Klimaökonomin Stagl ist "Wissenschafterin des Jahres"
Emissionshandel und CO2-Zertifikate, Energiewende, Gaskrise, Kreislaufwirtschaft - es gibt viele viel diskutierte Themen, die sich um Stagls Arbeitsschwerpunkt, die nachhaltige Transformation der Wirtschaft, ranken. Ja, das Bewusstsein für die Endlichkeit der Ressourcen und ein neues, nicht nur auf Wachstum ausgelegtes Wirtschaftssystem sei gestiegen, sagte die Professorin für Ökologische Ökonomie zur APA: "Ich beobachte, dass durchgehend die Message angekommen ist."
"Es gibt natürlich manche Teile der Wirtschaft, wo man versucht, alte Geschäftsmodelle so lange wie möglich zu nutzen und damit Gewinne zu machen." Am anderen Ende des Spektrums stehe "eine Avantgarde" - österreichische Innovatoren, "die wirklich Weltspitze sind". Dazwischen zeige sich das breite Mittelfeld, wo sich aber auch einiges in Richtung Innovation tue. Dennoch, die gesamtgesellschaftlichen und vor allem auch politischen Reaktionen auf den dringend geforderten Systemumbau würden noch viele Wünsche offenlassen.
"Das Wichtigste wäre meines Erachtens, dass man Klimapolitik nicht als eigenen Bereich sieht, sondern als Teil der Wirtschaft, der Wettbewerbs- und der Industriepolitik", sagte die 56-jährige Wissenschafterin des WU-Departments für Sozioökonomie: Innerhalb der physischen Grenzen wirtschaftlich erfolgreich zu sein erfordere, "dass man Klima- und Umweltagenden immer mitdenkt".
Auch in Zeiten, in denen eine Budgetkonsolidierung im Zentrum stehe, müsse das nachhaltige Wirtschaften, "ein Zukunftsthema" wie auch die Bildung, mitgedacht werden. "Es gibt aber 'low hanging fruits'", so die Ökonomin: "Es gibt sehr wohl Möglichkeiten, wie man Klima- und Umweltpolitik betreiben kann, die nicht so teuer ist wie die Klima- und Umweltpolitik, wie wir sie in den letzten Jahren betrieben haben."
Als Beispiele nennt die Forscherin die CO2-Besteuerung oder das Abschaffen staatlicher Unterstützung für klima- und umweltschädliche Technologien. In der Literatur würden diese "klima-kontraproduktiven Subventionen" teilweise "als perverse Subventionen bezeichnet". Ein weiteres Beispiel für eine Maßnahme, die "ganz, ganz wenig" kostet, die "aber wirklich viel bringen" kann, seien die - hierzulande besonders emotional diskutierten - Geschwindigkeitsbegrenzungen im Straßenverkehr.
Es sind Optionen, die die Ökonomin schon oft öffentlich postuliert hat: "In meinem Bereich - wenn man wissenschaftliche Artikel liest und wenn man der Politik zuhört, gibt es sehr viel Potenzial, frustriert zu werden", gab Stagl zu: "Zum Glück bleibt es bei mir nicht lange hängen. Sondern ich versuche immer wieder, Gelegenheiten zu suchen, um dann hilfreich zu sein, das System voranzutreiben."
Die Forscherin, die aus dem Waldviertel (NÖ) stammt und die als erste Person weltweit in "Ökologischer Ökonomie" in den späten 1990er-Jahren in den USA promovierte, engagiert sich für ihr Anliegen auch im Rahmen der "Scientists for Future"-Bewegung wie auch als Vertreterin in verschiedenen Gremien, etwa als Mitglied des Generalrates der Österreichischen Nationalbank. Die nun erfolgte Auszeichnung zur "Wissenschafterin des Jahres sei ihr "sehr wichtig": Der im Jahr 1999 mit dem Preis ausgezeichnete Wirtschaftswissenschafter und spätere WU-Rektor Christoph Badelt habe "in der Volkswirtschaftslehre die soziale Dimension in den Vordergrund gerückt", sie versuche, zusätzlich die Umweltdimensionen in den Vordergrund zu rücken. "So gesehen kann man von der Fortsetzung einer Tradition sprechen", so Stagl. Ökonomie brauche den gesellschaftlichen und natürlichen Kontext, "um gesellschaftlich relevante Empfehlungen gut abgeben zu können".
Eine andere Baustelle birgt für Stagl das "Gender-Thema" in den in der Öffentlichkeit wohl bisweilen als eher konservativ geltenden Wirtschaftswissenschaften: "Es ist in der Volkswirtschaft ähnlich wie in den MINT-Fächern (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft, Technik, Anm.), dass Frauen deutlich unterrepräsentiert sind. Nur: In der gesellschaftlichen Wahrnehmung ist das noch nicht so angekommen." Und: "Da haben wir noch etwas nachzuholen", so die Wissenschafterin, die für sich aber aus der Situation, als Frau allein auf weiter Flur tätig zu sein - so etwa damals an der University of Sussex (Großbritannien) im Bereich der Energieökonomie - "nie einen Nachteil gesehen" hat. In der Ökologischen Ökonomie an der WU Wien gelinge es mittlerweile recht gut, "Frauen zu attrahieren".
"Mir ist es ein Anliegen, immer zu kommunizieren: Die Wirtschaft ist Teil der Gesellschaft" und sei von der Umwelt abhängig. Wenn jungen Menschen Umweltthemen wichtig sind, biete sich ein Wirtschaftsstudium an. Es sei essenziell, gerade die wirtschaftlichen Hebel umzustellen, "um die Umwelt- und Klimakrise zu bewältigen": Das sei eine Message, die sie versuche, bei jungen Menschen bei jeder Gelegenheit - etwa bei Schulbesuchen - anzubringen. Sie wolle "hier ein bisschen ein Pflänzchen säen".
In den vergangenen Jahren haben die Glaziologin Andrea Fischer (2023), der Ökologe Franz Essl (2022), der Komplexitätsforscher Peter Klimek (2021), die Virologin Elisabeth Puchhammer (2020) und die Historikerin Barbara Stelzl-Marx (2019) die Auszeichnung erhalten.
(S E R V I C E - https://sigridstagl.org/; http://www.wissenschaftsjournalisten.at/)
Zusammenfassung
- Die Ökonomin Sigrid Stagl wurde zur 'Wissenschafterin des Jahres 2024' ernannt und erhielt den Preis vom Klub der Bildungs- und Wissenschaftsjournalist:innen.
- Stagl ist Professorin für Ökologische Ökonomie an der WU Wien und fokussiert sich auf die nachhaltige Transformation der Wirtschaft.
- Sie betont die Notwendigkeit, Klimapolitik als integralen Bestandteil der Wirtschafts-, Wettbewerbs- und Industriepolitik zu sehen.
- Zu den von ihr vorgeschlagenen Maßnahmen gehören die CO2-Besteuerung und das Abschaffen klimaschädlicher Subventionen, die als 'perverse Subventionen' bezeichnet werden.
- Stagl engagiert sich in der 'Scientists for Future'-Bewegung und ist Mitglied des Generalrates der Österreichischen Nationalbank.