Rauch für Umkehr der Wege im Gesundheitssystem
Es ist laut Rauch nicht immer notwendig, dass die Rettung gerufen wird und diese dann jeden Patienten in die teuerste Gesundheitseinrichtung - das Spital - bringe. Für die Reformen forderte der Minister mehr Digitalisierung. "Ich muss auf meinem Handy auf alle meine Gesundheitsdaten zugreifen können." Von verschiedenen Stellen Befunde und Bilder zusammensuchen zu müssen, "das geht nicht mehr", sagte er. "Es gibt Länder, die machen das seit langem und es funktioniert", verwies Rauch etwa auf Israel.
"Die österreichische Gesundheitsversorgung ist schwer medizinlastig, ärztelastig", sagte Mursch-Edlmayr. Im internationalen Vergleich habe Österreich genügend Ärzte, "aber es hapert ein bissl an der Verteilung", sagte sie. Neben der Forderung nach einer telemedizinischen Plattform als frühe Anlaufstelle für Patientenfragen bot sie daher an, Apothekenräumlichkeiten für Ärzte zur Verfügung zu stellen. "Wir haben 1.400 Apotheken, die flächendeckend verteilt sind, wir haben Räumlichkeiten, wir haben Dienstzimmer." Ärzte könnten "bei uns ordinieren".
Wenn man jetzt nicht handle, werde man das Gesundheitssystem "an die Wand fahren", sagte Rauch. Die Chance der Finanzausgleichsverhandlungen müsse heuer genutzt werden, sonst bleibe die nächsten fünf Jahre alles wie es ist. "Wenn wir die sieben Milliarden Euro jetzt nicht investieren, dann wird es doppelt teuer", betonte der Gesundheitsminister. Er wolle die Reformen aus einer Situation heraus angehen, "wo es noch Gestaltungsmöglichkeiten gibt", nicht erst aus einer Not heraus.
Der Wiener Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) wünschte sich in Bezug auf den Medikamentenmangel, dass ein digitales System zustandegebracht wird, das den Patienten sagen kann, in welcher Apotheke eine Arznei vorrätig ist oder in welcher es innerhalb von drei Stunden verfügbar sein kann. "Ich glaube, das ist möglich." Die Apotheken hätten bereits einen "wahnsinnigen Vorsprung" in Sachen Digitalisierung, lobte er. Mursch-Edlmayr, antwortete, solch ein System sei "work in progress", die Benutzerfreundlichkeit müsse aber schlussendlich passen.
Beim Arzneiengpass müsse sich die Politik um die Bevorratung und eine Verringerung der Abhängigkeit vom Ausland kümmern, fügte Rauch hinzu. "Wir werden uns in der Bevorratung europäisch aufstellen müssen und auch im eigenen Haus", erläuterte er. "Da sind wir auf einem guten Weg, das gemeinsam hinzubekommen."
Für einen "Schulterschluss der Gesundheitsberufe" - vor allem auch zwischen Apothekern und Ärzten - plädierten am Donnerstagnachmittag Frank Ulrich Montgomery, bis vor kurzem Chef des Weltärztebundes, und der niederösterreichische Patientenanwalt Gerald Bachinger. Bezüglich des von der Apothekerkammer geforderten Impfens auch durch Apotheker, sagte Bachinger, er kenne "keine Evidenz, die dahin geht, dass bei gut ausgebildeten Berufsgruppen eine Senkung der Patientensicherheit gegeben wäre". Er zweifelte jedoch, ob wir in Österreich schon so weit sind, "inhaltlich" darüber zu diskutieren. "Es wäre interessant, ein gemeinsames Papier zwischen den Berufsgruppen zu haben", schlug der Jurist vor.
Der deutsche Mediziner Montgomery sprach sich wegen der wichtigen Patientenanamnese, möglicher Vorerkrankungen und Nebenwirkungen gegen ein Impfen durch Apotheker aus, nicht so sehr wegen der sehr seltenen allergischen Schocks nach Impfungen, wie er betonte. 2.000 Apothekerinnen und Apotheker hätten sich bisher in Österreich zum Impfen ausbilden lassen, nur dürfen sie dies gesetzlich noch nicht, berichtete Susanne Ergott-Badawi, Vizepräsident der Österreichischen Apothekerkammer. Sie hoffte auf eine Änderung durch die Politik und sprach von einem ergänzenden bzw. unterstützenden Angebot zu jenem der Ärzte.
Zusammenfassung
- Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) hat am Donnerstag beim Festkongress anlässlich 75 Jahre Österreichische Apothekerkammer in Wien bekräftigt, dass es bei der Gesundheitsreform auch eine Umkehr der Wege im Gesundheitssystem brauche.
- Apothekerkammerpräsidentin Ulrike Mursch-Edlmayr forderte dafür u.a. eine neue telemedizinische Plattform.
- Wenn man jetzt nicht handle, werde man das Gesundheitssystem "an die Wand fahren", sagte Rauch.