlage für Fachhochschulen detaillierte Lerninhalte aus und suche das Gespräch mit politisch Verantwortlichen.
Aus dem Gesundheitsministerium hieß es dazu, dass Notfallaufnahmen unterschiedlich organisiert seien, "weil diese in die jeweilige Krankenanstalten-Organisation des Landes eingebettet sind und es auch von der Personalausstattung, dem Leistungsspektrum und dem Versorgungsauftrag der jeweiligen Krankenanstalt abhängt, welches Ausmaß von bzw. welche Leistungserbringung der fachspezifischen Versorgung vorgeschaltet ist". In vielen Fällen sei eine eigene Struktur "Notfallaufnahme" nicht vorgesehen, kritische Fälle würden direkt nach der Erstbegutachtung in den Erstversorgungsambulanzen in die stationäre Versorgung der Krankenanstalten verlegt.
Eine allgemeine Vorgabe zur Einrichtung von Notfallabteilungen sei daher "nicht geeignet" - im Jahr 2022 gab es in ganz Österreich 23 Zentrale Notaufnahmen, in denen 33.471 Personen behandelt wurden. Dasselbe gelte für eine Mindestpersonalbesetzung: "Eine diesbezügliche Vorgabe ist aufgrund der Heterogenität der Ausgestaltung der Krankenanstalten-Organisation und der Erstversorgungseinheiten in den Krankenanstalten nicht vorgesehen."
Einheitlich organisierte Notaufnahmen dürfte es daher auch weiterhin nicht geben, anders könnte es bei der Sonderausbildung aussehen: Aufgrund der gestiegenen Anforderungen an das Pflegepersonal sei eine weitere Aufwertung der Ausbildung unerlässlich. Im Ministerium seien die notwendigen Vorarbeiten am Laufen, "um die berufsrechtlichen Grundlagen für eine solche Spezialisierung zu schaffen", hieß es.
Zusammenfassung
- Die Bundesarbeitsgemeinschaft Notfallpflege Österreich fordert anlässlich des Tags der Notfallmedizin die Einführung einer spezialisierten Ausbildung für Notfallpflege, ähnlich wie in Deutschland und der Schweiz.
- Aktuell gibt es in Österreich keine einheitlichen Vorgaben zur Mindestpersonalbesetzung in Notaufnahmen, und nur etwa 20% der Kliniken verfügen über eine eigene Abteilung für zentrale ambulante Erstversorgung.
- Das österreichische Gesundheitsministerium arbeitet an den berufsrechtlichen Grundlagen, um eine Spezialisierung in der Notfallpflege zu ermöglichen, was zu einer dringend benötigten Aufwertung der Ausbildung führen könnte.