Österreicher erforschen Steinzeit-Erfindungen in Südafrika
Vor etwa 135.000 bis 75.000 Jahren, ein Abschnitt, der zum "Middle Stone Age" (Mittlere Altsteinzeit) gehört, herrschten angenehme klimatische Bedingungen im heutigen Südafrika. Es war wärmer und feuchter als in den Phasen unmittelbar davor und danach. In dieser Zeit fand unter anderem in Südafrika eine entscheidende Phase in der kulturellen Evolution des Menschen statt: Es traten neue Verhaltensweisen der Jäger- und Sammlergesellschaften auf. Die Menschen testeten neue Ideen, wie frühe Erfindungen belegen.
"Erstmals nutzten die Menschen damals Tempern, verbesserten also die Eigenschaften von Gesteinen durch Feuer", nennt Grabungsleiterin Viola Schmid vom Österreichischen Archäologischen Institut (ÖAI) der ÖAW im Gespräch mit der APA ein Beispiel. Das setze ein sehr gutes Verständnis zu Gesteinen voraus. Weiters seien neue Werkzeugtypen und damit auch neue Jagdwaffen eingesetzt worden.
So belegen etwa die feinen Zähnungen der spitz zulaufenden Kanten von Steinwerkzeugen, die in der Sibhudu Cave (Provinz KwaZulu-Natal) gefunden wurden, dass eine innovative Technik bei ihrer Herstellung angewandt wurde. Untersuchungen von Gebrauchsspuren auf den Werkzeugen zeigten, dass diese Stücke als geschäftete Projektile für neue Jagdmethoden eingesetzt wurden.
"Es gibt auch andere Funde, die auf komplexes Verhalten hindeuten, etwa Knochenwerkzeuge, die vermehrte Verwendung von Ocker, wie Ockerstücke mit eindeutigen Abriebspuren zeigen, oder eindeutig von Menschen eingebrachte Straußenei-Fragmente, die als Wasserbehälter gedeutet werden", sagte die Archäologin. All dies zeuge von einer gewissen Planungstiefe und komplexeren Verhaltensweisen, muss doch das Rohmaterial geholt und bearbeitet werden, "es sind mehrere kognitive Schritte dahinter, bevor ein Objekt verwendet werden kann". Solche komplexen kognitiven Fähigkeiten zum Planen und abstrakten Denken seien mit jenen des modernen Menschen vergleichbar.
Noch ist nicht klar, wie, wann und warum sich diese Entwicklungsprozesse vollzogen haben. In Kooperation mit Will Archer vom Nationalmuseum in Bloemfontein (Südafrika) will Schmid im Rahmen ihres vom Wissenschaftsfonds FWF geförderten Projekts "Zeit essentieller Veränderungen in der Menschheitsgeschichte" erforschen, welche frühen technologischen Errungenschaften in dieser Zeit auftreten und welche Veränderungen diese Innovationen in den Verhaltensweisen steinzeitlicher Menschen bewirkten. Zudem wollen sie auch die Auslösemechanismen für die Veränderungen identifizieren und die Vernetzung und den Wissenstransfer zwischen Fundplätzen analysieren.
Dazu wird sie nach ersten Oberflächenbegehungen und Feldarbeiten im Vorjahr heuer Grabungen in der Rose Cottage Cave (Provinz Free State) durchführen und ihre Ergebnisse mit Funden aus der Sibhudu Cave und dem Bushman Rock Shelter (Provinz Limpopo) vergleichen. Diese weisen ebenfalls Besiedlungsschichten aus der Mittleren Altsteinzeit auf. Die drei Orte liegen in unterschiedlichen Vegetationszonen und in bisher noch weniger gut erforschten Regionen.
Die Rose Cottage Cave liegt in 1.676 Metern Seehöhe an den Nordhängen des Platbergs in der Nähe des Städtchens Ladybrand. Es handelt sich um einen Felsüberhang, dessen rund 125 Quadratmeter großer Innenraum zusätzlich von einem riesigen, davorliegenden Felsblock geschützt wird. "Das ist auch der Grund, warum sich an dieser Fundstelle diese sieben Meter mächtige Abfolge von Kulturschichten erhalten hat", betonte Schmid. Die ältesten sind etwa 100.000 Jahre alt, die jüngsten stammen von Wildbeutern von vor rund 500 Jahren.
Anfang Dezember sollen beim "Austrian Archaeology in South Africa Day" in Johannesburg aktuelle Ergebnisse des Projekts präsentiert werden.
(S E R V I C E - Projekt-Website: https://go.apa.at/GmNqbkGr)
Zusammenfassung
- In Südafrika erforschen österreichische Archäologen die Mittlere Altsteinzeit, um frühe menschliche Erfindungen und Verhaltensweisen zu entschlüsseln.
- Neue Techniken wie das Tempern von Gesteinen, innovative Steinwerkzeugherstellung und die Nutzung von Straußenei-Fragmenten als Wasserbehälter belegen komplexe kognitive Fähigkeiten.
- Geplante Grabungen in der Rose Cottage Cave sollen die Forschung vertiefen; erste Ergebnisse werden im Dezember in Johannesburg präsentiert.