Green Deal: EU stellt Plan für Ernährung und Artenschutz vor
Ein Nährwertlogo auf Lebensmitteln, weniger Pestizide auf dem Acker, mehr Naturschutz: Europa soll nach dem Willen der EU-Kommission zum weltweiten Vorreiter für nachhaltige Ernährung und biologische Vielfalt werden. Am Mittwoch legt die Behörde ihre Pläne als Teil des "Green Deal" für ein klimaneutrales Europa bis 2050 vor. Sie dürften sich auf die Ernährung von Millionen Verbrauchern auswirken.
Der Kampf gegen den Klimawandel ist für die EU-Kommission unter Präsidentin Ursula von der Leyen Topthema, stand aber zuletzt im Schatten der Corona-Krise. Deshalb verzögerte sich auch die Vorstellung der beiden Strategien, die später in Gesetzesvorschläge gegossen werden sollen.
Konkret geht es am Mittwoch neben einer Strategie zur Stärkung des Artenschutzes um die "Vom Hof auf den Teller"-Strategie für eine umweltfreundlichere Produktion von Lebensmitteln. Ziel ist, weniger Pestizide, Antibiotika und Düngemittel einzusetzen, Tierschutz zu verbessern und Fischerei nachhaltiger zu gestalten, wie aus einem Entwurf hervorgeht. Ebenso sollen die Menge weggeworfener Lebensmittel und der Verpackungsmüll reduziert werden.
Um Verbrauchern die Wahl im Supermarkt zu erleichtern, will die EU-Kommission zudem ein verpflichtendes Nährwertlogo für Lebensmittel vorschlagen. Man wolle die Menschen dazu befähigen, eine gesunde und nachhaltige Wahl zu treffen, heißt es in dem Entwurf. Deutschland führt ein solches Nährwertlogo bereits ein - allerdings auf freiwilliger Basis der Hersteller. Die neuen Regeln sollen noch in diesem Jahr in Kraft treten. Es geht um eine freiwillige Verwendung des Logos auf der Vorderseite von Fertigprodukten.
Die zweite Strategie soll die Artenvielfalt sichern, die in den vergangenen Jahrzehnten drastisch abgenommen hat. Zentraler Punkt des Biodiversitäts-Plans ist die Ausweitung von Schutzgebieten: 30 Prozent der europäischen Land- und Meeresfläche sollen unter Schutz gestellt werden, zehn Prozent sogar unter besonders strengen Auflagen quasi naturbelassen bleiben. Zudem wird das Ziel gesetzt, bis 2030 drei Milliarden neue Bäume zu pflanzen.
Die Grünen-Europapolitikerin Anna Deparnay-Grunenberg lobte im Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa ausdrücklich, dass die EU-Kommission trotz der Corona-Krise den "Green Deal" vorantreibt. Allerdings kritisierte sie, dass die Strategie an verschiedenen Punkten auf Druck von Lobbyisten verwässert worden sei. Zehn Prozent des Landes als Rückzugsorte und "biologisches Reservoir" für die Artenvielfalt zu sichern, sei zwar ein starkes Signal, reiche aber nicht aus.
Letztlich brauche man auch einen neuen Ansatz in der Landwirtschaftspolitik: "Wir werden weder die "Vom Hof auf den Teller"-Strategie noch die Biodiversitätsstrategie hinkriegen, wenn wir nicht an die Gemeinsame Agrarpolitik rangehen", sagte die Europaabgeordnete. Die EU-Staaten beraten seit Jahren über eine Agrarreform, kommen aber kaum voran.
Laut der Umweltschutzorganisation Greenpeace ist der blinde Fleck der EU-Kommission in ihrer künftigen Lebensmittel- und Landwirtschaftsstrategie die industrielle Tierhaltung. Für Greenpeace zeichnet sich ab, dass die EU-Behörde in Brüssel das aus ihrer Sicht "größte umweltpolitische Problem im Ernährungs- und Agrarbereich", die "massive Überproduktion von Fleisch in industrieller Massentierhaltung mit katastrophalen Auswirkungen auf Tier, Mensch und Klima", nicht anspricht. Um das Lebensmittelsystem umweltschonender zu machen, müsse jedoch eine Strategie eine Reduktion der Tierhaltung in Europa beinhalten.
"Es ist inzwischen wissenschaftlich vielfach belegt, dass der Überkonsum von Fleisch, Milch und Eiern schlecht für unser Klima und schlecht für unsere Gesundheit ist", heißt es in einer Aussendung der Umweltschutzorganisation von Dienstag. Zudem litten Nutztiere unter den schlechten Haltungsbedingungen in der Massentierhaltung.
Greenpeace führt auch als Argument an, dass die Nutztierhaltung ineffizient sei. Den Tieren müssen deutlich mehr Kalorien gefüttert werden, als sie schließlich selbst in Form etwa von Fleisch wieder bereitstellen. Wenn pflanzliche Lebensmittel direkt für Menschen produziert werden und nicht als Futtermittel für Tiere, sei dies ressourcenschonender. In der Europäischen Union essen laut der Umweltschutzorganisation Menschen im Schnitt doppelt so viel Fleisch wie gesundheitlich maximal empfohlen, in Österreich sind es im Schnitt dreimal so viel.
71 Prozent der gesamten landwirtschaftlichen Nutzfläche in der EU werden demnach für Tierfutter verwendet. Gleichzeitig bestehe eine hohe Abhängigkeit von importierten Futtermitteln wie Soja, für deren Anbau oft Regenwald abgeholzt werde, so Greenpeace. Dies fördere den Klimawandel.
Der Umweltschutzorganisation zufolge gehen zwischen 28 Milliarden und 32 Milliarden Euro der europäischen Agrarsubventionen jährlich an Tierhaltungsbetriebe oder Betriebe, die Futtermittel für Tiere erzeugen. Das sind 69 bis 79 Prozent aller EU-Agrar-Direktzahlungen bzw. 18 bis 20 Prozent des gesamten EU-Budgets.
Der "Green Deal" zielt darauf ab, die Europäische Union bis 2050 "klimaneutral" zu machen. Das heißt, ab dann sollen keine neuen Treibhausgase in die Atmosphäre geblasen werden. Was nicht eingespart werden kann, muss gespeichert werden. Landwirtschaft trägt vor allem in der Viehzucht erhebliche Mengen Klimagase bei. Andererseits kann Aufforstung große Mengen Kohlendioxid binden.
Zusammenfassung
- Ein Nährwertlogo auf Lebensmitteln, weniger Pestizide auf dem Acker, mehr Naturschutz: Europa soll nach dem Willen der EU-Kommission zum weltweiten Vorreiter für nachhaltige Ernährung und biologische Vielfalt werden.
- Am Mittwoch legt die Behörde ihre Pläne als Teil des "Green Deal" für ein klimaneutrales Europa bis 2050 vor.
- Sie dürften sich auf die Ernährung von Millionen Verbrauchern auswirken.