Menschen in Lebenskrisen wünschen sich unkomplizierte Hilfe
SUPRA wurde vor elf Jahren vom Gesundheitsministerium ins Leben gerufen, um zu skizzieren, was in Österreich hinsichtlich Suizidprävention getan werden könnte bzw. sollte. "Wir haben das Rad nicht neu erfunden, sondern alle Stakeholder ins Boot geholt, auch Betroffene", meinte Alexander Grabenhofer-Eggerth, Abteilungsleiter Psychosoziale Gesundheit in der GÖG (Gesundheit Österreich GmbH) im APA-Gespräch. Es gab nämlich schon einen Präventionsplan, jedoch wurden erstmals genaue Zuständigkeiten und Zeiträume für Maßnahmen und Ziele festgelegt. Sogenannte "quick wins" - schnell erzielte Resultate ohne großen Aufwand - wurden hier definiert, etwa die Erstellung eines jährlichen Suizidberichts.
Das Thema ist nämlich immer noch mit vielen Tabus behaftet, sagte Grabenhofer-Eggerth. Auch wenn Suizidprävention in Österreich eine lange Tradition hat - bereits die Wiener Rettungsgesellschaft kümmerte sich seit 1910 darum, später auch die Mediziner Viktor Frankl, Erwin Ringel oder Gernot Sonneck -, würden sich Betroffene aus Scham trotzdem keine oder zu spät Hilfe suchen. Umso wichtiger ist der niederschwellige Zugang zu Hilfsmaßnahmen. Dieses Problem soll in Zukunft durch eine bundesweit einheitliche, überkonfessionelle Telefonnummer, die direkt an eine lokale Kriseninterventionseinrichtung weiterleitet, gelöst werden. "Daran arbeiten wir nach wie vor", sagte Grabenhofer-Eggerth.
Auch eine Website - derzeit sind die Informationen über SUPRA auf der Seite des Gesundheitsministeriums eingebettet - soll die nötige Auskunft für Hilfesuchende geben. Momentan führt von der Homepage des Ministeriums zunächst auf eine Webpage mit den wichtigsten Fakten.
Die anhaltenden Krisen nach der Pandemie bedeutet vor allem für Kinder und Jugendliche eine große Belastung. Das sei kein österreichisches Phänomen, diese Tendenz würde sich auch in anderen Ländern zeigen, so Grabenhofer-Eggerth. Seit Jahresbeginn 2021 wurde laut dem jüngsten Suizidbericht des österreichischen Gesundheitsministeriums "deutliche Hinweise auf eine Zunahme an Suizidgedanken und Suizidversuchen, vorwiegend bei Mädchen und jungen Frauen" verzeichnet. "Die Belastungssituation hat sich nicht entspannt", meinte Grabenhofer-Eggerth. Doch die Pandemie hätte einen Vorteil gehabt, es seien in dieser Zeit psychische Probleme öfter thematisiert worden und deshalb würde sich diese Altersklasse eher Hilfe suchen als ältere Betroffene, auch weil ihnen das laut Grabenhofer-Eggerth über das Internet leichter fällt.
Bei der älteren Generation ist allerdings das Thema Einsamkeit auch nach der Pandemie verstärkt eingetreten. Viele Angebote, die es für Pensionistinnen und Pensionisten gegeben habe, seien nach der Corona-Pandemie nicht mehr in dem Ausmaß wie zuvor vorhanden, glaubt der Experte. Auch die Angst vor großen Menschenansammlungen und einer möglichen Ansteckung lassen ältere Menschen eher zu Hause bleiben.
Die Situation bei der kassenunterstützten Psychotherapie hat sich in den vergangenen Jahren zudem weiter zugespitzt, vor allen in der Versorgung bei Kindern und Jugendlichen. Lange Wartezeiten für die Behandlung bzw. die Nachbetreuung gestalteten den Zugang laut Grabenhofer-Eggerth noch schwieriger. "Die Angebote für kassenfinanzierte Psychotherapie erreichen gerade zwei Prozent der Bevölkerung", sagte der Experte. "Wünschenswert wäre natürlich wesentlich mehr." Auf Nachfrage meinte der Psychologe: "Das Doppelte locker." Denn nach seinen Angaben leidet ein Viertel der Bevölkerung an einer psychischen Erkrankung. Nicht alle seien behandlungsbedürftig, die Hälfte der Fälle jedoch schon.
Vor allem in ländlichen Gegenden, wo es im Gegensatz zu Ballungsräume weniger Angebote gibt, können die Bedürfnisse der Betroffenen ganz anders sein. "Aber der zentrale Faktor in der Suizidprävention ist, dass Behandlungsmethoden verfügbar sind", so Grabenhofer-Eggerth. So wurden etwa vor drei Jahren Gatekeeper der Suizidprävention installiert. Das sind Berufsgruppen bzw. Personen, die eine Schlüsselposition als Ansprechpartnerinnen bzw. Ansprechpartner für betroffene Risikopersonen einnehmen. Diese Personen kommen aufgrund ihrer beruflichen oder sozialen Position mit betroffenen Personen in Kontakt und haben dabei die Chance, Hilfestellung zu geben bzw. essenzielle professionelle Hilfe zu vermitteln. "Das können Polizisten sein, aber auch Mitglieder einer Blasmusikkapelle", sagte der Psychologe.
SUPRA hat bereits international Aufmerksamkeit erlangt und 2017 eine Auszeichnung erhalten. Kurz vor Ausbruch der Pandemie wurde das Modell als eines von zwei europäischen Best-Practice-Beispielen ausgewählt, die zur Ausrollung über die EU-Joint-Action übernommen wurden. Das SUPRA-Handbuch, das die Erfahrungen seit 2012 zusammenfasst, bildet einen Leitfaden für die Umsetzung eines nationalen Suizidpräventionsprogramms, das auch für andere Länder hilfreich sein soll.
"Wichtig ist, dass eine suizidale Krise keine Einbahnstraße sein muss", sagte Grabenhofer-Eggerth. Betroffene, die einen Weg aus der Lebenskrise geschafft haben, gehören "vor den Vorhang geholt", um anderen Mut zu machen. Am Sonntag ist der Welttag zur Suizidprävention.
(S E R V I C E - Sie sind in einer verzweifelten Lebenssituation und brauchen Hilfe? Sprechen Sie mit anderen Menschen darüber. Hilfsangebote für Personen mit Suizidgedanken und deren Angehörige bietet das Suizidpräventionsportal des Gesundheitsministeriums. Unter www.suizid-praevention.gv.at finden sich Kontaktdaten von Hilfseinrichtungen in Österreich.)
Zusammenfassung
- SUPRA wurde vor elf Jahren vom Gesundheitsministerium ins Leben gerufen, um zu skizzieren, was in Österreich hinsichtlich Suizidprävention getan werden könnte bzw. sollte.
- So wurden etwa vor drei Jahren Gatekeeper der Suizidprävention installiert.
- Das sind Berufsgruppen bzw. Personen, die eine Schlüsselposition als Ansprechpartnerinnen bzw. Ansprechpartner für betroffene Risikopersonen einnehmen.
- Am Sonntag ist der Welttag zur Suizidprävention.