NHM zeigt mit neuer "Arktis"-Schau "Welt im Wandel"
Einblicke in die nördlichste Region der Erde gibt man nun in sechs statt den bisher vier zur Verfügung stehenden Kabinetten sowie zwei Sonderausstellungssälen im Haus an der Wiener Ringstraße. Der Fokus auf die arktischen Breiten sei seit Beginn der Planungen vor ein paar Jahren zuletzt "noch aktueller geworden", meinte NHM-Generaldirektorin Katrin Vohland am Dienstag im Rahmen der Präsentation der neuen Schau. Nicht zuletzt durch die dort noch rascher und intensiver einsetzende Erhöhung der Durchschnittstemperaturen rücken neue Handelsrouten und der Zugang zu leichter erreichbaren fossilen Rohstoffen weiter in den Vordergrund.
Das war auch der Ansporn für den Versuch der Erschließung dieses einst so unwirtlichen Lebensraumes im 19. Jahrhundert - dem "Arktischen Jahrhundert", wie es der Ko-Kurator der Ausstellung und Direktor des Archivs für Wissenschaftsgeschichte des NHM, Martin Krenn, ausdrückte. In diesem Wettlauf mischte auch Österreich-Ungarn vor allem in Form der "Payer-Weyprecht-Expedition" mit. Im kollektiven Gedächtnis verankert ist bis heute die Entdeckung der unter dem Namen "Franz-Josef-Land" firmierenden Inselgruppe im Nordpolarmeer. Mit der Eröffnung der neuen Ausstellung habe man "fast eine Punktlandung" zum 150-Jahr-Jubiläum der Expedition hingelegt, betrat doch Anfang November des Jahres 1873 die leidgeprüfte Mannschaft erstmals die Inseln, wie Andreas Hantschk, Kurator und Mitarbeiter der NHM-Abteilung Wissenschaftskommunikation, erklärte.
Einige Original-Mitbringsel aus dem Fundus der wie durch ein Wunder verlustarmen Expedition - bis auf einen Teilnehmer kehrten 1874 alle wieder nach Wien zurück - sind nun im zweiten Saal der Sonderschau zu besichtigen. Dort ist dem prägenden Abenteuer ein recht großer Bereich gewidmet. Gewissermaßen war dies der Startschuss für die bis heute bestehende österreichische Polarforschung, wie der Direktor des an Konzeption und Umsetzung der Ausstellung federführend beteiligten Austrian Polar Research Institute (APRI), Wolfgang Schöner, erklärte.
Schon Ko-Expeditionsleiter Carl Weyprecht sei klar gewesen, dass man sich diesem Naturraum nur im breiten Verbund forschend annähern kann. Seine Überlegungen führten noch im 19. Jahrhundert zum ersten "Internationalen Polarjahr". Das fünfte seiner Art wurde vor kurzem für das Jahr 2032-2033 anvisiert.
In die Aktivitäten heimischer Wissenschafterinnen und Wissenschafter oberhalb des Polarkreises heutzutage kann man in vielen Bereichen von "Arktis. Polare Welt im Wandel" eintauchen. Insgesamt sechs "Forscher*innen-Säulen" geben Einblick in die Arbeiten. So erklärt etwa die an der Universität Innsbruck tätige Geologin und Höhlenforscherin Gina Moseley, wonach sie in den nördlichsten Höhlen der Welt auf Grönland sucht, oder der Biologe Günter Köck vom Institut für Interdisziplinäre Gebirgsforschung der Akademie der Wissenschaften (ÖAW), was es mit seinen Langzeitmessungen der Quecksilberkonzentrationen in arktischen Fischen auf sich hat. Schöner wies auf die ebenfalls in der Schau präsente, kürzlich eröffnete erste österreichische Forschungsstation auf Grönland - die Sermilik-Station - hin.
Letztlich brauche es den Blick in den hohen Norden auch aus mehr oder weniger eigennütziger Sicht. Die Veränderungen dort könne man nämlich durchaus auch "vor der Haustür" in unseren Breiten wahrnehmen. So schwächt die massive Temperaturerhöhung in der Arktis den "Jetstream" ab, der wiederum unser tägliches Wetter mitbestimmt. Die Meeresströmungen werden ebenfalls durch das zunehmende Schmelzwasser rund um den Nordpol beeinflusst und der tauende Permafrostboden setzt zusätzliche Treibhausgase frei - mit entsprechenden Effekten auf die globale Klimaerwärmung, so Schöner: Die sogenannte "Arktische Verstärkung" gehe also bei weitem nicht nur die dort ansässigen Menschen etwas an, denen eine eindrucksvolle Fotostrecke des kanadischen Fotografen Brian Adams - nicht zu verwechseln mit dem ebenfalls fotografierenden Rocksänger Bryan Adams - gewidmet ist.
Wie sich die Eiswelt und die anschließende Tundra weiter entwickeln, sei noch nicht klar absehbar. Ob es in 100 Jahren noch Eisbären gibt, oder sie von Grizzly-Eisbär-Hybriden - oft als "Cappuccinobären" bezeichnet - abgelöst werden, ebenso. Die erstaunliche Vielfalt des Lebens in der Region um den laut NHM-Forscherin Bettina Riedel "kleinsten Ozean der Welt" habe jedenfalls das Zeug zur Faszination, die man mit der Ausstellung einfangen wolle - auch um vielleicht einen kleinen Beitrag zu deren Erhalt zu leisten, so Vohland.
(S E R V I C E - https://www.nhm-wien.ac.at)
Zusammenfassung
- Der Fokus auf die arktischen Breiten sei seit Beginn der Planungen vor ein paar Jahren zuletzt "noch aktueller geworden", meinte NHM-Generaldirektorin Katrin Vohland am Dienstag im Rahmen der Präsentation der neuen Schau.
- Seine Überlegungen führten noch im 19. Jahrhundert zum ersten "Internationalen Polarjahr".
- Die Veränderungen dort könne man nämlich durchaus auch "vor der Haustür" in unseren Breiten wahrnehmen.