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Vereinbarkeit - Diskriminierungsschutz wird ausgebaut

Wer Kinder betreuen oder Angehörige pflegen muss, ist ab Mittwoch, 1. November, durch das Gleichbehandlungsgesetz vor Diskriminierung im Berufsleben geschützt. Vor der Änderung mussten Betroffene nachweisen, dass die Diskriminierung mit ihrem Geschlecht zusammenhängt. Gleichbehandlungsanwaltschafts-Leiterin Sandra Konstatzky und Klagsverbands-Geschäftsführerin Theresa Hammer sehen darin einen Schritt hin zu mehr Geschlechtergerechtigkeit.

Zuvor habe man glaubhaft machen müssen, dass es bei Diskriminierung rund um Vereinbarkeit einen Bezug zum eigenen Geschlecht gebe, sagte Konstatzky im Gespräch mit der APA. Das habe Geschlechterrollen, etwa, dass Frauen für die Sorgearbeit zuständig seien, weiter einzementiert, so Hammer. Mit der Änderung schütze das Gesetz nun alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vor Diskriminierung, die Rechte mit Bezug zur Vereinbarkeit in Anspruch nehmen. Dabei geht es etwa um flexible Arbeitszeiten oder Karenzen zur Pflege von Angehörigen oder Betreuung von Kindern. Die Expertinnen sehen die Gesetzesänderung auch als Auftrag für Unternehmen, vermehrt für Vereinbarkeit zu sorgen.

Gar nicht im Gesetz ausgedrückt gewesen sei bisher das Thema Pflege von Angehörigen. Nur wenn eine Verbindung zur Geschlechterrolle aufgebaut werden konnte, habe man sich darauf berufen können. "Das ist im Hinblick auf die Lebensrealität von vielen Menschen wirklich eine ganz große Verbesserung", ist Konstatzky überzeugt. Vom Gesetz gedeckt sei nun etwa der Fall, dass man sich aufgrund der Pflege der kranken Mutter in Teilzeit oder Karenz befindet und später den ursprünglichen Job nicht wiedererhält, nennt sie ein Beispiel. Nun sei es möglich, Schadenersatz für die Würdeverletzung und die Wiederherstellung der vorherigen Arbeitsbedingungen zu erhalten, erklärte Hammer.

Auch sei zuvor nicht klar ausgeführt worden, inwiefern Männer geschützt werden. "Wenn ich nur Frauen schütze aufgrund der Vereinbarkeit, dann komme ich dem Gleichstellungsziel nicht wirklich näher", sagte Konstatzky. In der Praxis komme es laut den Juristinnen zu Benachteiligungen bis hin zu Kündigungen, wenn Männer Elternkarenz in Anspruch nehmen. Auch hätten sie mit Belästigung zu kämpfen, da sie gängigen männlichen Rollenbildern nicht entsprechen würden.

Allerdings bleiben von der Thematik "weitaus mehr Frauen" betroffen, meinte Konstatzky. 2022 habe ungefähr jeder vierte Fall zum Thema Geschlechterdiskriminierung bei Arbeitsbedingungen die Vereinbarkeit von Beruf und Familie betroffen. Nur jeder achte Fall, bei dem es um Vereinbarkeit geht, betreffe allerdings einen Mann, so die Zahlen der Gleichbehandlungsanwaltschaft.

Kommt es zu einer Diskriminierung, könne die Gleichbehandlungsanwaltschaft Fälle vor die Gleichbehandlungskommission bringen oder mit Unternehmen in Kontakt treten, oft komme es dabei zu einem Vergleich, erzählte Konstatzky. Gebe es keine Lösung, so können gerichtliche Schritte folgen, sagte Hammer. Der Klagsverband, der im Gesetz als Institution für die Rechtsumsetzung genannt wird, bringe Musterfälle zu Gericht und sehe so, inwieweit das Gleichstellungsrecht adäquat schütze.

Weiterhin fordern beide Expertinnen die Möglichkeit einer Verbandsklage, wie sie im Behindertengleichstellungsgesetz bereits gegeben ist. Das Gleichbehandlungsgesetz sei so konzipiert, dass sich Individuen gegen Diskriminierung wehren können, immer wieder gebe es aber auch in diesem Bereich strukturelle Probleme, die mehrere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer betreffen, so Hammer. Eine Verbandsklage könne strukturelle Diskriminierungen abseits von Einzelfällen aufzeigen.

Das Gesetz beinhalte allerdings noch andere "Baustellen", weist Konstatzky etwa darauf hin, dass es aufgrund von sexueller Orientierung, Alter, Religion oder Weltanschauung nur im Bereich der Arbeit, nicht aber im Bereich der Güter und Dienstleistungen Diskriminierungsschutz gibt. Hammer fordert indes einen gesetzlichen Mindestschadenersatz bei Diskriminierung.

ribbon Zusammenfassung
  • Wer Kinder betreuen oder Angehörige pflegen muss, ist ab Mittwoch, 1. November, durch das Gleichbehandlungsgesetz vor Diskriminierung im Berufsleben geschützt.
  • Vor der Änderung mussten Betroffene nachweisen, dass die Diskriminierung mit ihrem Geschlecht zusammenhängt.
  • Gleichbehandlungsanwaltschafts-Leiterin Sandra Konstatzky und Klagsverbands-Geschäftsführerin Theresa Hammer sehen darin einen Schritt hin zu mehr Geschlechtergerechtigkeit.