Polizeigewalt SimmeringPULS 24

Kopf gegen den Asphalt: Polizist freigesprochen

Vergangenen Mai schlug ein Polizist den Kopf eines 19-Jährigen mehrmals gegen den Asphalt. Am Mittwoch wurden weitere Personen befragt, am Ende einer teils verbal aggressiven Verhandlung wurde der Polizist freigesprochen. Das Urteil ist jedoch nicht rechtskräftig.

Im Rahmen einer Identitätsfeststellung schlug am 7. Mai 2023 ein Polizist den Kopf eines Schülers mehrmals gegen den Boden. Ein PULS 24 Video zeigte, wie ein Beamter den Kopf des jungen Mannes dabei gegen den Asphalt schlägt, es bildet sich eine Blutlache.

Am Mittwoch musste sich der Beamte wegen Amtsmissbrauchs vor einem Schöffengericht verantworten. 

Der zweite Prozesstag war von Aussagen von neuen Zeug:innen und Auseinandersetzungen zwischen Richter, Staatsanwältin und Verteidiger geprägt. Schließlich wurde der Polizist freigesprochen, es habe keinen "wissentlichen Befugnismissbrauch" gegeben. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

PULS 24 Video zeigt den Vorfall

Sorge vor weiteren Verdächtigen 

Eigentlich hätte der Prozess nur einen Tag dauern sollen. Am Straflandesgericht merkte man am Mittwoch öfter Unmut darüber, dass es doch zu einem zweiten Verhandlungstag gekommen war. Der entlud sich in teils heftigen verbalen Auseinandersetzungen.

Zuerst wurde aber erneut der angeklagte Polizist kurz befragt. Die Staatsanwältin wollte den Ablauf am 7. Mai klären. Ihr ging es offenbar darum festzustellen, ob es plausibel war, dass der Schüler bei seiner Fixierung noch als Verdächtiger gehandelt wurde. Laut dem Angeklagten schon, rund um den mutmaßlichen Mordfall in Simmering sei die Rede von mehreren Tatverdächtigen gewesen.

Kopf gegen den Asphalt "nicht ganz normal"

Das geklärt, ging es zu den Aussagen der Zeug:innen. Ein Geschäftsbesitzer hätte zwar die Schläge nicht gesehen, teilte via seinem Übersetzer aber mit: "Es ist halt nicht ganz normal, wenn drei bis vier Polizisten auf einem Jungen liegen."

Die Beamten seien "aggressiv" gewesen.

Passantin konfrontierte Polizei

Als nächste Zeugin sagte eine Passantin aus, die sich selbst gemeldet hatte, weil sie im Fernsehen die Berichterstattung über den Vorfall gesehen hatte. Sie hätte die beteiligten Polizist:innen noch am Tatort konfrontiert. Daran kamen im Laufe ihrer Schilderung aber immer mehr Zweifel auf.

Die Zeugin gab an, gesehen zu haben, wie der Angeklagte den Kopf des Schülers auf den Boden geschlagen habe. Sie sei hingeeilt und habe den Polizisten angewiesen, das zu lassen, der Beamte habe gesagt, "Gehen Sie weiter!" Die Zeugin jedoch sei vor Ort geblieben.

Zeugin bei einem anderen Vorfall?

Doch ihre Aussagen waren widersprüchlich: Sie sei bei Dunkelheit oder Dämmerung auf die Polizisten gestoßen, auch seien es nur zwei gewesen. Auf sämtlichen Videos ist es aber hell, es fixieren zudem immer mindestens vier Beamt:innen das Opfer.

"Ich glaube, die Zeugin spricht von einem anderen Vorfall", stellte der Richter schließlich fest.

Zuletzt sagte jene Polizistin aus, die bereits am ersten Prozesstag geladen war, damals krankheitsbedingt aber nicht erscheinen konnte. Sie schloss sich am Mittwoch den Aussagen ihrer Kollegen an: Das Opfer "wollte sich aus der Fixierung lösen" und habe "sehr viel Kraft" verwendet. Was ihr angeklagter Kollege getan habe, habe sie nicht gesehen, weil sie selbst zu beschäftigt gewesen sei.

Der Anwalt des Opfers im Interview

"Jetzt reicht's dann langsam!"

Der Prozess drohte daraufhin sich noch einmal zu verlängern: Ein weiterer Passant und ein medizinischer Sachverständiger sollten als Zeugen geladen werden. Letzterer sollte erklären, dass sich das Opfer seine Wunde selbst durch Reiben am Asphalt, nicht aber durch das Schlagen auf den Boden geholt hätte.

Die Empörung über diese These des Verteidigers war groß im Saal. "Jetzt reicht's dann langsam", wurde die Staatsanwältin laut. Auch der Richter hatte sichtlich genug, er schlug mit den Händen auf den Tisch und verkündete: "Jetzt wird dieser Prozess einmal zu Ende geführt."

Wenig überraschend wurden die Anträge auf weitere Zeugen abgelehnt, man hätte schon genügend Beweismaterial.

Polizist schilderte "Was wäre, wenn"-Szene

Die letzten Worte hatte der Angeklagte selbst, er nutzte sie für eine dramatische "Was wäre, wenn"-Szene. "Ich wollte das Opfer nicht verletzten", stellte er voran, bevor er zu dem Gedankenexperiment aufrief: "Stellen Sie sich vor, Sie spazieren mit ihrem Partner an der Hand auf der Simmeringer Hauptstraße."

In seiner Version drückte er das Opfer nicht zu Boden, deswegen bekam es die Hand frei und griff unter die Jacke. Dann: Ein Knall, ein Polizist wurde getroffen. Noch ein Knall, niemand wurde verletzt.

Der Angeklagte setzte zum Höhepunkt seines Gedankenexperiments an. Ein dritter Knall: "Der Druck in Ihrer Hand nimmt plötzlich nach und Ihr Partner sinkt zu Boden."

Die Stimmung im Saal war etwas von verbissenem Lachen geprägt, die Schöff:innen verzogen aber keine Miene.

Erster Prozesstag: Angeklagter sah keine Schuld

Freispruch für Polizisten

Wenig später folgte trotzdem der Freispruch. Für einen Schuldspruch wegen Amtsmissbrauches müssten Befugnismissbrauch und das Wissen darüber gegeben sein, so der Richter. Die Schöff:innen kamen zur Ansicht, dass der Angeklagte den Kopf des Opfers nach unten gedrückt habe, "um die Festnahme" durchzusetzen, da das Opfer sich zu dem Zeitpunkt noch weiter gewehrt hatte.

Die Gewaltanwendung bei dem Vorfall sei ein "Grenzfall". In der "dynamische Situation" habe der Angeklagte seine Entscheidung in wenigen Sekunden getroffen. "Die Handlung des Angeklagten war in diesem Moment gerade noch vertretbar" und somit nicht strafbar.

Nichtigkeitsbeschwerde angemeldet

Die Staatsanwältin lehnte das Urteil prompt ab, es wirke, als ob der Richter sein Urteil vorformuliert habe. Wieder wurde es lauter, der Richter verteidigte sich scharf.

Wie er das Urteil verkünde, sei seine Angelegenheit. Zudem hätte er auch verschiedene Urteile vorbereiten können. Das ließ die Staatsanwältin nicht gelten, sie werde eine Nichtigkeitsbeschwerde anmelden.

In nächster Folge wird das nicht rechtskräftige Urteil nun verschriftlicht und geht dann samt Nichtigkeitsbeschwerde an den Obersten Gerichtshof (OGH). Der muss entscheiden, ob der Beschwerde stattgegeben wird, und was der weitere Verlauf ist.

Der Liveblog zur Nachlese:

Liveblog

Amtsmissbrauch: Zweiter Prozesstag für Polizisten

ribbon Zusammenfassung
  • Vergangenen Mai schlug ein Polizist den Kopf eines 19-Jährigen mehrmals gegen den Asphalt.
  • Der erste Prozesstag wegen Amtsmissbrauches musste nach der Befragung mehrere Zeug:innen vertagt werden.
  • Am Mittwoch wurden weitere Personen befragt, am Ende einer teils verbal aggressiven Verhandlung wurde der Polizist freigesprochen.
  • Das Urteil ist nicht rechtskräftig.