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Invasive Arten sind in alter Heimat oft selbst bedroht

Der Zuzug von eingeschleppten Arten und ihr Vordringen in neu erschlossene Regionen setzen dort beheimatete Konkurrenten nicht selten unter Druck oder verbreiten neue Krankheiten - und gefährden damit die Artenvielfalt. In einer Studie unter Beteiligung der Universität Wien zeigte sich nun: Invasive Arten sind in ihrer alten Heimat aber oft selbst vor dem Aussterben bedroht. Die Studie erschien im Journal "Conservation Letters".

Vom Menschen eingeführte nicht-heimische Arten gehören zu den Hauptverursachern des globalen Artenrückgangs - bei 60 Prozent der in den vergangenen Jahrzehnten weltweit ausgestorbenen Arten waren sie mitverantwortlich, hieß es am Donnerstag in einer Aussendung der Uni Wien.

Die von einem Team um den Wiener Ökologen Franz Essl sowie Lisa Tedeschi (Uni Wien und La Sapienza Universität in Rom) durchgeführte Arbeit unterstreicht nun "ein Naturschutzparadoxon": Denn mit Blick auf die von invasiven Arten ausgehende Bedrohung wie auch ihrer eigenen stelle sich nun die Frage, ob nicht-heimische Vorkommen von Arten auch in ihrem neuen Zuhause geschützt werden sollten. Bisher sei nicht bekannt gewesen, auf wie viele nicht-heimische Säugetierarten - in Mitteleuropa sind dies etwa Arten wie die Wanderratte, das Mufflon oder der Mink - dieses Paradoxon zutrifft.

Derzeit sind insgesamt 230 nicht-heimische Säugetierarten weltweit von Menschen in neue Gegenden eingeführt worden und haben sich dort dauerhaft angesiedelt. Die Forschenden konnten zeigen, dass - zu ihrer eigenen Überraschung doch immerhin - 36 der nicht-heimischen Säugetierarten in ihrer ursprünglichen Heimat bedroht sind.

Das trifft etwa auf den in seiner Heimat bedrohten Schopfmakaken zu, dessen Bestand in seinem natürlichen Verbreitungsgebiet auf Sulawesi seit 1978 um 85 Prozent zurückgegangen ist, während er sich auf anderen Inseln Indonesiens ausgebreitet hat und dort stabile Populationen bildet. Das Wildkaninchen ist in Europa bedroht, während es in anderen Weltgegenden wie in Australien sehr große eingeführte Vorkommen hat, die weitaus größer als die europäischen sind. Die meisten der im Heimatgebiet bedrohten Arten stammen aus dem tropischen Asien, was in vielen Fällen eine Folge massiver Regenwaldzerstörung und von Überjagung ist, hieß es. Daher könnten vom Menschen eingeführte Vorkommen diesen Arten helfen, das Aussterben zu verhindern.

Bei der Bewertung des globalen Aussterberisikos werden laut den Forschern Vorkommen einer Art, die nicht im Heimatgebiet leben, aktuell nicht berücksichtigt. "Für 22 Prozent der analysierten Arten würde sich das globale Aussterberisiko verringern, wenn auch nicht-heimische Vorkommen in die Bewertung einbezogen würden", wurde Essl zitiert. Es habe sich gezeigt, dass nicht-heimische Populationen für das Überleben gefährdeter Arten eine zentrale Rolle spielen können - besonders dann, wenn im Heimatgebiet ein hoher Gefährdungsdruck gegeben ist.

Nicht-heimische Populationen dieser Arten in der Gefährdungsbewertung einzurechnen, berge jedoch auch Risiken - etwa, dass weniger Augenmerk auf den Schutz der gefährdeten Vorkommen im Heimatgebiet gelegt wird. Zudem können nicht-heimische Populationen negative Auswirkungen auf andere Arten haben. So müsse auch das Hauptaugenmerk "weiterhin auf dem Schutz von Arten im Heimatgebiet liegen. Es ist jedoch wahrscheinlich, dass es in Zukunft mehr Arten geben wird, die in ihren Heimatgebieten vom Aussterben bedroht sind und bessere Überlebenschancen im neuen Verbreitungsgebiet haben", so Essl. Das stelle den Naturschutz vor die schwierige Aufgabe, Chancen und Risiken abzuwägen.

(S E R V I C E - https://go.apa.at/uhGSyFGn)

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  • Der Zuzug von eingeschleppten Arten und ihr Vordringen in neu erschlossene Regionen setzen dort beheimatete Konkurrenten nicht selten unter Druck oder verbreiten neue Krankheiten - und gefährden damit die Artenvielfalt. In einer Studie unter Beteiligung der Universität Wien zeigte sich nun: Invasive Arten sind in ihrer alten Heimat aber oft selbst vor dem Aussterben bedroht. Die Studie erschien im Journal "Conservation Letters".